Anlässlich der Verleihung des Bayerischen Kunstförderpreises an Brigitte Helbig hat Oliver Fraenzke die Künstlerin interviewt.
neue musikzeitung: Du erhieltest dieses Jahr als einzige Solokünstlerin den Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Musik. Was bedeutet diese Auszeichnung für Dich?
Brigitte Helbig: Zuallererst habe ich mich natürlich sehr gefreut, als ich die unerwartete Nachricht über den Erhalt des Kunstförderpreises erhalten habe. Das zeigt mir, dass meine Tätigkeit als Pianistin tatsächlich gesehen, gehört und wertgeschätzt wird. Es bedeutet mir viel, für meinen Einsatz für die Neue Musik bemerkt zu werden, bei einem Publikum anzukommen und auch angenommen zu werden. Denn darum geht es mir: Ich finde es ungemein wichtig, dass die Musik der Gegenwart einen Platz hat, gespielt und gehört wird.
nmz: Woran arbeitest Du im Augenblick, was sind Deine aktuellen Projekte?
Helbig: Aktuell bin ich beim Sonic Ocean-Festival in Stuttgart beteiligt, das die Cellistin Céline Papion auf die Beine gestellt hat. Es befasst sich in Form neuer Kompositionen mit der Unterwasser-Klangwelt, aber auch mit der Lärmverschmutzung in unseren Ozeanen.
Außerdem stand ein Projekt zum 175. Todesjahr von Fanny und Felix Mendelssohn an. Die Schauspielerin Cornelia Bernoulli hat zusammen mit dem Schauspieler Klaus Hadere und mir eine «musikalisch-szenische Collage» aus Briefen, Texten und Musikstücken der beiden Mendelssohn-Geschwister (vornehmlich aber der weniger bekannten Fanny Mendelssohn bzw. Fanny Hensel) entworfen, die wir zwischen November 2022 und Januar 2023 mehrmals zur Aufführung gebracht haben. Diesmal ist es zwar keine Neue Musik, aber auch das weniger Bekannte interessiert mich. Und es gibt einige gute und spannende Werke von Fanny Hensel, die – wie ich finde – hörenswert sind.
Nun im Dezember fand mein drittes Solokonzert aus der Reihe „Starke Frauen – Starke Stücke“ im schwere reiter München statt. Diesmal mit Unterstützung von Zoro Babel, der die (Live-)Elektronik übernommen hat – und mit einer Uraufführung von Birke Bertelsmeier. Und nicht ganz aktuell, aber ständiger Begleiter ist ja auch noch mein Hans Winterberg-Projekt. Zwei Solo-CDs mit seinen Klavierwerken habe ich ja bereits eingespielt, zwei weitere sollen noch folgen. Ziel ist die Gesamteinspielung seiner Klavierwerke; doch es soll auch CDs geben, auf denen seine Musik mit Werken anderer Komponisten kombiniert wird.
nmz: Du bist ja ganz frisch Mutter geworden: Wie ändert der frohe Familienzuwachs denn die künstlerische Situation? Welche neuen Anschauungen tun sich da auf?
Helbig: Ein Kind bedeutet ja generell eine große Umstellung. Zugleich empfinde ich es als eine enorme Bereicherung. Für meine künstlerische Situation bedeutet es, ganz nüchtern betrachtet, vor allem einfach eine organisatorische Anpassung.
Neue Anschauung? Hm, das kann ich momentan noch nicht sagen. Aber da ich ja auch Klavierpädagogin bin, habe ich mir auch schon viele Gedanken zur kindlichen Entwicklung gemacht. Gerade mache ich übrigens eine Ausbildung zur Suzuki-Klavierlehrerin. Die Suzuki-Methode wird auch Muttersprachen-Methode genannt und findet insbesondere im Instrumentalunterricht bei sehr jungen Kindern statt. In diesem Sinne wird es sicherlich zusätzlich eine unersetzbare Erfahrung sein, das eigene Kind wachsen und sich entwickeln zu sehen.
nmz: In der Begründung für Deine Auszeichnung hieß es, Du seist eine «neugierige und offene Musikerin, die Freude an ungewöhnlichen Programmen» habe. Um was für Programme handelt es sich denn dabei?
Helbig: Vermutlich sind meine Neue-Musik-Soloprogramme gemeint. Da habe ich zum Beispiel die erwähnte kleine Konzertreihe mit dem Titel «Starke Frauen - Starke Stücke» gestartet. Dort gestalte ich Konzertprogramme, bei denen ich Klavierwerke von aktuellen Komponistinnen unter bestimmten Aspekten zusammen- und gegenüberstelle (z.B. Werke für präpariertes Klavier, zeitgenössische Werke in traditionellen Formen etc.). Auch habe ich einige Konzerte mit Werken des jüdischen Komponisten Hans Winterberg gestaltet und im Zusammenhang mit Werken seiner Zeitgenossen aufgeführt.
nmz: Neugierig und Offen, diese beiden Begriffe würde ich auch für Deine Künstlerschaft verwenden. Wie würdest Du selbst Deine Herangehensweise an die Musik beschreiben? Was ist Dir beim Musizieren wichtig?
Helbig: Über diese beiden Adjektive freue ich mich sehr, da mir genau das auch wichtig ist. Denn eigentlich möchte ich nicht vornehmlich als Pianistin im Rampenlicht stehen, sondern mit meiner Tätigkeit der Musik unserer Zeit eine Bühne zum Gehört- und Betrachtet-Werden geben. Das möchte ich vermitteln.