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Neue Musik, die swingt – Jazz im Rokokosaal

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Tiefe Instrumente haben es schwer. Einerseits sind sie Atlanten, sie tragen und sind getragen mit entsprechend großen Notenwerten, „Rhythmusknechte“, wie Marcus A. Woelfle ironisch-bitter schreibt. Doch werden sie selten entsprechend gewürdigt. Manche lösen das Dilemma mit einem Satz über die Orchesterhierarchie hinweg zum Dirigentenpult. Im Jazz ist das anders. Hier ist die Musik sehr frei, und guten Musikern räumt man gerne Platz ein.

Trotzdem war der Jazzabend „Secret Bass Hits“ mit dem Münchner Jazzbassisten Johannes Ochsenbauer und Band, den der Augsburger Tonkünstlerverband veranstaltete, besonders „Bass-lastig“. Denn die meisten Komponisten des Programms waren Jazz- Bassisten wie Oscar Pettiford, dessen Nummern stilistisch die ältesten waren, Charles Mingus, Paul Chambers oder Ron McClure. Aber auch Eigenkompositionen wurden gespielt, geschrieben von Ochsenbauer selbst oder Pianist Tizian Jost. Besetzt war die Projektband hervorragend. Jeder der Musiker ein Könner, spielten die vier auch vorbildlich zusammen, exzellent aufeinander hörend und reagierend. Nur bei den beiden Stücken Oscar Pettifords am Konzertanfang blieben noch Kapazitäten im Gesamtbild. Für den verhinderten Mario Gonzi sprang der Augsburger Drummer Walter Bittner ein und bereicherte mit seinem energiereichen, feinnervig mehrschichtigen bis polyrhythmischen Spiel, das auch unkonventionelle Anschlagsarten einbezog. Alle Musiker spielten wandlungsfähig und souverän in mehreren Stilen, ob Modern, modal oder einfach nur in harmonisch Moll, ob Bebop, Latin, Funk, Swing, Waltz und zwischen diesen wechselnd. Durcharrangiert war nur der Calypso zum Schluss, ein fröhliches Finale mit stilechtem Schlagabtausch, Call and Response. Zuvor hatte die Reihum-Improvisation über die Standards größeren Raum, mündend in Unisono-Abschlüsse oder nebulöse Klangschwaden. Saxofonist Harry Sokal, der jahrelang mit Art Farmer, Joe Zawinul oder Dave Holland musizierte, hatte am Tenor- wie Sopransaxofon einen kraftvollen Ton mit Nuancen und Facetten von samtig bis cool, so rasant skalierend wie betörend singend. Brillant auch Pianist Tizian Jost, der die Melodie variierte, Motive fortspann, bis zu explosiv virtuosen Figuren, glitzernden Läufen steigerte und zum Abschluss hin rechtzeitig abflaute. Johannes Ochsenbauer war mit sehr sonorem Bass präsent, trug eine differenzierte Basis bei, zeigte in den Soli den Kontrabass von seiner kantablen Seite, melodiös, sehr klar und sicher spielend auch in anspruchsvollen Sprüngen. Unter den Konzerten des Verbandes war dieser klassische „Mainstream“-Jazzabend ein Novum, aber ganz und gar nicht fehl am Platze. Das Publikum, in dem auch viele Fachleute saßen, war begeistert.

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