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Kreuzfahrten durchs menschliche Gemüt

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Das Konzert Klangspuren des TKV Hochfranken
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Zwei Musiker sollen genügen um eine Ahnung von Unendlichkeit heraufzubeschwören? Zwei Spiegel reichen dafür aus. Wer den einen vor den anderen hält, blickt in eine sich verlierende Reihe endloser Ab-und Gegenbilder.

„Spiegel im Spiegel“ überschrieb Arvo Pärt 1978 ein Instrumentalduo, bei dem Alexey Shestiperov den Cellopart beim Kammerkonzert im Haus der Musik übernahm. Zu zweit allein: Naturgemäß suchten er und Renate von Hörsten am Flügel nicht nach Entgrenzung des Klangs; sie strebten nach einem Widerschein der Ewigkeit. Über schlichten gebrochenen Akkorden und hohen leisen Glockenschlägen griff der Cellist mit sattem, aber beherrschtem Strich mal enger, mal weiter aus in Tonfolgen, die stets zum selben Ausgangspunkt zurückkehrten. So entstanden Kreise, Sinnbilder der Anfangs- und Endlosigkeit, eine ruhige von Raum und Zeit abgekehrte Meditation.

In der Neuauflage der „Klangspuren“, zu denen der Tonkünstlerverband Hochfranken und die Hofer Symphoniker jährlich zweimal einladen, schaltete sich diese Darbietung als Ruhepol und stiller Ausgleich ein. Die anderen Beiträge wechselten zwischen Beschaulichkeit und Aufschwung teils umso heftiger ab. Die Sopranistin Nina Hreus und Eva Enders, Alt, stellten den „Tränen“ eines sentimentalen Duetts von Pjotr Tschaikowsky erwartungsvoll die Freude auf eine „Morgendämmerung“ entgegen; am Klavier zauberte Tamara Geißner ausdrucksvolle Nachspiele. Das Op.70 Robert Schumanns eröffneten die Bratschistin Sarah Tarablus und Renate von Hörsten mit einem gefühlvoll zurückgenommenen Adagio, gefolgt vom begeisterten Allegro. Eine Rarität des Impressionismus nahmen sich Nikolai Katsarski (Violine), Monika Mayrock (Viola) und Alexey Shestiperov vor: Das Trio, das den Abend eröffnete, schuf der gelernte Kapitän Jean Cras 1926 während der Testfahrt eines Marinekreuzers. Glänzend agierten die drei in den Affekten wie im Rhythmus zusammen. Wohl wissend, dass die kleine Dreierbesetzung jede Klangmauschelei verbietet, musizierten sie mit Engagement, dem es an Fülle nicht fehlte.

Umso zahlreicher die Spieler am Schluss: Da reihten sich die Oboisten Pavel Kondakov und Noriko Kitamura, Thomas Faltlhauser und Alex Ladstätter mit ihren Klarinetten, Tonko Huljev und Kentaro Masaoka (Fagott) sowie die Hornisten John Manganaro und Oliver Redfearn auf: Wolfgang Amadeus Mozarts c-Moll Bläserserenade KV 388 nutzten sie für geradezu orchestrale Üppigkeit.

Nach Pärts geistesabwesenden Spiegelbildern rissen sie gleichsam das Steuer herum. Herrisch, pompös traten sie ins Auftaktallegro ein, passierten gemütvoll das Andante, um sodann die rhythmische Gebrochenheit des kanonisch gesetzten Menuetts pointierend auszukosten.

Wie mühelos, alle Phasen und Phrasierungen belebend und nuancierend, lösten sie dabei das Problem der Balance gleich doppelt. Zum einen wussten sich alle Instrumente gleichgewichtig im Ganzen zu verankern. Zum andern wechselten die Musiker zwischen den Lichtern und Schatten der Mozart’schen Musik, zwischen der Lebenssattheit, dem fröhlichen Grimm und Gram, der in ihrer scheinbaren Leichtigkeit begreifbar wird: Spiegelungen der Zwiespältigkeit.

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