Eigentlich ist es ganz simpel: online mit ein paar Klicks anmelden, Umfrage beantworten, Videokurs aufmerksam durcharbeiten, am Zoom Meeting teilnehmen, zum Schluss digital klatschen und allerhand Wissenswertes mit in den eigenen Berufsalltag nehmen. Max Frankl demonstriert bayerischen Musikpädagog*innen in seinem Online-Seminar, wie es digital äußerst professionell, informativ und abwechslungsreich zugehen kann.
Die Nachfrage darüber, wie man als Musiklehrer*in begeisternd online unterrichten kann, ist aufgrund der derzeitigen Krisensituation natürlich enorm in die Höhe geschnellt. Kein Wunder also, dass der erste Kurs binnen weniger Stunden ausgebucht war und der Tonkünstlerverband Bayern deshalb Mitte Juni einen zweiten Teil anbot. Dementsprechend häufig wiederholen sich die Fragen gerade nach grundlegenden Stützen für den eigenen Musikunterricht, und Frankl wird am häufigsten nach der minimalen Grundausstattung befragt. Welches Mikrofon nun für welches Instrument das Beste für den digitalen Unterricht wäre, kann Frankl nicht beantworten, aber für ihn ist vor allem folgende Devise elementar: bitte ausprobieren, testen, googeln, umhören. Die Anforderungen der einzelnen Instrumente sind schlicht zu verschieden, als dass darüber allgemein relevante Aussagen getroffen werden könnten. In seinem eigenen Video-Kurs testet Frankl für die Teilnehmer des Online-Seminars anhand einer fiktiven Unterrichtssituation mit Sprach- und Toninput die unterschiedlichen Audioqualitäten vom Laien- bis zum Profiequipment. Die Ergebnisse verwundern nicht und seine eigene High-End-Ausrüstung schneidet freilich am besten ab. Allerdings ist die Qualität der von Apple mitgelieferten Kopfhörer mit integriertem Mikrofon überraschend gut und in jedem Fall besser als die eingebauten im Laptop, Smartphone oder Tablet.
Der erwähnte Videokurs als hauptsächliches Mittel der Wissens- und Erfahrungsvermittlung dürfte für viele Teilnehmer*innen eine wichtige Quelle sein, um sich über diverse Dinge zu informieren: optimale Qualität von Audio und Video, alle für Musiklehrer*innen relevante Funktionen der bislang von Frankl favorisierten Plattform Zoom, auch im Vergleich mit Skype, Microsoft Teams oder Doozzoo sowie die Erstellung von Podcasts. In insgesamt zwölf lehrreichen Videos, die auch nach dem Zoom-Meeting noch für die Teilnehmer*innen zugänglich sind, formuliert Frankl äußerst transparent, einleuchtend und klar, was man alles an Equipment und Know-how benötigt um begeisternd unterrichten zu können. Dass man bei derzeitiger Technologie Abstriche aufgrund der viel beklagten Latenz weiterhin machen muss, sollte sich eigentlich von selbst verstehen, wird aber immer wieder problematisiert.
So ist die Latenz auch Thema im abschließenden Zoom Meeting, in dem Frankl auf alle schriftlichen eingereichten Fragen der Teilnehmer*innen eingeht und allerhand mündliche Nachfragen beantwortet. Angefangen beim Basisequipment für den Musikunterricht über mögliche Verbesserungen für eine stabile Internetverbindung (manchmal hilft ja schon ein LAN-Kabel anstatt einer drahtlosen Verbindung) bis hin zu Inspirationen und didaktischen Vorschlägen, wie man einen digitalen Unterrichtstag mit vielen Stunden nicht völlig ausgelaugt beendet. Dies ist beispielsweise einer der Gründe, warum der Online-Unterricht partiell nur als Notlösung oder reine Überbrückung betrachtet wird, obwohl genug technische Möglichkeiten für die Zukunft in Betracht gezogen werden sollten.
Dafür plädiert auch Max Frankl eindeutig und zeigt, dass es abgesehen von guter Planung und etlichem technischen Vorwissen eine didaktisch ausgereifte Planung, aber auch viel Spontaneität und Flexibilität im unmittelbaren Umgang braucht. Als Gitarrist, Autor und Dozent sowie Gründer der Max Frankl Academy, einer Online-Bildungsplattform für E-Gitarristen mit über 30.000 Teilnehmenden (www.maxfranklacademy.com) kann der ECHO-Preisträger dabei geradezu aus dem Vollen schöpfen.
Im Zuge des Online-Seminars führte Theresa Henkel ein Interview mit Frankl.
neue musikzeitung: Welche Frage(n) wurde(n) Ihnen von den Kursteilnehmer*innen am häufigsten gestellt?
