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Miniatur-Reisen in Teigtaschenform

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Die Preludes for Piano „Musical Dumplings“ von Dan Turcanu
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Was der rumänische, in München lebende Komponist Dan Turcanu unter dem appetitanregenden Titel „Musical Dumplings“ vereint, sind 21 vielseitige wie vielschichtige Präludien für Klavier solo, die einen ganzen Stilkosmos abdecken und jedes für sich uns mitnimmt auf eine abenteuerliche Reise in fremde Länder, Zeiten oder Zustände. Technisch setzen sie in etwa mittleres Niveau voraus, manche haben allerdings durchaus ihre Tücken, und sie verlangen ausgereifte Fähigkeiten des Gestaltens und der Orientierung in rasch wechselnden, nie sich wörtlich wiederholenden musikalischen Umgebungen. Gerade dadurch garantieren sie aber auch Spielfreude.

Jeder Dumpling für sich wäre es wert, ihn ausführlich zu besprechen, aus Gründen des Umfangs kann hier nur recht generell auf die Musik eingegangen werden. Durchweg spürbar ist Turcanus Drang, spielerisch zu experimentieren und immer neue Bilder musikalisch zu erforschen. Dabei bleibt doch stets eine Handschrift des noch nicht einmal vierzigjährigen Komponisten deutlich zu erkennen, die sich am Rande der Möglichkeiten funktionaler Tonalität aufhält, einerseits immer wieder zu strukturierenden Formen zurückkehren kann, andererseits aber auch mit man möchte sagen kindlicher Freude die Hörerinnen und Hörer überrascht, gänzlich unerwartete Wendungen des Geschehens serviert. Immer kommt etwas anders als gedacht, und immer wieder schmunzelt man angesichts der kecken Volten, die gerade dadurch erstaunen, dass sie hörend nachvollzogen werden können.

Eine ganze Reihe der Musical Dumplings beschäftigt sich mit Bildern ferner Länder, so „A Chinese Tale“, „Rain in Reghin“, „The Armenian Picture“, gewissermaßen auch der „Lotus Dancer“ und „Mourning Gypsies“. Diese zeigen eindrucksvoll Turcanus Beschäftigung mit lokalem Kolorit, das er nie wörtlich übernimmt, sondern frei in seine Musik einfließen lässt und es verwandelt. Besonderes Vergnügen bereitet es Dan Turcanu, Jazz-Elemente in seine Musik einzuweben, beispielsweise in „Erasmus Jazz“, „Squabling Siblings“ und „Chiqa m’apook“, während „Fairy Prank“ auf einem lateinamerikanischen Rhythmus basiert. Die teils gewagten Titel lassen schon das Scherzende, gar Anekdotenhafte erkennen, das Turcanus Musik oft ausmacht – gerade bei Titeln wie „A moth and a light bulb“ oder „A broken record“. Wieder andere Dumplings stoßen surreale Bilder auf, so „Imperfect Ways“, „Pleasant Discords“, „One too many”, “Coman’s choice” oder auch “A perfect forth”, das namensgerecht in erster Linie auf reinen Quarten basiert.

Um zumindest ein paar konkrete Worte über ein Stück zu verlieren, sehen wir auf das eröffnende „Once upon a time“. Turcanu nutzt ein dreitaktiges Motiv als Ausgangspunkt, das aus einer Wechselnote und einer absteigenden Linie besteht. Die linke Hand untermalt zweistimmig. Im Folgenden wird diese simple Idee immer neu formiert, rhythmisch wie melodisch abgewandelt, so dass eine fließende Entwicklung geschieht, ohne dass je ein Baustein auf die gleiche Weise wiederkehren würde. Es fällt gar nicht auf, dass die drei Stimmen grelle Dissonanzen bilden, denn der melodische Fluss und die Stringenz der Fortspinnung bannen die Aufmerksamkeit, so dass wir trotz der schrägen Zusammenklänge einen angenehmen, sympathischen Höreindruck gewinnen.

Die Preludes for Piano „Musical Dumplings“ wurden zu großen Teilen im Juni 2018 in München uraufgeführt durch den Autor dieses Artikels, die restlichen Stücke folgten verstreut im folgenden Jahr. Die Noten erschienen im Repertoire Explorer in zwei Heften (SKU 2903 und 2904, je 22 e). Wer eine Auswahl der Preludes live hören will, sei gerne auf das Konzert von Masha Dimitrieva am 10. Oktober im Rubinstein-Saal München verwiesen.

 

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