Das Motto, welches die Veranstalter Helmut Bieler und Wolfram Graf dem Jubiläumsfestival vorangestellt hatten, lautete dieses Mal „Interpreten komponieren – Komponisten interpretieren“. Die Befürchtung, dass die gleichzeitig stattfindende Fußball-Europameisterschaft das Interesse an den fünf Veranstaltungen beeinträchtigen könnte, erwies sich als grundlos.
Zwei herausragende Solo-Recitals bleiben besonders im Gedächtnis: Das erste mit einem Porträt des Gitarristen und Komponisten Georg Lawall zu dessen 60. Geburtstag, das andere mit dem phänomenalen Geiger Florian Meierott. Lawall verbindet tiefe Gedankensubstanz mit einer Spieltechnik, die es ihm erlaubt, Unsagbares hörbar zu machen. In seiner dreiteiligen Komposition „Mimenspiel“, die er zu Beginn des Konzerts ausführlich erläuterte, transportiert er fernöstliche Philosophie in sensibel und farbenreich gestaltete Musik – für den europazentrierten Hörer nicht leicht nachzuvollziehen. Titel wie „Contemplationes ésotériques“ oder „Karma“ sprechen für sich. Dafür entschädigte er im zweiten Programmteil die aufgeschlossenen Konzertbesucher mit „Weltmusikstücken“, Klängen und Rhythmen auf „exotischen“ Instrumenten.
Florian Meierott brachte das Kunststück zuwege, die Freunde der Violine in einer Matinée 90 Minuten allein mit dem Spiel auf seinem kostbaren Instrument von Jacob Stainer, gefertigt 1678 in Absam, zu fesseln, sowohl mit eigenen Kompositionen, wie auch Werken von Bela Bartók (Sonate für Violine solo, 1944), Klaus Hinrich Stahmer, Fantasie 2008) und Wolfram Graf. Die Komposition „Bestimmung“ (2002) erlebte zehn Jahre nach ihrer Entstehung die Uraufführung. Mit den unterschiedlichsten faszinierenden Klangeffekten war dies vielleicht die stärkste Komposition des Konzerts und nach Aussage des Solisten eine der schwierigsten Partituren, die er je zu studieren hatte. Meierott erläuterte in oft humorvoller Weise die Anliegen der vorgestellten Musik. Seine große pädagogische Begabung zeigt sich in einer jüngst erschienenen hochaktuellen und erfolgreichen fünf-bändigen Violinschule.
Auch in diesem Jahr durfte ein Abend mit den Mitgliedern des Ensembles Musica Viva nicht fehlen. Das Programm musste zwar ein wenig variiert werden, da der Flötist H.W. Erdmann aus gesundheitlichen Gründen nicht am Konzert mitwirken konnte, doch bei dem großen Repertoire der Gruppe stellte das kein Problem dar. Die vorzügliche Sopranistin Marie Schmalhofer war in Kompositionen von Bernd Kremling, Helmut Bieler, Elke Tober-Vogt, John Cage (dieser mit den „Variations I“ / 1948 für Ensemble, erstaunlich gemäßigt und entschleunigt) eine erfreulich zu hörende, fantasievolle und stilsichere Interpretin. Bernd Kremling, am Schlagzeug, wie immer intensiv-aktiv, war ein aufmerksamer und absolut zuverlässiger Partner.
Die Komponistin Elke Tober-Vogt wusste mit ihrer 2008 entstandenen Vertonung des „Sonnenhymnus von Amarna“ für Sopran und Klavier zu überzeugen. Insbesondere durch die Kompositionstechniken Ostinato und Cluster entstanden Momente großer Suggestivkraft. Ein Text zum Thema „Liebe“ aus der Feder von Heide J. Bieler, betitelt „Poème für Sopran und Klavier“, wurde von Helmut Bieler sowie der auch darstellerisch agierenden Sopranistin Marie Schmalhofer charmant dargeboten. Das Konzert beschloss eine kurze Komposition von Helmut W. Erdmann mit dem Titel „Streß III“. Die optische Präsentation durch die Musiker regte zum Schmunzeln an. Gestik und Mimik im Stil eines „Fischgesangs“ kompensierten mühelos die nicht vorhandene Querflöte des erkrankten Komponisten.
Das Duo concertante Bayreuth mit Tobias van der Pals am Violoncello und Wolfram Graf am Klavier ist ein eingespieltes, homogenes Team. Aus den acht Titeln des Programms hervorgehoben sei die Rhapsodie (2011) von Helmut Bieler. Er entwickelte hier Melodik, gepaart mit Lyrik, was von den beiden Interpreten überzeugend dargeboten wurde. Auch seine Herbstmusik (2005) kommt emotional und kontemplativ unmittelbar auf den Hörer zu. In Anwesenheit des Komponisten Horst Lohse interpretierte Wolfram Graf die „Dedicazione“ für Klavier solo kraftvoll und bewegt. Die frühe Sonata aus den Jahren 1948/1953 für Violoncello solo von György Ligeti offenbarte einen noch in den traditionellen Formen – sowohl Kontrapunktik als auch Zwölftontechnik – verhafteten Künstler mit starker Ausdruckskraft.
Zwiespältige Eindrücke hinterließ das Abschlusskonzert mit dem PiKap-Streichquartett. Es waren einige Kompositionen, die nicht so recht zum Anspruch der Konzertreihe passen wollten. Wenn die versierten Interpreten nicht das zweite Streichquartett (2010) „Lichtgestalt“ von Wolfram Graf und zum Abschluss des Programms die „Mutationen“ (2012) von Helmut Bieler zur Uraufführung gebracht hätten, wäre aus dem Abend ein gefälliger Ohrenschmaus geworden, bei dem die „neue“ Musik zu kurz gekommen wäre.
Insbesondere ein „Divertimento d‘Amore“ des neunzehnjährigen Daniel Pitra ist noch allzu sehr an vergangenen Epochen der Musikgeschichte orientiert, wobei die Interpreten Martin Kaplan, Lenka Simandlová, Mijo Milev und Hana Janousková ein harmonisches Zusammenspiel boten. Die Oboe d’amore von Eydis Franzdottir ergänzte das Ensemble einige Male mit ihrem warmen Spiel.
Zum Abschluss noch eine Beobachtung. Der Rezensent stellte in diesem Jahr bei auffallend vielen Kompositionen eine gewisse Tendenz im Klaviersatz fest: Die Komponisten benutzten die Klaviatur weit seltener in der Mittellage als im Diskant und Bass. Fußballtechnisch gesagt: Der Pianist war weniger Mittelstürmer denn Links- oder Rechtsaußen. Ob da doch die Fußballabende mit hineinspielten?