Den sachsen-anhaltischen Landesverband der Tonkünstler gibt es seit 1991. Er ist immer noch einer der kleineren Landesverbände, nichtsdestotrotz ein aktiver. Seit 1992 richten die Mitglieder mit wenigen Unterbrechungen ihr Tonkünstlerfest aus, in diesem Jahr war es das 30. Eine Woche lang gab es Konzerte und Workshops in Magdeburg, Halle und Wernigerode.
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Foto: Thoralf Winkler
Ligetis 100. Geburtstag im Blick
Diesmal stand György Ligeti im Mittelpunkt, der am 28. Mai 100 Jahre alt geworden wäre. In jedem Konzert war etwas von ihm zu hören. Mehr noch, Ligetis Sohn Lukas konnte als Schirmherr gewonnen werden. Auch von ihm wurden Kompositionen aufgeführt. Persönlich anwesend konnte er indes nicht sein – er weilte in Johannesburg, wo er genau in derselben Woche ein Weltmusikfestival veranstaltete. Aber er war für ein Grußwort und ein Gespräch mit dem Magdeburger Jazzpianisten Marius Moritz über Video zugeschaltet. Die beiden sprachen unter anderem über das musikalische Verhältnis von Vater und Sohn. „Ich hatte nie bei meinem Vater Unterricht“, sagte Lukas Ligeti, auf eines der seltenen Fotos angesprochen, die Vater und Sohn bei einem Gespräch im Kreise von Studenten zeigte, „aber die vielen Gespräche über Musik haben mich geprägt“. So sind es nicht unbedingt die direkten Fußstapfen seines Vaters, in die Lukas Ligeti tritt. „Ich selbst mag zum Beispiel Improvisation in der Musik – mein Vater hatte dafür nichts übrig.“ Einen direkten Vergleich konnte man bereits beim Eröffnungskonzert ziehen, bei dem Werke vom Vater und vom Sohn aufgeführt wurden. Beide mit ihrer eigenen musikalischen Sprache. „Mein Vater war ein Original, ich versuche auch eines zu sein. Aber es hat ja keinen Sinn, so werden zu wollen wie mein Vater“, sagte er zum Schluss.
Beim Eröffnungskonzert stand die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie auf der Bühne des Magdeburger Gesellschaftshauses. Für ein Orchester in Trägerschaft eines Landkreises gehört normalerweise klassische sinfonische Musik zum Brot-und-Butter-Geschäft. Aber schon seit Jahren nimmt die Kammerphilharmonie das eine oder andere Stück neuer Musik in ihre Programme und vergibt selbst Kompositionsaufträge. Einer davon, „Kristall“ des 29-jährigen Komponisten Yuji Yao, kam im Konzert zur Uraufführung. „Mein liebstes unter den heute aufgeführten Stücken“, sagte Dirigent Jan Michael Horstmann. Ein Werk, das mit Geräuschen spielt, die Struktur eines Salzkristalls beschreibend. Passend zum Salzlandkreis, aus dem der Auftrag kam, eine Komposition zum Thema Salz zu schreiben. Windgeräusche der Bläser, hohe, beinahe metallische Töne der Streicher und Klänge eines Schlagzeuges laufen auf eine Explosion der Klänge zu, aus der sich allmählich ein Wohlklang bildet. „Meine Inspiration war die Wirkung von Licht auf Kristalle“, schreibt der Komponist, „so wie Licht durch einen Kristall dringt und sich darin bricht und gefiltert wird, entwickelt sich auch das Hauptmaterial des Werkes“. Eine weitere Uraufführung stammte vom Magdeburger Komponisten Jens Klimek, der mit feinsten Tonunterschieden arbeitet und die Streicher einer Glasharmonika gleich klingen lässt.
Bei György Ligetis Konzert für Klavier und Orchester – gespielt von Frederike Möller – standen anfangs die scharfen Klaviertöne, das Schlagwerk mit archaischen Trommelrhythmen und das Orchester, jeweils mit komplizierten Rhythmen, wie in seperaten Blöcken nebeneinander. Ein Kontrabass-Ostinato und geisterhafte Flötentöne leiteten ein allmähliches Zusammenwirken der vorher getrennten Klangkonstrukte ein.
Die folgenden Festivaltage bildeten das Spektrum der modernen Musik in Sachsen-Anhalt ab und versuchten zu beleuchten, welchen Einfluss Ligetis Musik noch heute auf das Schaffen der jüngeren Komponistengenerationen hat. Es erklangen Konzerte für Kinder – auch dort mit Ligeti und mit Auftragswerken für das Tonkünstlerfest –, es gab einen Improvisationsworkshop, Jazzabende, ein Konzert für 2 Flügel und 4 Hände, Bigbandmusik des Magdeburger Konservatoriums und ein Chorkonzert. „Wir brauchen die neue Musik“, sagte Beatrix Lampadius, die Vorsitzende des DTKV Sachsen-Anhalt, bei der Eröffnung. „Sie ist ein Zeichen für Veränderung, für einen lebensbejahenden Blick nach vorn. Wir leben im Hier und Jetzt und suchen die Auseinandersetzung mit den Themen der Zeit. Die Musik ist dabei wie eine gute Fee, die Kulturen verbindet und Menschen zusammenbringt.“
Weitere Informationen zur Konzertreihe des 30. Tonkünstlerfests finden Sie auf folgender Webseite: www.tonkünstlerverband-sachsen-anhalt.de/30-tonkunstlerfest-2023
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Foto: Thoralf Winkler
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