Im Rahmen der Corona-Beschränkungen zeigte sich das Bayreuther Neue-Musik-Festival mit Einzelveranstaltungen: Wann immer es möglich war, wurde eine Lücke für einen Auftritt genutzt. In diesem Jahr konnte erfreulicherweise bereits ein Wochenende mit vier hochkarätigen Konzerten am 19. und 20. März stattfinden.
Seit langem erfreut sich dabei die Klaviernacht im Kammermusiksaal der Firma Steingraeber & Söhne, dem Hauptförderer des Festivals, besonderer Beliebtheit. Dass man mit dem längst geplanten Programm in ein politisches Spannungsfeld geraten würde, war in dieser Form nicht absehbar, denn die Folge dreier Konzerte an einem Abend stand unter dem Motto West- und Ostblicke. Eröffnend spielten demzufolge der Bayreuther Musiker Michael Starke und die Sängerin Catherine Winter ein Programm mit überwiegend amerikanischen Komponisten. Es erklangen Lieder von Ives, Copland und Bowles, welche von der amerikanischen Sopranistin in fabelhafter Weise vorgetragen wurden. Starke begleitete sie dabei souverän und einfühlsam, ergänzt durch Solowerke von Morton Feldman und konnte mit drei wunderbaren Eigenkompositionen in wechselnder Besetzung das Publikum begeistern.
Einen krassen Gegensatz hierzu bildete der zweite Konzertteil, in dem Lorenz Trottmann Werke russischer Komponisten vom Anfang des 20. Jahrhunderts vortrug. Der Pianist entfachte ein klangliches Feuerwerk, das seinesgleichen sucht. Die teilweise extrem schwierige wie auch schwermütige Musik von Ljaboschynskyj, Zelobinskij, Schostakowitsch, Mossolow, Polowinkin und Protopopoff fand in Trottmann einen überragenden Interpreten, der es verstand, das gewaltige Klangspektrum in allen Facetten auszuloten. Ebenso spannend wie lehrreich führte Michael Herrschel durchs Programm und verortete historisch die einzelnen Stücke in Bezug auf die Biographien ihrer Schöpfer. Für die Anwesenden trafen in diesen beiden Konzerten musikalische Welten aufeinander, doch gerade die Gegensätze wurden als Bereicherung erlebt, wie in den Pausengesprächen zu erfahren war.
Im letzten Teil der Klaviernacht gestaltete Wolfram Graf gewissermaßen einen Blick aus der Mitte und spielte Klavierwerke seiner deutschen Kollegen Werner Heider, Georg Lawall, Helmut Erdmann, Peter-Michael Riehm und Helmut Bieler. Die Stücke hatten allesamt Bezüge zu Jubiläen oder wurden In Memoriam komponiert. Der im Jahr 2019 verstorbene Gründer der Bayreuther Neue-Musik-Reihe und vielgeschätzte Komponist Helmut Bieler wurde anderntags mit einem gesonderten Konzert in der Bayreuther Stadtkirche geehrt, welches ursprünglich für 2020 geplant war. Die Organisten Michael Dorn und Christoph Krückl, der Saxophonist Johannes Neuner sowie der Schlagzeuger Bernd Kremling bespielten den schönen Kirchenraum von verschiedenen Orten und präsentierten eine imposante Zusammenschau aus dem Oeuvre des Bayreuther Tonsetzers. Eindrucksvoll, ja beinahe erschütternd wirkte eine gemeinsame Improvisation über das letzte Kompositionsfragment Bielers, dem Beginn eines Werkes für Cello solo, das er nicht mehr vollenden konnte. Nach dem letzten Stück „Verleih uns Frieden“ trat lange Stille ein, bevor die Musiker, allesamt Freunde des Verstorbenen, mit reichem Applaus bedankt wurden.