Max Frankl: Die meistgenannten Themengebiete betrafen die Latenz, also die Verzögerung, die entsteht, wenn man digital gleichzeitig spielen will. Das zweite wichtige Thema war die Ton- und Bildqualität, die verbessert werden sollte.
nmz: Welche Antworten haben Sie auf diese Frage(n)?
Frankl: Grundsätzlich ist es so, dass wir im Bereich Latenz die Bemühungen der Plattformen sehen, eine möglichst kleine Zeitverzögerung zwischen Aktion und Reaktion zu ermöglichen. Für ein möglichst echtes Spiel- beziehungsweise Unterrichtserlebnis gibt es spezialisierte Plattformen wie Doozzoo oder Jamkazam, die sich auf den Musikunterricht und das gemeinsame Musizieren spezialisiert haben. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Macromedia arbeite ich momentan gerade auch an einem Projekt mit Studierenden unter der Leitung von Prof. Jörg Liebold und Matthias Fischer vom Bezirk Oberbayern, wo wir eine solche Plattform gestalten. Leider können alle Plattformen nicht ändern, dass rein technisch ein Signal über das Netz niemals so schnell sein kann wie die Schallgeschwindigkeit, an die wir uns im 1:1-Unterricht im gleichen Raum unbewusst gewöhnt haben. Auch dort gibt es Latenzen, man denke nur an die Zeitverzögerung in einem großen Orchester zwischen weit auseinanderliegenden Instrumentengruppen, aber dort sind diese Verzögerungen immer gleich. Im Netz ändert sich eben die Sende- und Empfangsgeschwindigkeit, was dazu führt, dass wir ein konstantes Metronom auf Schülerseite oft so schwankend hören, als wäre die Batterie leer. Auch daran arbeiten die verschiedenen Plattformen. Letztendlich kann ich in diesem Punkt dazu raten, den Unterricht so anzulegen, dass man Formate findet, die auch unter den speziellen Bedingungen des Internets funktionieren.
Die Bild- und Tonqualität lässt sich wunderbar optimieren, auch wenn diese natürlich immer mit der Anschaffung von besserem und damit auch teurerem Equipment verbunden ist. Je nach Einzelfall gelten hier andere Richtlinien. Eine schnelle Empfehlung wäre ein Mikrofon, das man per USB direkt mit dem Computer koppeln kann und eine Webcam, die ein Bild in höherer Auflösung und mit breiterem Ausschnitt ermöglicht.
nmz: Sie haben im Seminar eine Umfrage der Hochschule Macromedia vorgestellt, in der Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zum Thema Online-Unterricht abgefragt wurden. Können Sie die Ergebnisse kurz vorstellen?
Frankl: Wir haben in der Umfrage erfahren, dass die Musikschüler*innen sehr offen für den Einsatz digitalen Unterrichts sind und sich sowohl vorproduzierte Videos wie auch Liveunterricht wünschen. Grundsätzlich wurde deutlich, dass die Schüler*innen die Vorteile des digitalen Unterrichts sehen und auf ein solches Angebot positiv reagieren.
nmz: In Ihrem Videokurs zum Online-Seminar sagen Sie zu Beginn: „Digital sind viele spannende Dinge möglich, die den klassischen Musikunterricht neu definieren. Meine Zukunftsvision ist eine Mischung aus digitalem und physischem Unterricht.“ Können Sie das genauer beschreiben?
Frankl: In der Krise mussten viele Lehrpersonen auf einen rein digitalen Unterricht ausweichen. Dabei haben sie erfahren, dass bestimmte Aspekte wunderbar funktionieren und eine spannende Ergänzung zum „realen“ Unterricht sein können. Ich denke hier an die Erstellung von Videokursen zu bestimmten Themen oder die Aufnahme von Videos auf Schüler*innenseite, die dann mit persönlichem Feedback der Lehrperson den Arbeitsprozess unterstützen. Andere Aspekte des „realen“ Unterrichts können nur schwer oder sogar gar nicht ersetzt werden: Hier denke ich an zum Beispiel an das gemeinsame Spielen, die ganz feine Korrektur von Nuancen oder auch alles, was die Haltung und die Arbeit mit dem Körper/Instrument betrifft. Diese Dinge können wir viel besser vermitteln, wenn wir im selben Raum arbeiten. Deshalb denke ich, dass wir digitale Tools dort benutzen sollten, wo sie wirklich einen Mehrwert bieten und unsere bestehenden Angebote damit ergänzen werden, aber behalten, wo der Präsenzunterricht unschlagbare Vorteile bringt.
nmz: Sie empfehlen für den Online-Unterricht ganz klar die Plattform Zoom, da Zoom bei Audio-/Videoqualität, Übertragung, Handhabung – gerade auch für Schüler*innen – und Konfigurationsmöglichkeiten die Nase vorn hat. Welches Feature wünschen Sie sich für den Musikunterricht bei Zoom, das evtl. bei anderen Plattformen bereits implementiert ist und warum?
