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Macht Musik schlau?

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Drei Jahre Musikstudio Gabriele Paqué in Bonn
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Vor drei Jahren gründete Gabriele Paqué in Bonn ihr eigenes Musikstudio und seither hat sich dieses zu einer festen Größenordnung in der Bonner Kulturszene entwickelt. Neben ihrer primären Zielsetzung, dem Musikunterricht für Erwachsene, setzt die diplomierte Musikpädagogin auf eine Kombination von Kunstausstellungen, Konzerten namhafter Künstler – darunter auch Meisterschüler von Professor Sheila Arnold von der Kölner Hochschule für Musik und Tanz –, international besetzten Meisterkursen sowie Vorträgen von Wissenschaftlern, die sich mit dem Zusammenhang von Musik und geistiger Mobilität bis ins hohe Alter beschäftigen.

Dieses kleine Jubiläum war Anlass für eine Fachveranstaltung ganz besonderer Art: ein Tag der offenen Tür, kombiniert mit einer Ausstellung von Malereien und Aquarellen des Künstlers Otto von Kotzebue aus München. Dazu war es Gabriele Paqué gelungen, zwei renommierte Wissenschaftler für Fachvorträge zu gewinnen: Prof. Dr. med. Claudia Spahn, Leiterin des Freiburger Instituts für Musikermedizin, die über das Thema Lampenfieber referierte, und Prof. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke, Zürich, Neuropsychologe und kognitiver Neurowissenschaftler, der einige seiner Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Interdependenz zwischen Musik und Gehirnaktivität darlegte. 

Umgang mit Lampenfieber

Lampenfieber kennt wohl jeder Künstler, der vor Publikum auftritt, egal ob vor großer Kulisse oder im kleinen Kreis. Es ist eine Art Prüfungsangst, die Angst zu versagen, etwas Wichtiges zu vergessen oder den so oft geübten Leistungsstand im entscheidenden Augenblick – also beim öffentlichen Auftritt – nicht halten zu können. „Tatsächlich gibt es mehrere Varianten von Lampenfieber“, so Professorin Spahn. „Gemeinsam ist ihnen, dass der Körper auf psychischen Druck mit Stresssymptomen reagiert: schneller Herzschlag, trockener Mund, Übelkeit, Kopfschmerzen, selbst Erbrechen oder sogar Durchfall können einige davon sein.“
In ihrem Freiburger Institut entwickelte die Professorin mit ihren Mitarbeitern eine Reihe von Methoden, mit denen vor allem Musikern mit besonders stark ausgeprägter Neigung zu Lampenfieber geholfen werden kann. Ein Beispiel dafür konnten die über 120 Zuhörer im Gruppenexperiment als autogenes Training zur physischen und psychischen Selbstkontrolle sowie Beruhigung des vegetativen Nervensys­tems an sich selbst ausprobieren.
Grundsätzlich sei Lampenfieber, so Dr. Spahn, eine eigentlich leistungssteigernde Reaktion des Körpers auf als Bedrohung empfundene Situationen, die sich im Extremfall allerdings als Panik – mit entsprechenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit – auswirkt. Das Wissen um Ursachen und mögliche Auswirkungen allein könne einem Künstler schon helfen, rational mit diesem menschlichen Phänomen umzugehen und es dann sogar als positive Energiequelle für den Auftritt zu nutzen.

Musik, Altern und Gehirn

Mit einem ganz anderen Thema beschäftigte sich anschließend Professor Dr. Lutz Jäncke, den Auswirkungen von Musik auf die geistige Leistungsfähigkeit. ‚Macht Musik schlau?‘ – eine Antwort auf diese provozierende Frage suchte Professor Jäncke mit der Untersuchung von Hirnaktivitäten gezielt in den Bereichen des Gehirns, die für die Wahrnehmung und Verarbeitung akustischer Reize zuständig sind. Grundlage hierfür ist das Verfahren der Elektroenzephalographie (EEG), mit dem man an der Schädeloberfläche selbst kleinste Veränderungen der elektrischen Aktivität des unter dem Schädel liegenden neuronalen Gewebes messen kann.
Die Ergebnisse von sieben Testpersonen, die während des Tests eine Mozartsonate hörten, waren eine Überraschung: So zeigte bei drei der Probanden nicht nur der für akustische Reize verantwortliche Teil des Gehirns, sondern auch weit entfernte Bereiche, wie etwa das Sprachzentrum, eine erhöhte Aktivität. Dazu kamen auch noch bessere Leistungen in den begleitenden Tests zur Messung räumlicher Funktionen. Und noch mehr: Diese gesteigerte Gehirnleistung hielt auch noch einige Minuten nach dem Hören der Sonate an. „Wir konnten so nachweisen“, so Professor Jäncke, „dass das Hören von Musik mehrere, auch weit voneinander entfernte Hirnpartien, zu einer erhöhten Intensität aktiviert.“
Noch intensiver werden diese Aktivitäten des Gehirns beim Spielen eines Instrumentes, denn dabei werden auch die zusätzlichen Anforderungen – das Lesen der Noten, die Umsetzung der Zeichen für Tempi und Tonlagen sowie auch die manuellen Fähigkeiten – im Gehirn verarbeitet, und das in allen Bereichen. Musizieren ist also eine komplexe Leistung, die das gesamte Gehirn fordert. Macht Musik also wirklich schlau? Ersetzt man das Wort schlau durch intelligent und definiert Intelligenz als die Fähigkeit, Vorgänge, Begriffe und Zusammenhänge schneller und besser zu erkennen, sowie Schlüsse daraus zu ziehen, so kommt man der Antwort schon näher.
Nun funktioniert das Gehirn vergleichbar mit einem Computer, der Einzelinformationen speichert und durch die Vernetzung dieser Informationen Ergebnisse produziert. Je enger die Vernetzung der Speichereinheiten, je höher und schneller die Leistung. Im Gegensatz zum Computer ist das Gehirn ein lebendiger Organismus, der – wie Muskeln auch – trainiert werden kann, und das bis ins hohe Alter. Ein solches Gehirntraining ist Musizieren. Die dabei geforderte Leistung führt dazu, dass die neuronale Vernetzungsdichte der Gehirnzellen zunimmt und das nicht nur für den Moment. Die Frage: ‚Macht Musik schlau?‘, ist damit beantwortet.
Nach diesem Ausflug in die Neurowissenschaft beendete Gabriele Paqué die Vortragsreihe mit einem eigenen Beitrag zum Leitgedanken ihres Studios: ‚Klavierunterricht für Erwachsene – ein Traum kann wahr werden‘. „Viele Menschen möchten gerne selbst ein Instrument spielen, sie glauben nur, sie seien nicht musikalisch genug, es sei zu mühsam oder sie könnten es ohnehin nicht zur Meisterschaft bringen. Aber das ist auch nicht das vorrangige Ziel meines Unterrichts. Wie gerade der letzte Vortrag gezeigt hat, ist Musizieren eine Möglichkeit, gerade oder auch im Alter, seine eigenen Möglichkeiten auszuloten, zu erweitern und dabei die eigene geistige Mobilität zu erhalten und zu erweitern. Dass Musizieren auch Freude macht, ist – bildlich gesprochen – das Sahnehäubchen auf diesem Kuchen.“
Den Beweis dafür lieferte zum Abschluss ein kleiner Klaviervortrag eines ihrer Schüler, der auch erst im fortgeschrittenen Alter mit dem Klavierspiel begonnen hatte – mit Lampenfieber aber sichtlichem Stolz auf seinen ersten Auftritt vor Publikum.

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