Am Moskauer Konservatorium, als der Wind noch streng kommunistisch wehte, waren nicht nur Lehrlinge auf dem Podium zu bewundern. Zu den guten Sitten des Betriebes gehörte auch zu zeigen, was man auf Lehrerseite kann. Die Zeiten sind vorbei. Nicht nur in Russland. Es mehren sich - auch in Münster - die Personen, die sich nie über die Schulter blicken lassen und ihre Schüler als Beweis von Kompetenz vorschicken. Anders beim Kammerkonzert des Deutschen Tonkünstlerverbands in der Rüstkammer des Rathauses. Hier ließen sich dessen 130 Mitglieder durch fünf tapfere Kolleginnen vertreten, die ein anspruchsvolles Programm vorstellten.
Wann hätte man in Münster je die „Romanze“ aus dem Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll von Frédéric Chopin in der Solofassung von Mili A. Balakirew gehört! Ulrike Hühn demonstrierte in ihrer feinfühligen Interpretation den filigranen Zauber chopinscher Nachtschwärmereien. Deren Verzierungsdelirien wusste sie besänftigend in die Musik zu integrieren.
Feldeinsamkeit
Vier Lieder von Johannes Brahms wurden von Susanne Sandfort mit ungewöhnlich hellem Sopran gesungen. In der berühmten „Feldeinsamkeit“ schienen Einsamkeit und Todessehnsucht aufgehoben in Wonnen von schierem Lebensglück. Die Pianistin Annette Strootmann zeigte sich hier wie in den „Songs of Travel“ von Ralph Vaughan Williams als überaus versierte Begleiterin. Ulrike Meyer-Krahmers Mezzosopran verlieh dem derben Wanderschuh-Gestus von „The Vagabond“ und dem munter-melancholischen „The Roadside Fire“ eine bisweilen herbe Note. Die dezent pompöse „Rule Britannia“-Attitüde des „Bright is the Ring of Words“ verwandelte sich in englische Grandezza.
Launische Sonate
Die ungewöhnlichste Kombination hatte sich Ingrid Purwins zusammengestellt. Nach der launischen Sonate A-Dur von Domenico Scarlatti folgte „Ein Takt für Klavier“ des taiwanesischen Komponisten Shih, der improvisierende Spieltechniken vom Pianisten einfordert und speziell mit ostinaten Figuren letzte kompositorische Kontrolle innehält. Herzlicher Beifall für Lehrer, die sich trauen.“