Ein paar Gäste gehen bereits zur Pause, aufgewühlt und betroffen sehen sie aus. Das übrige Publikum bleibt beim „Klangforum München“ mit dem „Duo Neon“ in der Versicherungskammer Bayern bis zum Schluss und lauscht den Werken von sechs Komponisten. Zoltán Kovács und Eva Schieferstein eröffnen mit Harald Genzmers „Sonate“ für Klarinette und Klavier den Abend zu „Komponisten in Bayern“.
Dass Genzmer bereits 2007 starb, macht umgekehrt deutlich, wie lebendig die Szene ist, denn fast alle übrigen Komponisten sind anwesend. Doch mehr als die Stücke selbst prägt Kovács‘ runder, erfreulich unspektakulärer Klarinettenton das gesamte Konzert.
Schon an zweiter Stelle wird aus dem Duo Neon ein Solo. Kovácz kehrt für Roland Leistner-Mayers „Fantaisie Bizarre op. 107“ alleine auf die Bühne zurück, rast durch und schwelgt in dessen Klangwelten. Deren Modernität zeige sich „in der Fähigkeit des Komponisten, Reflexion ganz in Klangsinnlichkeit umzusetzen“, wie Walter Prokop schreibt (NMZ, 10-2013). Trotzdem starker Tobak für den höchst agilen Klarinettisten wie auch für die Zuhörer. Robert Delanoffs neue Komposition steht in herbem Kontrast zu Leistner- Meyer. Romantisch-melodisch, leicht dunkel im Timbre; ein Stück mit Mut zu Pause und Rubato. Doch dann verschränken sich Klavier und Klarinette in rasanten, aber locker gespielten 64tel-Läufen. „Die Zeit vergeht...“ lässt an Kreisläufe der Natur denken, an Ebbe und Flut. Die glasklaren Tonfolgen perlen über Klappen und Tasten, Reminiszenzen an Minimal Music scheinen auf. Doch immer wieder hakt es im 7/8-Takt der Natur ehe das Stück verklingt – wie die letzten Lichtstrahlen bei Sonnenuntergang die Erde verlassen. Max Beckschäfers „Sonate“ von 1991 ist das älteste gespielte Stück und greift wunderbar Delanoffs Harmonie auf, um sie mit harschen Blockakkorden und rhythmischen Ausbrüchen zu konterkarieren. Es gibt zwar Ruhepole, doch bleiben diese eher beunruhigender Natur.
Zur Hälfte des zweiten Teils stellt sich Kovács Jörg Widmanns herausfordernder „Fantasie für Klarinette solo“. Es gibt eine großartige Aufnahme von 1994 mit Widmann selbst, doch Kovács hadert nicht, spielt mit mehr Vibrato und Inbrunst als der Urheber. Jeder Ton dieser äußerst kontrastreichen Fantasie steht ausgeformt im Raum, harsch-angeblasen wie jene, die sich mit mehrfachem Piano knapp an der Hörgrenze befinden. Der Abend endet mit einem Werk von 2013.
Dorothee Eberhardts „Neon“ ist Namensgeber des Duos Kovács-Schieferstein, das zum Ende des bestens ausgewählten Programms noch einmal alle Register von Klangfülle und rhythmischer Finesse zieht. Nach dem Konzert erzählt mir Robert Delanoff von dem Wunsch, ein heiteres Stück zu schreiben und dem plötzlichen Tod seines Bruders. So hat er die ersten Takte umgearbeitet und den Titel geändert. Die Gäste, die früh aus dem Konzert gingen, sind Verwandte, „Die Zeit vergeht...“ wird greifbar. Im Münchner Feuilleton (12-2014) kritisiert Moritz Eggert die Hermetik der Neuen Musik: „Die Melodik ist das große Unentdeckte in der zeitgenössischen Musik.“ Delanoff hat sie längst entdeckt.