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Musik ist so lebenswichtig wie Essen, Trinken und Schlafen

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Gespräch mit dem neuen Präsidenten des Deutschen Tonkünstlerverbandes Cornelius Hauptmann
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Als Opern-, Konzert- und Liedsänger trat Cornelius Hauptmann in vielen renommierten Konzertsälen Europas und der Welt auf. Der ehemalige Meisterschüler von Dietrich Fischer-Dieskau, Hans Hotter und Elisabeth Schwarzkopf war ein gefeierter Bass in Mozartopern und arbeitete als Solist mit so bedeutenden Dirigenten wie Bernstein, Hogwood oder Bernius zusammen.

Als Opern-, Konzert- und Liedsänger trat Cornelius Hauptmann in vielen renommierten Konzertsälen Europas und der Welt auf. Der ehemalige Meisterschüler von Dietrich Fischer-Dieskau, Hans Hotter und Elisabeth Schwarzkopf war ein gefeierter Bass in Mozartopern und arbeitete als Solist mit so bedeutenden Dirigenten wie Bernstein, Hogwood oder Bernius zusammen. Seine besondere Liebe zum deutschen Lied dokumentieren zahlreiche CDs.  Doch ebenso wichtig war und ist es ihm, möglichst viele Menschen für Musik zu begeistern. Das gelang ihm mit seinem Wiegenliederprojekt, das eine große Breitenwirkung für das Singen entfaltete. Franzpeter Messmer sprach mit dem neuen Präsidenten.

neue musikzeitung: Seit wann sind Sie Mitglied im Tonkünstlerverband?

Cornelius Hauptmann: Ich bin schon seit 1970 im Tonkünstlerverband. Damals habe ich bereits Flöte an der Musikschule in Esslingen unterrichtet. Der Direktor meinte, ich solle doch in den Tonkünstlerverband eintreten. Das haben einige Leute befürwortet, übrigens auch Rolf Hempel, der damals mein Musiklehrer am Gymnasium in Esslingen war. Eigentlich bin ich damals hauptsächlich wegen der  neuen musikzeitung beigetreten, die es damals auch schon gab.

nmz: Als Sie selbst noch „Nachwuchskünstler“ waren, kamen Sie wieder mit dem Verband in Berührung.

Hauptmann: Es gab damals den Gesangswettbewerb in Berlin, den der damalige Tonkünstlerverband – damals hieß er VDMK – veranstaltete. Da konnte ich mich qualifizieren und war einer der „Stars von morgen“, so hieß die Sendung im ZDF.

nmz: Als Sie den Delegierten für Ihre Wahl dankten, betonten Sie, dass die Musiker alle in einem Boot sitzen und dieses Boot im Grunde eine Arche Noah der Kultur wäre. Beschreibt das Ihre Motivation, dieses Amt zu übernehmen?

Hauptmann: Die Motivation, sich für Musik einzusetzen, kam mit dem „Liederprojekt“ im Carus-Verlag zustande. Da erfahre ich von einem Schullehrer, dass von seinen 20 Schülern keiner das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ kennt. Ich sage: „Das kann doch nicht sein!“ Dann habe ich noch andere Lehrer gefragt, und die haben mir bestätigt: Die Kinder kennen es nicht mehr. Das ist doch eine Katastrophe! Dies habe ich meinen Kollegen erzählt und ich kenne die berühmtesten Sängerinnen und Sänger – das ist das Privileg, das ich mitbringe. Ich habe ihnen gesagt: Wir brauchen 52 Wiegenlieder, für jede Woche des Jahres eines, und sie haben alle mitgemacht. Der erste war Christoph Prégardien, dann kamen Peter Schreier, Jonas Kaufmann und viele mehr hinzu. Sie sangen alle ohne Gage und mit einer riesigen Begeisterung. Nun gingen die Türen beim Rundfunk, beim Carus-Verlag, Reclam Verlag und Zeitverlag auf.

nmz: Inzwischen hat sich das Projekt in vielen Bereichen weiterentwickelt. Sie haben geradezu eine Lawine angestoßen.

