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Kurzweilig und informativ

Untertitel
Konzert für Menschen mit und ohne Demenz?!
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In Zusammenarbeit mit dem Mozartfest und der Klasse Elementare Musikpädagogik sowie dem Pre-College der Hochschule für Musik Würzburg fand im Exerzitienhaus Kloster Himmelspforten ein Konzert mit dem Titel „Unvergesslich – Mozarts beliebte Melodien“ statt. Der Untertitel „Konzert für Menschen mit und ohne Demenz“ veranlasst zur Frage, ob diese Konkretisierung einer Zielgruppe gerechtfertigt ist. Sollte es nicht eher eine Selbstverständlichkeit sein, dass jedes Konzertangebot für jeden Menschen offen steht? Ist es unter konzertpädagogischen Aspekten etwas Besonderes, ein Konzert für Menschen mit Demenz zu konzipieren und durchzuführen?

Ein erster Weg zur Beantwortung dieser Fragen führt zur Dokumentation und Evaluation eines Pilotprojekts, das unter dem Titel „Auf Flügeln der Musik“ in Nordrhein-Westfalen 2012 bis 2013 durchgeführt wurde. Hier finden sich wesentliche Hinweise zu organisatorischen und inhaltlichen Besonderheiten, die es für ein Konzert für dementiell veränderte Menschen zu beachten gilt. Zugleich wird belegt, dass der Besuch eines (gelungenen) Konzertes Wohlbefinden erzeugt und gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe bedeutet.
Ein zweiter Weg führt in die Erfahrungswelt der Elementaren Musikpädagogik (EMP). An der Hochschule für Musik in Würzburg wird im Rahmen dieses Studiengangs bereits seit 18 Jahren ein Projekt „Elementares Musizieren mit SeniorInnen im Heim“ durchgeführt. Einmal in der Woche bieten Studierende der EMP einer Gruppe von 15 bis 20 Senior/-innen an, Musik aktiv zu hören, indem sie auf Elementaren Instrumenten mitspielen oder zur Bewegungsbegleitung animiert werden. Das Singen bekannter und neuer kurzer Lieder, das Kennenlernen eines unbekannten Instruments gehören ebenso in die Musizierstunde wie Sitztänze und das Erzählen von früheren Musikerfahrungen. Diese speziellen Erfahrungen im Musizieren mit den meist dementiell veränderten Menschen können direkt auf die Konzeption von Konzerten für Menschen mit Demenz übertragen werden.

Ein möglicher dritter Weg zur Beantwortung der Frage, ob Menschen mit Demenz ein speziell konzipiertes Konzertangebot benötigen, ist die Befragung von Angehörigen. Stellvertretend soll hier die Ehefrau eines Konzertbesuchers vom oben erwähnten Konzert zu Wort kommen: „Das Konzert besuchte ich mit meinem Mann, der sehr jung an Demenz erkrankt ist. Wir können seit geraumer Zeit keine „normalen“ Konzerte mehr besuchen, obwohl das immer zu unseren regelmäßigen kulturellen Unternehmungen gehörte. „Zu laut, zu viele Menschen, zu viele Instrumente“, so lauten inzwischen die Kommentare meines Mannes. Mit der Form der Darbietungen in Himmelspforten wurde genau das Maß an Unterhaltung getroffen, das zu einem äußerst vergnüglichen Nachmittag für die beeinträchtigten Menschen beitrug.“

Offensichtlich bedürfen Konzerte, die auch von dementiell veränderten Menschen besucht werden, besonderer Voraussetzungen. Zunächst können diese Besucher nur in Begleitung eines vertrauten Menschen zum Konzert kommen. Der Konzertraum sollte eine überschaubare Größe haben, ruhig und barrierefrei zugänglich sein, Platz für Rollstühle und andere Geh-Hilfen bieten. Die Länge des gesamten Konzertes und der einzelnen Beiträge sowie die Moderation sind der Aufmerksamkeitsspanne und den kognitiven Fähigkeiten der dementiell veränderten Menschen anzupassen. Mitreaktionen der Konzertbesucher sind einzuplanen und vieles mehr muss im Vorfeld noch bedacht werden. All dies kommt jedoch nicht nur den dementiell veränderten Menschen zu Gute, sondern kann auch ein für viele musikinteressierte Menschen neues Konzertformat darstellen, das kurzweiliger und informativer ist als manch langer Konzertabend. Die Kunst der Konzertpädagogik liegt in Zukunft darin, Konzeptionen zu entwickeln, die allen Menschen den Zugang zum Kulturgut Musik – und nicht nur diesem – ermöglichen.

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