Endlich konnte ich mein lange gehegtes Solo-Projekt „MOuVEment“ auf die Bühne bringen. Das überregional bekannte Kölner „Loft“ war für mein experimentelles Programm die passende Spielstätte.
MOuVEment mit Sigrid Sachse – Piano, Sampler, Videos
Das Publikum erlebte 17 Klavierkompositionen aus meiner Feder, fast ausschließlich Uraufführungen. Diese verschmolzen mit selbstproduzierten Videos zu einer Art audiovisuellem Gesamtkunstwerk.
Im Laufe der Pandemie beschäftigte ich mich mit eigenen Videos, die zu meinen Klavierkompositionen entstanden und die ich online veröffentlichte. In meinem Soloprojekt ging es mir nun darum, diese Kombination live auf die Bühne zu bringen. Als Titel wählte ich „MOuVEment“ (aus engl. „Movement“ und franz. „Mouvement“), welches in beiden Sprachen sowohl „Bewegung“ als auch „musikalischer Satz“ bedeutet. Meine Idee dabei war, unterschiedlichste Arten von Bewegungsformen sowohl musikalisch-pianistisch als auch visuell zu erforschen. Gleichzeitig ging es mir auch um ein Spiel mit der Wahrnehmung, weshalb Manipulationen und Verfremdungen einer scheinbaren „Realität“ im Fokus meiner Arbeit stand. Das Publikum sollte im Idealfall die eigene Wahrnehmung sowohl beim Hören als auch beim Sehen immer wieder kritisch hinterfragen.
Über ein halbes Jahr drehte ich Videos, etwa von Zug- und Autofahrten, Schnecken im Garten, Schlittschuhen, Aufzügen und Vogelschwärmen, die ich mit einer Video-Software bearbeitete, überlagerte und verfremdete. Bei einigen Videos passten zuvor komponierte Klavierstücke perfekt, in anderen Fällen schrieb ich neue Stücke, auf dieses Video genau zugeschnitten. Es versteht sich, dass eine simple Untermalungsmusik dabei nicht von Interesse war. Im Gegenteil sollten Bild und Klang gleichberechtigt nebeneinander stehen und einander ergänzen. Entsprechend herausfordernd war der gesamte audiovisuelle Kompositionsprozess. Dabei war es mir wichtig, dass – außer gelegentlichen O-Tönen der Videos – sämtliche Klänge vom Flügel erzeugt wurden. Was im Konzert an „elektronischer Musik“ zu hören war, bestand ausnahmslos aus bearbeiteten Klavier-Samples. Auch hierbei ging es mir immer wieder um ein Spiel mit der Wahrnehmung.
Anhand von einigen ausgewählten Stücken des Abends gebe ich nun einen kurzen Einblick in das Programm und meine Arbeit.
Das Klavierstück „Pendulum“ entstand zu auspendelnden Schaukeln. Zu Beginn erklingen genau synchronisierte, kräftig angeschlagene Akkorde, mit denen ich die Klänge von Kirchenglocken (und deren Obertonstruktur) nachzuahmen versuche. Eine Zuhörerin berichtete mir später, sie hätte zwischenzeitlich tatsächlich eine Glocken-Aufnahme wahrgenommen, sogar von einer ihr gut bekannten Kirche.
„Lamento“ ist ein Klavierstück im 6/8-Takt, bestehend aus durchgehend pulsierenden Achteln mit einer immer leicht variierenden Bassfigur. Im Video sind meine spielenden Hände zu sehen, überlagert mit Fotos einer aufblühenden und dann allmählich wieder verwelkenden Tulpe. Die Herausforderung bestand darin, synchron zu den sich bewegenden Händen zu spielen. Das Publikum wurde tatsächlich getäuscht: Zuhörer suchten mit den Augen die Live-Kameras, die ja wohl auf meine Hände gerichtet sein mussten.
Das Video einer Zugfahrt, in dem geschwindigkeitsbedingt Landschaft und Schienen zu reinen Farbstreifen verschmelzen, die sich nur temporär verändern, komponierte ich „Minimal“, ein Stück mit vielen sich wiederholenden Pattern und diatonischem Tonmaterial.
In „Kyknos“ gesellt sich ein atonales Stück und eine Stoppuhr quasi als musikalischer Kontrapunkt zu zwei elegant kreisenden Schwänen.
„Peu à peu“ ist der Titel eines speziellen Naturvideos. Zwei Schnecken entfalten hier erst durch vierfache Verlangsamung des Videos die allgemeine Vorstellung ihrer „Geschwindigkeit“. Konsequenterweise ist dazu ein spezielles Sample zu hören – ein changierender Klavierklang, zeitlich extrem gedehnt durch das sogenannte Paulstretch-Verfahren. Dazu erklingt am Flügel eine Komposition mit sehr reduzierter Tonauswahl.
Der technische Aufbau für die Live-Performance bestand aus Leinwand, Beamer, Verstärkung/Anlage, 2 iPads und einem Flügel, was für mich als klassische Pianistin schon einen erheblichen Aufwand bedeutete. Durch die zwei Tablets konnte ich aber sowohl die Videos als auch die elektronische Musik selbst vom Flügel aus steuern. Der Flügel wurde leicht über die Saal-Anlage verstärkt, um eine bessere Verschmelzung mit den Videoklängen zu erreichen. Ein Helfer am Mischpult konnte gelegentlich nachpegeln.
Abschließend kann ich auf einen sehr erfolgreichen Abend mit ausgesprochen positiver Resonanz zurückblicken. Viele anregende Gespräche haben mich bestärkt, aber auch konstruktiv zum Nachdenken gebracht. Diese neuen Impulse werden sicher in weitere Projekte gewinnbringend einfließen.
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