Hauptmann: Ich spreche mit vielen Menschen, mit Musikern, Pädagogen, Eltern. Der Tenor ist: Mit der Musik geht es den Bach hinunter. Doch wir können nicht nur klagen, wir müssen etwas Besseres bieten. Ich bin Sänger, deshalb habe ich beim Singen angefangen: Es gibt kein großartigeres Gefühl, als wenn man zusammen singt. Dafür konnte ich in der Zwischenzeit viele Menschen begeistern. Vor einigen Jahren habe ich mit Frau Kretschmann die erste singende Grundschule in Baden Württemberg eingeweiht. Es gibt die Stiftung „Singen mit Kindern“. Wenn sechs-, sieben-, achtjährige Kinder miteinander singen, ist es egal, ob es Türken oder Deutsche, ob sie männlich oder weiblich, dünn oder dick sind. Auch ist es nicht wie im Sport: Es kommt nicht darauf an, wer zuerst fertig ist. Nein, wir müssen aufeinander hören, wir müssen uns aufeinander einstimmen, wir müssen uns einigen, welches Lied wir singen, welche Tonlage, welches Tempo wir wählen. Das schafft eine große Empathie. Die Hirnforscher habe das ja untersucht. Wenn Kinder keine Musik zusammen machen, dann fangen die Probleme an. In Finnland müssen die Kindergärtnerinnen eine Ausbildung in Gesang absolvieren, damit sie mit den Kindern singen können. Dort weiß man, dass Musik nicht nur eine Art Bespaßung von Gelangweilten ist. Vielmehr verbessert sie das Gehirn, zum Beispiel das Sprachvermögen. Kinder, die Musik machen, treten keine anderen Menschen in der S-Bahn zusammen oder schlagen sie tot.

nmz: Sie engagieren sich auch für den künstlerischen Nachwuchs.

Hauptmann: Ja, in der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie, das ist das höchste Niveau, das es fast weltweit gibt. Dieser Wettbewerb ist für Lied-Duo. Wenn ich in Ministerien eingeladen werde, kennen mich alle, aber nicht, weil ich so oft die Zauberflöte gesungen habe, sondern wegen des Liedprojekts. Jetzt habe ich noch den kleinen Ehrgeiz: Wir lassen den Stuttgarter Landtag singen, einmal sollen die alle dastehen und an Weihnachten und vor der Sommerpause singen. Wir kriegen das hin. Das ist das beste Aushängeschild für Baden-Württemberg. 

nmz: Was wollen Sie beim Tonkünstlerverband in Bewegung setzen?

Hauptmann: Das Image der Musik rutscht in Deutschland weg. Früher war Musik ganz wichtig, bei den Königen und Kaisern. Aber auch in der „normalen“ Bevölkerung. Daher die Volkslieder. Wir haben noch die Staatstheater. Heute ist Musik eine Insel. Wir müssen den Menschen sagen: Was ihr selber macht, daran habt ihr Spaß. Deshalb macht selber Musik, vor allem musiziert zusammen. Um die Begeisterung am Musikmachen bei möglichst vielen zu wecken, brauchen wir die, die ausgebildet sind, das sind die Leute unseres Verbandes; sie sind die Stöcke, an denen man sich festhalten kann. Aber wir brauchen auch Chorverbände, Orchesterverbände; Rockmusik, Jazz, die Hochschulen, die Popakademie in Mannheim, die Festspiele und vieles mehr gehören dazu. Dann sagen wir: Das ist der Monat der Musik. Wir benötigen eine große Breite, sicher nicht auf dem Niveau des Fußballs, aber doch sehr viele Menschen. Das funktioniert bereits woanders, zum Beispiel in Litauen. Dort treffen die Menschen sich in Stadien zum Singen. Oder die Londoner „Last Night of the Proms“, bei der 5.000 Menschen im Konzertsaal und 10.000 draußen im Hyde Park sitzen und singen. Warum haben wir das nicht? Unsere Botschaft ist: Musik ist lebenswichtig, so wie Essen und Trinken, wie Vitamine, wie Schlaf und vieles andere. Wir müssen der modernen digitalen Demenz, von welcher der Gehirnforscher Manfred Spitzer schrieb, etwas entgegensetzen. Also müssen wir die Menschen für Musikmachen begeistern. Ich gebe mir Mühe, dass wir das hinkriegen.

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