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Musikalische Erkenntnis ohne pädagogischen Zeigefinger

Untertitel
Szenisches Konzert der Streicherakademie Hannover
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Was hält Musik in ihrem Inneren zusammen, was ist am wichtigsten: Melodie, Harmonie oder Rhythmus? Um diese Fragen ging es in dem von Marie-Luise Jauch entwickelten szenischen Konzert der Streicherakademie Hannover, das Ende November an drei unterschiedlichen Konzertorten in der Landeshauptstadt stattfand. Jedes der genannten Elemente der Musik wird von einem Schauspieler verkörpert. Melodie (Eva Scharpenberg), Rhythmus (Georg Luibl) und Harmonie (Markus Posse) präsentieren den Zuhörern ihre jeweiligen Vorzüge durch Musik von Vivaldi über Chopin bis Gershwin.

Begleitet werden sie dabei von den hervorragenden Ensembles der Streicherakademie, die ihre Stücke nicht nur zu weiten Teilen auswendig spielen können, sondern auch einen satten Streicherton hören lassen, der (gerade bei Anfängern) außergewöhnlich ist. Dennoch können auch sie Melodie, Harmonie und Rhythmus nicht miteinander versöhnen. „Dann gibt es eben Krieg!“ So kommt es zum „Kampf der musikalischen Elemente“ (La folle battaglia), einem eigens für das Projekt komponiertem neuen Werk von Ulrich Roscher. Es basiert auf Arcangelo Corellis Variationen über „La Follia“ und wurde von Roscher in leicht zu lernende Spielabschnitte (Patterns) für das szenische Auswendigspielen eingerichtet. Melodie, Harmonie und Rhythmus werden nunmehr auch von Orchesterinstrumenten (Streicher und Rhythmusgruppe) sowie einem Kinderchor (Einstudierung: Jelena Agbaba und Michael Adleff) verkörpert, deren Spieler nach einem in der Partitur festgelegten Plan durch den Raum wandern. Dabei verschieben sich die Patterns im Laufe des Stückes immer dissonanter gegeneinander, so dass sehr ohrenfällig ein „Krieg der Elemente“ entsteht. Dieser kann nur durch ein plötzliches Erlöschen des Lichts auf der Bühne beendet werden. Aber wie sollen sich die Elemente nun versöhnen? Dies wird in die Hände der Kinder gelegt: Statt der erwachsenen Schauspieler stehen nun Kinder mit Streichinstrumenten in denselben Kostümen auf der Bühne. Gemeinsam mit einem kleinen Mädchen singen und spielen sie eine von Marie-Luise Jauch eingerichtete Variation des Liedes „Es waren zwei/drei Königskinder“ – die hier nach langem Streit erkennen, dass sie eigentlich Geschwister sind.

„La folle battaglia“ in seiner szenischen Gesamtheit dient daher nicht nur der Präsentation des instrumentalen Fortschritts der Schüler der Streicherakademie. Es geht auch darum, die Parameter des miteinander Musikmachens herauszuarbeiten, den Schülern und Hörern plastisch vor Augen und Ohren zu führen. Auf spielerische und zugleich anspruchsvolle Weise wird so musikalische Erkenntnis ohne pädagogischen Zeigefinger präsentiert. Dem dient auch die genannte neue Komposition Roschers: „Ich möchte Musik schreiben, die viele Menschen aufführen können und gerne aufführen wollen“, sagt der Komponist. Wie man an den vielen strahlenden Kindergesichtern (und den stolzen Eltern) sehen konnte, haben Roscher und Jauch mit dieser Zielsetzung einen herausragenden Erfolg erzielt.

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