Frankl: Zum Thema Plattformen gäbe es viel zu sagen, was hier sicher den Rahmen sprengen würde. Grundsätzlich ist eine wichtige Überlegung, wie das Thema Datenschutz gehandhabt wird. Ich bin kein Rechtsanwalt, habe mich aber für die Arbeit an der Max Frankl Academy, meiner E-Learning-Plattform für Jazzgitarrist*innen, eingehend mit dem Thema beschäftigt und von einem spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen. Zoom wurde, im Gegensatz zu WhatsApp, vom TKVB als zulässig eingestuft. Ich würde also beim Thema Plattformwahl, gerade auch für den Unterricht mit Minderjährigen, immer dem Aspekt Datenschutz die größte Priorität einräumen. Da es auch bei Zoom in der Vergangenheit zu Problemen mit dem Datenschutz kam, würde ich mir hier wünschen, dass dieses Thema noch mehr verbessert würde: Digitaler Unterricht ist ein brillantes Werkzeug, aber nur, wenn ich weiß, dass die Daten sicher sind. Zoom bietet meiner Ansicht nach sehr gute Möglichkeiten, gerade was die Einstellungen von Bild und Ton, sowie das allgemeine Handling anbelangt. Aus Sicht des Unterrichts würde ich mir natürlich eine möglichst geringe Latenz, und, viel wichtiger, eine möglichst gleichmäßige Übertragung der Datenpakete wünschen.
nmz: Der Realunterricht sollte nicht einfach digital gespiegelt werden. Was haben Musiklehrer*innen hier für Möglichkeiten mit möglichst einfachen Mitteln den Online-Unterricht abwechslungsreich und entwicklungsfördernd zu gestalten?
Frankl: Wichtig finde ich, dass die ganze Bandbreite der Medienformate genutzt werden: Die Lehrpersonen könnten zusätzlich zum Einzelunterricht eine Podcast-Serie aufnehmen, in der sie bestimmte, immer wiederkehrende Themen beleuchten. Das könnte zum Beispiel sein, dass sie Tipps geben, welche Musik die Schüler*innen begleitend zum Unterricht hören könnten. Ich habe in meinem eigenen Podcast „Max‘ Guitar Hangout“ inzwischen fast 100 Folgen produziert, in denen ich wertvolle Tipps gebe. Genauso könnte ich mir vorstellen, dass man einen Videokurs zu einem bestimmten Thema produziert. Technisch leicht umzusetzen ist es, dass man oben im Bild das Instrument sieht, unten Tipps in Schriftform oder sogar Noten mit Cursor einblendet, so dass das Material viel plastischer vermittelt werden kann. Bevor ich jetzt E-Mails von Lehrpersonen bekomme: Natürlich muss dieser Mehraufwand, der den Unterricht ja enorm bereichert, auch finanziell kompensiert werden. Meiner Erfahrung nach ist das aber kein Problem, solange die Inhalte wirklich einen Mehrwert für die Schüler*innen darstellen.
nmz: Welche Themen möchten Sie künftig für den TKV Bayern als Online-Seminare anbieten? Welche Themenfelder haben Sie geplant oder welche können Sie sich gut vorstellen?
Frankl: Ich bin durch die Arbeit an der Max Frankl Academy im Bereich E-Learning breit aufgestellt und könnte mir vorstellen, hier für den TKVB Bayern vertiefte Inhalte über Videoproduktion, Podcast, Online-Kurse oder generell über digitale Formate zu vermitteln.
Durch mein Studium an der ZHAW Zürich, wo ich 2018 das CAS Digital Marketing abgeschlossen habe, könnte ich auch Inhalte wie digitale Vertriebswege, den Aufbau einer digitalen Schule oder auch den ganzen Bereich Social Media anbieten. Ich arbeite neben meiner Karriere als Gitarrist und Komponist mittlerweile seit mehr als sechs Jahren intensiv an digitalen Tools und kann wirklich nur empfehlen, sich mit den gewaltigen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.
nmz: Welcher Aspekt in Bezug auf das Online-Seminar ist Ihnen noch wichtig, über den wir bisher nicht gesprochen haben, und warum?
Frankl: Mir macht die Arbeit im Onlinebereich wahnsinnig Spaß; ich verwende die digitalen Tools, um die Didaktik von Musik zu erweitern und neue Wege zu finden, die wirklich Freude und Fortschritt für die Schüler*innen bringen. Wenn man mit dieser positiven Grundhaltung an die Sache rangeht, gibt es viel zu entdecken. Im Nachgang zu den Seminaren habe ich oft gehört: „Ich war kein Fan von digitalen Medien, habe jetzt aber sehr viel Freude daran, die neuen Möglichkeiten als Ergänzung zu meinem stationären Unterricht auszuprobieren.“ Genau das will ich vermitteln.