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Neues vom Lied

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Das Würzburger Festival ging in die vierte Runde
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Das Würzburger Festival Neues Lied ging im Dezember 2022 mit seinem Anspruch, Neues im Kunstlied hörbar zu machen, in die vierte Runde. Die Initiatorin und Pianistin Esthea Kruger, die inzwischen dafür den Kulturförderpreis der Stadt Würzburg erhalten hat, präsentierte wieder drei sehr unterschiedliche Konzerte mit neuen und kaum gehörten Liedern.

Die Eröffnung im Kulturspeicher fand im Austausch mit dem Gegenstück des Festivals in Kapstadt dar und stellte Werke des aus Südafrika stammenden Komponisten Hendrik Hofmeyr vor, der mit seiner gemäßigt modernen Musik die Zeiten und Kulturen zu überbrücken versteht und damit maßgeblich das Kunstlied in Südafrika befördert hat. Seine Lieder nach Gedichten auf Deutsch („Die junge Magd“ von Georg Trakl) und Afrikaans handeln von „Innocence and Experience“. Sie gipfelten in dem Zyklus „Alleenstryd“ auf Gedichte von Sydney Vernon Petersen, der als Person of Colour damit seine Erfahrungen als Außenseiter bearbeitete.

Hofmeyr vertont die Lieder in hörbarer Parteinahme gegen jede Form von Unterdrückung, die südafrikanische Mezzosopranistin Minette du Toit-Pearce gestaltete mit souveräner Einfühlung. Hier wie auch in den von Sohee Seo gesungenen Trakl-Liedern entfaltete Esthea Kruger bei der anspruchsvollen Musik mehr als bloße Begleitung. Dazwischen sang der Bariton Konstantin Ingenpaß Lieder des klassischen Repertoires, die der Komponist Hofmeyr als Referenzen seines Liedschaffens ausgewählt hatte. Im Gespräch mit Johannes Engels hatte Hofmeyr zuvor seine Kompositionen vorgestellt und Schlüssel zum Hören an die Hand gegeben.

Im Toscanasaal der Residenz erklang das Programm „Frauenstimmen“. Ge­rahmt von zwei amerikanischen Kleinzyklen von Lori Laitman und Jake Heggie, in denen auf unterschiedliche Weise Aspekte von Frauenliebe und -leben vorgestellt wurden, stand in der Mitte der auf Einfaches reduzierte Zyklus der „Four Last Songs“ von Vaughan Williams auf sehr intime Gedichte von dessen Frau Ursula, die Minette du Toit-Pearce bewegend ans hörende Herz legte. Das eigentliche Ereignis des Abends waren zwei Folgen von Appetit-Häppchen von Komponistinnen aus Vergangenheit und Gegenwart. Der Bariton Johannes Fritsche gestaltete mit szenischer Präsenz und großer Stimme den Ausschnitt aus einem Projekt, das unter dem Titel „Achtung Komponistin!“ als Podcast im Internet zu verfolgen ist und Lieder von Komponistinnen seit dem 19. Jahrhundert vorstellt. Alexander Fleischer am Klavier sprang souverän für Fritsches erkrankte Klavierpartnerin Kerstin Mörk ein.

Im letzten Konzert im Spitäle, inmitten der aktuellen Ausstellung von VKU-Künstlern, erklang ein beeindruckendes Doppelprogramm mit Liedern von Franz Schubert und Wolfgang Rihm, der 2022 seinen 70. Geburtstag feierte. Dabei trat das Moderne der alten Lieder von Schubert mit Rihms reifen Kompositionen von klassischen Texten in ein spannungsvolles Miteinander. Der Bogen spannte sich von einem der ersten Kunstlieder, „Gretchen am Spinnrade“, zu Liedern, in denen Goethes Alterstonfall in Rihmscher Retrospektive instrumentiert ist. Nach Schuberts Mignon-Vertonungen wurde Rihms Zyklus „Ophelia sings“ von Mirella Hagen mit kostbarer Stimmgebung und großer Ausdruckskraft gesungen, und, wieder einspringend, von Alexander Fleischer am Klavier begleitet. Silke Evers antwortete auf Schuberts Heine-Lieder aus dem „Schwanengesang“, mächtig gesungen und dargestellt von Daniel Fiolka, mit Rihms Zyklus „Heine zu Seraphine“. Das eindrucksvolle Werk ist ein dunkler, bitterer Abgesang auf die Romantik, deren Nachtigallen hier zu Möwen geworden sind.

Darin war der scheinbare Widerspruch zwischen traditioneller Form und Neuem Lied in einem geglückten Konzert aufgehoben.

 

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