Die Ausschreibung eines Kompositionswettbewerbes ist kein Highlight, welches man sich speziell für das 100. Jubiläum des Tonkünstlerverbandes Würzburg aufsparen müsste. Doch diese sollte anders sein. Sie trifft mit ihren Rahmenbedingungen den zeitgenössischen Geist und beweist einmal mehr: Das Beste kommt zum Schluss.
Die Hauptmotivation des Tonkünstlerverbandes Würzburg liegt in der Förderung des Nachwuchses wie in der zeitgenössischen Musik. Fast schon traditionell schreibt er Kompositionswettbewerbe aus, zuletzt zum 60. Jubiläum des Bayerischen Tonkünstlerverbandes im Jahr 2008. Warum nicht beides miteinander verbinden? Tut man dies, ergibt sich wahrlich ein Highlight im Jubiläumsjahr 2011.
36 Komponisten jeden Alters und jeder Nationalität stellten sich anonymisiert der Herausforderung zeitgenössische Werke zu komponieren, die nicht länger als zehn Minuten und – darin liegt die besondere Kunst – von einem Jugendsinfonieorchester spielbar sind. Diese Anforderungen bedürfen eines ausgezeichneten Fingerspitzengefühls. Neue Spieltechniken ja, zu viele anspruchsvolle Soli nein, elektronische Musik ja, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Machbar muss es sein, Spaß machen soll es und vor allem begeistern. Wieso ausgerechnet für ein Jugendsinfonieorchester? Die Frage liegt nahe, die Antwort allerdings auch. Die Beschäftigung junger Leute mit Neuer Musik reicht häufig nur bis in den schulischen Musikunterricht hinein. Nach Strawinskys „Sacre“ ist da meist Schluss. Sich selbst mit zeitgenössischen Werken beschäftigen, kein Hörvorbild haben, eine Uraufführung selbst gestalten, dazu den Kontakt zum Komponisten suchen, all dies sind künstlerische Idealvorstellungen. Nicht selten wird aber auf bereits bekannte, „klassische“ Literatur zurückgegriffen. Vor diesem Hintergrund rechneten die Initiatoren nicht mit solch großem Zuspruch seitens der Macher und der Ausführenden. Das Landesjugendorchester Baden-Württemberg, die Junge Philharmonie Würzburg und das Jugendsinfonieorchester der Kunst- und Musikschule Jena sagten ihre Interpretation und somit auch ihren künstlerischen Mut und ihre Spielfreude zu. Im Rahmen eines Jugendorchesterfestivals am 5. November in Würzburg sollen die drei Siegerwerke des Wettbewerbes uraufgeführt werden.
Arbeit der Jury
Zuvor stand allerdings die Arbeit, auch die der Jury. Nach neunmonatiger Schaffensphase der Komponisten lag es an ihr, 36 vollkommen unterschiedliche Werke zu erforschen, sich in diese hineinzudenken und nicht zuletzt hierbei das Jugendsinfonieorchester als Interpreten im Blick zu haben. Oberste Kriterien waren hierbei: die Spielbarkeit, damit einhergehend der Schwierigkeitsgrad, das zeitgenössische Klangbild und das Vorhandensein neuer Spieltechniken. Die Jury, bestehend aus Muchtar Al Ghusain, Kulturreferent der Stadt Würzburg, Martin Lentz, Dirigent/Bremen, Prof. Martin Christoph Redel, Komponist/Detmold, Nicolaus Richter, Dirigent/Bayreuth, Dr. Charlotte Seither, Komponistin/Bonn und Prof. Dr. Christoph Wünsch, Komponist/HfM Würzburg, kam Mitte Juli zu folgendem Schluss:
Den ersten Preis, dotiert mit 4.000 Euro, erhält Pèter Köszeghy aus Berlin für das Werk „three shamanistic rituals“. Der zweite Preis, dotiert mit 3.000 Euro, geht an Martin Sadowski aus Darmstadt für „Des Schlafes Schwindel“. Der Pegnitzer Michael Starke darf sich mit seinem Werk „Dunkler Traum“ über den mit 2.000 Euro dotieren dritten Platz freuen. Alle drei Werke überzeugten nicht nur aufgrund ihrer gelungenen Umsetzung aller gewünschten Parameter. „Three shamanistic rituals“ bietet seinem Interpreten, einem voll besetzen Sinfonieorchester, die Möglichkeit, gegebenenfalls aus mehreren Sätzen auszuwählen. „Des Schlafes Schwindel“ ist nicht nur einem ebenfalls voll besetzen Sinfonieorchester zugeschrieben, es ist fakultativ auch mit einer CD-Einspielung vorzutragen. „Dunkler Traum“, für eine kleinere Besetzung, besticht in den Augen der Jury durch seine Klanglichkeit.
