Die Gesprächsreihe mit Komponisten im Rahmen des „Studio Neue Musik“ des DTKV Berlin, in dessen Rahmen bereits Gabriel Iranyi und Stefan Lienenkämper mit ihren Intentionen und Werken vorgestellt wurden, widmete sich nun der bekannten japanischen Komponistin Mayako Kubo, die seit 1985 in Berlin lebt und arbeitet.
Die Gesprächsreihe mit Komponisten im Rahmen des „Studio Neue Musik“ des DTKV Berlin, in dessen Rahmen bereits Gabriel Iranyi und Stefan Lienenkämper mit ihren Intentionen und Werken vorgestellt wurden, widmete sich nun der bekannten japanischen Komponistin Mayako Kubo, die seit 1985 in Berlin lebt und arbeitet.
Mayako Kubo studierte in Wien bei Roman Haubenstock-Ramati, Erich Urbanner und Friedrich Cerha. In Deutschland setzte sie ihre Studien bei Helmut Lachenmann fort.
Seither sind rund 120 Kompositionen entstanden, darunter die in Graz und Tokio aufgeführte Oper „Rashomon“. Durch das zusätzliche Studium der Musikwissenschaften und der Philosophie in Wien und Berlin haftet der Musik von Kubo ein deutlicher geistiger Tiefgang an – jeder Klang, jede Note ist Teil eines dramaturgischen Konzepts, selbst in kleinstbesetzten Solo-Liedern, wie die herausragende Darstellung einer Auswahl von vertonten Haikus durch die Sängerin Ulrike Sowodniok beweisen konnte.
Die Musikwissenschaftlerin Dr. Adelheid Krause-Pichler führte das Gespräch mit der Komponistin professionell und sicher durch den Abend, entsprechend dem Motto der Ankündigung: Titel – Texte – Töne. Denn wie man nun erfuhr, gestaltet sich der Kompositionsprozess meist in dieser Reihenfolge. Den Anstoß für die Werke (ob Klaviersolo, Kammermusik oder Oper) gibt ein für Kubo aktuelles Thema, oft gesellschaftspolitisch geprägt, es folgt die Suche nach geeigneten Texten, deren Ausdeutung in Töne und Klänge umgesetzt wird. Die Komponistin sagt dazu:
„Ich werde immer wieder gefragt: Wann haben Sie den Drang zu komponieren? Oder: Wann und wie kommen die Ideen – vom Himmel oder aus dem Alltag? Titel und Text sind für mich zwei wichtige Inspirationsquellen – die eigentliche Schwierigkeit beginnt, wenn Energie und Idee vorhanden sind. Aber – wie setze ich die Idee in Noten um und auf welchem Weg soll der Transformationsprozess von der Idee zur Musik stattfinden?“
Mayako Kubo konnte dies an einem außergewöhnlichen Klavierstück verdeutlichen, dem das Thema des bekannten Liedes „Sah ein Knab ein Röslein stehen“ zugrunde liegt.
Kubos Verarbeitung fokussiert sich auf den frauenfeindlichen Hintergrund des Textes und legt die zerstörerische Tendenz des Inhalts ihrer Ausdeutung zugrunde: So entsteht ein Klavierstück, bei dem das Instrument mit metallenen Fingerhüten traktiert wird, nicht nur auf den Tasten, sondern im Innenraum, auf den Saiten und am Außenkorpus des Flügels. Für den Hörer wahrnehmbar ist dabei nur die rhythmische Struktur, obgleich die Komponistin jedem Berührungspunkt einen Liedton zugedacht hat. Diese „Studie für Fingerhut“ entstand bereits 1986, sie zeigt aber dennoch die gestalterische Ideenumsetzung der Komponistin.
Das Thema sexuelle Gewalt sowie die Minderheitenproblematik sind zentrale Motive in Kubos musikalischer Arbeit. So wird 1995 nochmals das „Röslein“, diesmal in Form der Solo-Violine, in einem Orchesterstück verarbeitet und auch in die 6. Szene der Oper „Rashomon“ integriert. Die Solo-Violine als Symbol der Minderheit wird nach und nach vom Orchester vereinnahmt und schließlich gelöscht.
Die mithilfe eines Beamers eingespielte Szene verdeutlichte die dramaturgische Ausgestaltung. Mayako Kubos Stärke ist für uns in erster Linie die Auseinandersetzung mit der deutschen Literatur und Klassik aus ihrem Blickwinkel. Vieles wird dem Hörer bewusst, was er bisher nicht bedacht oder vernommen hat.
So verwundert die Konzentration auf Schuberts Lied „Wohin“ aus der Schönen Müllerin, interpretiert als angstvolle Antwort auf den Atombombenabwurf über Hiroshima ebenso, wie die Initiative, Neuköllner Bürger „Haikus“ schreiben zu lassen und diese für Solo-Stimme zu vertonen.
Die Live-Darstellung von sieben Neuköllner Haikus (z.B. „endlich Picknickzeit! Auf sommerwarmem Rasen dampft Hundekot“/Eva Horn) demonstrierte nach eineinhalb Stunden Gespräch mit Mayako Kubo abermals ihren überwältigenden Einfallsreichtum.