Wie und wo und warum haben wir uns vor über zehn Jahren kennengelernt, Anno Blissenbach und ich? Ich weiß es einfach nicht mehr. Es muss eine der zahlreichen Sitzungen einer Berufsorganisation, des Tonkünstlerverbandes, einer Arbeitsgruppe zu einer musikpolitischen Frage oder was auch immer gewesen sein. Es kann in Berlin, in Potsdam oder bei einem Bundeskongress gewesen sein. Anno Blissenbach sprach immer, und er sprach immer betont neutral und unaufdringlich, sachlich exakt zum Wesen der jeweiligen Probleme. Und er war immer korrekt gekleidet. Zu keinem meiner Kollegen würde sich die Assoziation „gut gekleidet“ einstellen. Bei ihm schon. Mir eher schlampigen Typen hat das offenbar imponiert, dass da einer immer aussah wie kurz vor oder kurz nach einem Fernsehinterview. Anderswo mag das anders sein, in einer Stadt wie Berlin fällt das auf. Wichtiger aber ist Anno Blissenbachs Wirken als Funktionär der verschiedenen Berufs- und Fachverbände. Er war Präsident des DTKV-Landesverbandes Brandenburg e.V. sowie im Bundes- und Landesvorstand der Bundesvereinigung.
Rastlos, präsent und doch immer ansprechbar
Von 2003 bis 2007 gehörte er dem Vorstand des Fachverbandes Klavier im Gesamtverband Deutscher Musikfachgeschäfte (GDM) e.V. an. Mit Hauptsitz Berlin war er sowohl Selbstständiger im Bereich Klavierunterricht/ Musikschule sowie Inhaber der Firma A.B. MUSIKHANDEL, Klavier-Vertrieb, als auch freier Journalist. Zahlreiche Fachartikel sind im Internet noch zu finden und nachzulesen. Insbesondere sein Wirken für den Tonkünstlerverband als Redakteur der 8-Länder-Seiten der kleineren Landesverbände des DTKV in der neuen musikzeitung ist hoch zu würdigen. Denn wer Pressearbeit kennt oder schon mal selbst gemacht hat, weiß um den Teufelskreis aus drückenden Abgabeterminen, bummelnden Autoren, schlampigen Recherchen und ungenügend scharfen Fotos. Dazu waren die Interessen von kleinen und großen Landesfürsten zu berücksichtigen, die Eitelkeiten der lieben Kollegen ins freundliche Kalkül zu ziehen und die politische Großwetterlage und allerlei andere Konstellationen zu bedenken. Dergleichen Tun macht Arbeit und Blissenbach machte sich diese Arbeit immerzu. Seine Mails mit Mahnungen, Bitten oder Vorschlägen kamen fast immer zwischen 23 Uhr und 2 Uhr morgens, auch am Sonntag, auch in den Ferien. Er arbeitete rastlos an allen seinen Projekten und Geschäftsfeldern, vertrat unermüdlich Position, war präsent und trotzdem ansprechbar.
Souveränität eines Berufspolitikers
Politisch engagierte sich Anno Blissenbach für die Bereiche Kultur, Bildung und Mittelstand ehrenamtlich in verschiedenen Gremien. Er war FDPMitglied und vieles in seinem Auftreten hatte die Souveränität eines Berufspolitikers, der zurückhaltend, bisweilen etwas verklausuliert, das Seine sagt und wohlbegründet vertritt, den Kontrahenten aber Freiräume für abweichende Meinungen zubilligt und sich mit anderen Argumenten auch tatsächlich auseinandersetzt. Überhaupt war sein Feld die Verbandsarbeit in all ihren Facetten. Er dachte mittelständig, das heißt, er befand sich in der Mitte zwischen der „großen“ Kulturpolitik und den kleinen Firmen und Vereinen und dachte ständig daran, deren Situation zu verbessern oder wenigstens Verschlechterungen abzuwehren. Und er hatte dabei früher als viele verstanden, dass jene kleinen oder mittleren Organisationen zunehmend wichtiger in der regionalen Kulturarbeit werden würden und dass deren Einfluss und Bedeutung weiter wachsen wird, je mehr der Staat sich aus diesen Bereichen der Gesellschaft zurückzieht.
Leidenschaftliches Engagement für Musiker und Musikpädagogen
Anno Blissenbach war 30 Jahre lang Mitglied des DTKV Berlin und in dieser Zeit auch lange engagiert im Vorstand des Landesverbandes tätig. Seit 2007 war er zudem parallel Präsident des DTKV Brandenburg. In all den Jahren hat er sich immer mit großer Kraft und Leidenschaft für die Belange der Musiker und Musiklehrer eingesetzt, unter anderem auch in der Landes-Lehrervertretung der Berliner Musikschulen. Aber viele fanden unbequem, was er sagte, viele nahmen Anstoß an diesem und jenem. Blissenbach war eine umstrittene Persönlichkeit, die auch polarisieren konnte und er hatte nicht nur Freunde. Aber seine unaufgeregte, nachhaltige Art zu argumentieren und zu überzeugen, hat den Tonkünstlerverband insgesamt doch sehr vorangebracht. Das Selbstverständnis des Verbandes, das vor einigen Jahren noch viel bündisches Denken in sich barg, ist ein vollkommen anderes geworden, der Verband steht modernisiert und attraktiv da und ist damit viel weiter als vergleichbare Verbände. Dass für die Mitglieder eines solchen Verbandes (aller solcher Verbände) immer zu wenig passiert, während die immer zu wenigen aktiven Funktionsträger in ihren Ehrenämtern sich aufreiben, das gehört zur inneren Logik eines jeden Verbandes. Und dieses Aufreiben wurde gelegentlich, aber zunehmend auch bei Anno Blissenbach sichtbar. Die kleineren und größeren Unpässlichkeiten nahmen zu bis hin zum unerwarteten Ende. Er wird kaum zu ersetzen sein, dieser korrekt gekleidete Mensch, halb Geschäftsmann, halb Künstler, immer in Eile und trotzdem immer bereit, weitere Aufgaben zu schultern, freundlich, hilfsbereit und pragmatisch. Anno Blissenbach wird vielen sehr fehlen.