München. Vier komponierende, nonkonforme Grenzgänger zwischen Jazz, Klassik und Neuer Musik: Das ist das Modern String Quartet und als genau dieser Klangkörper mittlerweile seit über 30 Jahren erfolgreich auf nationalen und internationalen Bühnen unterwegs. Die Ideen für neue, immer andere Projekte scheinen unerschöpflich. So hielt man sich am 5.10.2020 im Rubinsteinsaal denn auch nicht zurück, ergiebig aus dem großen Repertoire eigener Werke und origineller Umdichtungen bekannter Werke zu schöpfen – ganz zur Freude des eingeschworenen Publikums.
„W.Y.H.I.W.Y.G.“: „What you hear is what you get“ war das erste Statement und Werk von Andreas Höricht, dem Bratschisten des Quartetts und stimmte passend ein: Jedes Stück an diesem Abend bot ein komplettes Spektrum, einen abgeschlossenen Kosmos mit allen Kontrasten. Und dennoch unterschieden sich die einzelnen Geschichten. Das forderte und unterhielt gleichsam die wachsamen Ohren. Ausgehend von einer prägnanten Melodie oder einem rhythmischen Einfall zogen einen die Musiker mit in den Flow, ließen einmal Bossa-Nova-Klänge, mal eine Blues-Improvisation aufblitzen; treibende Patterns, coole Rhythmen oder Ostinati bildeten oft die Grundlage für neue melodische Reisen.
In Hörichts „Niagara“ beispielsweise hörte man die gleißende Sonne, die Einsamkeit einer Cello-Melodie, dann schließlich die reißenden Wasserfälle im Ductus der neuen Musik. Bei „Aqua Musica Nova“ wurde wie bei weiteren Arrangements – ausgehend von einem bekannten klassischen Werk – etwas völlig Neues im Stil des Quartetts gesponnen. Ein barockes Fugato eröffnete, um bald Händels berühmtes Hornpipe Thema seiner Wassermusik zu zitieren. Immer wieder diente ein Motiv daraus zum Anlass einer Art improvisatorischer Einlage. Auch mit Debussys „La mer“ wurde kreativ umgegangen.
Das Arrangement des Violinisten Winfried Zrenner setzt die Zitate Debussys so geschickt und homogen ein, als ob sie seine eigenen Einfälle wären – inmitten Blues und Avantgarde. Scheinbar sehr weit hat sich der Violinist Joerg Widmoser bei seinem Präludium und Fuge in c-Moll vom Vorbild Bachs Wohltemperierten Klaviers entfernt. Das Präludium erinnerte an serielle Musik, wenn die vier Musiker jeweils eine Zwei-, Drei-, Fünf- oder Sieben-Tonschleife überlappten. Die Fuge lässt die Gelegenheit nicht aus, verjazzt daherzukommen. Das wohl ruhigste Stück war „Mozart“ von Widmoser, bei dem verschiedene Zitate, wie das Lacrimosa-Thema aus Mozarts Requiem, zum Gedankenfluss wurden und einen passenden und modernen Gesamtton zum Ausgangswerk fanden.
Die Zugabe war nun wirklicher Kontrast: Das originalbelassene Quartett-Arrangement des c-Moll Präludiums aus Bachs Wohltemperiertem Klavier II. Bei so viel Homogenität trotz verschiedener Projekte, Ideen, Stile und vor allem bei vier eigenständigen, komponierenden Musikern bleibt die Frage nach dem Zwischenmenschlichen: Diskutiert werde auf jeden Fall, meint Andreas Höricht. Zum Beispiel wurde seine Idee für ein Projekt über Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ zuerst abgelehnt und nun, Jahre später arbeite man doch daran. Das Zwischenmenschliche ist sicherlich auch Grund für den Motor der Kreativität und Strahlkraft des Münchner Streichquartetts. Über ein so begeistertes Publikum wie in diesem Konzert freut sich das Quartett sicherlich immer.