Nun liegt die Arbeit also bei den Interpreten, den jungen Musikern und ihren Dirigenten. Nach einer wohl arbeitsreichen Sommerzeit werden sie die Werke am 5. November im Rahmen des Jugendorchesterfestivals uraufführen. Die Junge Philharmonie Würzburg spielt dann unter der Leitung von Nicolaus Richter die Komposition „Dunkler Traum“ (3. Preis) um 16.30 Uhr in St. Johannis. Um 19.30 Uhr wird dort das erstplatzierte Werk „three shamanistic rituals“ zu hören sein. Ausführender ist hierbei das Jugendorchester der Sing- und Musikschule Jena unter Martin Lentz. Den Abschluss findet das Festival um 20 Uhr wieder im Großen Saal der Hochschule mit dem zweiten Preis, „Des Schlafes Schwindel“. Hier wird das Landesjugendorchester Baden-Württemberg unter der Leitung von Christian Wyneken spielen. Jedes Orchester wird neben den Siegerstücken auch eigenes Repertoire aufführen: So erklingen beispielsweise César Francks Sinfonie d-Moll, Sergei Rachmaninoffs zweites Klavierkonzert und Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 5 d-Moll.
Das Landesjugendorchester Baden-Württemberg feiert im nächsten Jahr selbst Jubiläum und wird in diesem Zuge aus den Kompositionen des Wettbewerbs ausgewählte Werke mit in sein Jubiläums-Repertoire aufnehmen. Wer nicht in den Genuss kommt, die Uraufführungen live zu erleben, kann diese auch auf der Auswahlliste der Jeunesses Musicales Deutschland wiederfinden.
1. Preis, Pèter Köszeghy, „three shamanistic rituals“
Pèter Köszeghy, geboren 1971 in Ungarn, studierte an der HfM „Hanns Eisler“ Berlin Komposition und Elektronische Musik. Er arbeitet als freischaffender Komponist und Musikpädagoge und erhielt für seine Kompositionen zahlreiche Auszeichnungen, darunter allein dreimal den Hanns-Eisler-Preis und erste Preise in den internationalen Kompositionswettbewerben des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden oder der Biennale Neue Musik Hannover.
Köszeghy: „Mein Stück hat das Ziel, jungen Musikern eine Tür zu öffnen. Sie sollen wie Maler mit musikalischen Mitteln ein Klangbild schaffen. Es soll die Kreativität, das ,kreative Hören‘, sensibilisiert werden. Die Musiker sollen angeregt werden, nicht in gewohnten musikalischen Mitteln der Interpretation zu denken, sondern sich, soweit es geht, zu öffnen, angeregt durch die Noten etwas Neues in unserem Universum zu schaffen. Als Teil des Ganzen.“
2. Preis, Martin Sadowski, „Des Schlafes Schwindel“
Matin Sadowski, geboren 1981 in Polen, ist Komponist, Interpret und Musikpädagoge.
Er studierte Gitarre und Komposition an der Akademie für Tonkunst Darmstadt. Er ist nicht nur Preisträger verschiedener internationaler Wettbewerbe, wie dem Günther-Bialas-Kompositionspreis 2010 oder dem Gustav-Mahler-Preis 2009, sondern spielt auch selbst in der NuJazz-Formation „nic demasow“ E-Bass.
Sadowski: „Das Werk stellt den Versuch dar, kompositorische Probleme, wie zum Beispiel das Verhältnis von Form und Inhalt, durch außermusikalische Parameter zu beeinflussen. Dadurch entsteht ein irreales beziehungsweise surreales Bild zwischen Traum und Wirklichkeit, in dem die Zeit scheinbar still steht.“
3. Preis, Michael Starke, „Dunkler Traum“
Michael Starke, geboren 1969 in Pegnitz, studierte Musik und Evangelische Theologie für Lehramt an der Universität Bayreuth. Seit 2001 ist er in Bayreuth als Lehrer in diesen Fächern tätig. Darüber hinaus betreut er musikalische Projekte, widmet sich privat dem Gesang und gründete 1994 den Pegnitzer Chor „Lingua musica“, wofür er 2007 den Kulturförderpreis des Landkreises Bayreuth verliehen bekam.
Starke: „Wenn man ein Werk für Jugendorchester schreibt, dann stehen zwei Aspekte im Vordergrund. Zum einen soll es für Musiker, die sich noch in der Ausbildung befinden, spielbar bleiben.
Zum anderen soll es für die Jugendlichen auch eine gewisse Attraktivität besitzen, ob jetzt aufgrund der Thematik des Werkes oder besonderer musikalischer Elemente, also insgesamt ihrem musikalischen Ausdrucksbedürfnis sozusagen etwas entgegenkommen.“