Der seit 1949 bestehenden Joseph-Haas-Gesellschaft und der Maria Strecker-Daelen-Stiftung ist es zu verdanken, dass nun eine zweite CD mit dem Klavierwerk des ehemaligen Münchner Hochschul-Präsidenten Joseph Haas erscheinen konnte. Die hier, bewusst aus verschiedenen Phasen eingespielten Stücke, zeigen nicht nur Vielfältigkeit der Stilelemente des Komponisten auf, sondern zudem seine pädagogische Intention.
Neben der großen, rund 45 Minuten dauernden Sonate a-Moll op. 46 stehen die „Hausmärchen“ op. 43 mit kleinen Stücken für die Hausmusik sowie die Sonatinen C-Dur op. 94,1 und op. 94,2 in d-Moll für den fortgeschrittenen Spieler.
Den Zugang zu den Kompositionen eines Haas bekommt man am ehesten über sein Credo:
„Die Musik soll erfreuen, nicht beleidigen; sie soll erschüttern, nicht zerschmettern; sie soll veredeln, nicht banalisieren“ – ein überaus niveauvoller und traditionsbewusster Anspruch.
Joseph Haas (1879–1960) entstammte einer Lehrerfamilie aus Maihingen im schwäbischen Ries. Eine Begegnung mit Max Reger war entscheidend für seine musikalische Ausbildung. Er folgte dem Meister nach Leipzig, wo er erfolgreich Komposition studierte und 1911 als Lehrer an das Konservatorium Stuttgart berufen wurde. 1921 wechselte er an die Münchner Akademie der Tonkunst. Nach dem Krieg wurde ihm als Präsident der dortigen Hochschule der Wiederaufbau der Institution übertragen.
Sein Einsatz für die „Neue Musik“, die er selbst nicht schrieb, die ihn aber faszinierte, ist legendär: Mit Paul Hindemith und Heinrich Burkard gründete Haas 1921 die „Donaueschinger internationalen Kammermusikfeste für Neue Musik“.
Zu seinen Meisterschülern gehören hervorragende Künstler wie Karl Amadeus Hartmann, Karl Höller und Cesar Bresgen sowie die Dirigenten Eugen Jochum und Wolfgang Sawallisch.
Als Joseph Haas am 30. März 1960 im Alter von 81 Jahren über der Reinschrift zu einer Hymne zum Eucharistischen Weltkongress in München starb, war er längst mit vielen Auszeichnungen geehrt: als Ehrendoktor der Münchner Universität, Ehrensenator der Musikhochschulen Stuttgart, Dresden und Leipzig, sowie Ehrenmitglied der GEMA und des Deutschen Komponistenverbandes.
Die Pianistin Gerit Lense hat sich mit äußerster Intensität mit dem Klavierwerk des Komponisten befasst, und dies merkt man der Einspielung an. Jedes einzelne Stück, jeder Satz ist – entsprechend seiner spezifischen Aussage – interpretiert; Lense zeigt dadurch alle Facetten ihres Könnens, mit allen technischen und dynamischen pianistischen Mitteln.
In einem im CD-Booklet abgedruckten Interview über die Klavierstücke antwortet die Pianistin auf die Frage, weshalb die Zusammenstellung des CD-Programms so extreme Schwierigkeitsstufen umfasse: „Ich möchte gerne alle Menschen erreichen, vom Konzertpianisten bis zum Musikliebhaber, vom Kind zum Erwachsenen, und sie animieren, die Musik von Joseph Haas kennenzulernen. Und ich möchte auf jeder einzelnen CD die Vielfalt der Haas‘schen Kompositionsweise darstellen, sowohl die hochkonzentrierten Miniaturen als auch komplizierten Sonatensätze, sowohl ‚klassische‘ als auch die Grenzen der Tonalität erreichende Harmonik.“
Eine CD mit einem außergewöhnlichen Spektrum, für die Liebhaber unbekannter Klavierwerke.
Joseph Haas Klavierwerke II
Gerit Lense – Klavier, Cavalli-Records Bestell-Nr. CCD 145 2009,
www.cavalli-records.de