Vom 17. bis 25. November fand in Sachsen-Anhalt das 25. Tonkünstlerfest des Landesverbandes statt. Unter dem Motto „Panta Rhei“ standen Olivier Messiaen, dessen Todestag sich zum 25. Mal jährte, und der Magdeburger Komponist Dieter Nathow, der 80 Jahre alt geworden wäre, im Fokus der Festwoche. Eine Würdigung Georg Philipp Telemanns anlässlich seines 250. Todestages erfolgte im 23. Jugend-Kompositions-Wettbewerb. Dessen kompositorische Aufgabe lautete: „Wie würde der Europäer Telemann heute komponieren?“
Die Vorsitzende des Landesverbandes, Dr. Sigrid Hansen, schreibt im Vorwort zum ausführlichen Programmheft: „Wir können heute auf eine erfolgreiche Zeit – eine Zeit von 25 Jahren –, die Zeit einer Generation zurückblicken und sind sehr glücklich darüber.
Wenn ein junger Mensch seinen 25. Geburtstag feiert, dann hat er die Schwelle zum Erwachsensein endgültig hinter sich gelassen und steht fest im Leben. Auch das Tonkünstlerfest, das 1992 erstmals auf sich aufmerksam machen konnte und in diesem Jahr sein 25-jähriges Gründungsjubiläum feiert, ist längst „erwachsen“ geworden! Was 1992 mit einer Initiative von Musikern, Komponisten und Musikwissenschaftlern wie Stojan Stojantschew, Klaus Obermayer, Sigrid Hansen, Dieter Nathow oder Rüdiger Pfeiffer begann, hat sich im Laufe der 25 Jahre zu einer festen Größe im Kulturkalender der Landeshauptstadt Magdeburg und darüber hinaus mit gutem Ruf manifestiert. Davon zeugen die fast 150 Uraufführungen von Werken vorwiegend einheimischer Komponisten und fast 100 Uraufführungen der jungen Preisträger in den Konzerten. Mit sieben spannenden Konzerten werden wir unser 25-jähriges Jubiläum feiern und zeigen, welches Spektrum und welche Vielfalt sich entwickelt haben. Einige Wiederaufführungen werden vergangene Tonkünstlerfeste in Erinnerung rufen.“
Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie
Das Eröffnungskonzert gestaltete die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie unter der Leitung von Chefdirigent Gerhard Oskamp. Dieses Orchester wurde in eineinhalb Jahrzehnten unter seinen jeweiligen Dirigenten zum unverzichtbaren und verlässlichen Partner und quasi zum Festspielorchester des Verbandes. Es zeigt großes Engagement für das Neue und Unbekannte, nicht nur zu den Tonkünstlerfesten. Zum Eröffnungskonzert erklangen Werke von Dieter Nathow und Klaus Obermayer sowie Inspirationen zu Messiaen von verschiedenen sachsen-anhaltischen Komponisten. Die Inspirationen wurden 2008 zum Messiaen-Jubiläum vom Tonkünstlerverband Sachsen-Anhalt angeregt und im damaligen Tonkünstlerfest uraufgeführt. Nun erlebten sie durch das selbe Orchester eine Wiederaufführung, diesmal unter einem anderen Dirigenten, und man konnte spüren, wie die Interpretation der einzelnen Kompositionen gereift war, nach dieser Wiederaufnahme. Ebenfalls wieder aufgenommen wurde das Violinkonzert von Dieter Nathow. Hier sprang kurzfristig der deutsch-brasilianische Geigenvirtuose Nicolas Köckert für den erkrankten Wolfgang Hasleder ein und verlieh der Aufführung ungeahnte Brillianz durch sein virtuoses und sensibles Spiel. Innerhalb kürzester Zeit hatte er sich mit dem Konzert vertraut gemacht und die Spielfreude war ihm deutlich anzumerken.
Von dem Münchener Komponisten Klaus Obermayer, einem der Mitbegründer des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, gab es eine Uraufführung posthum – die „Spielereien für Streichorchester“, die bereits 1978 entstanden waren, aber bisher nie aufgeführt wurden. In den „Spielereien“ zeigt der damals 35-jährige Komponist das Können, den Spielwitz und die Raffinesse, die seiner Musik so eigen sind und sie so launisch und unterhaltsam machen. Auch mit diesem Werk identifizierten sich die Musiker des Orchesters gemeinsam mit ihrem Dirigenten und nehmen es nun mit in die eigene Spielzeit zu weiteren Aufführungen.
Der 23. Jugend-Kompositions-Wettbewerb
Fester Bestandteil der Tonkünstlerfeste ist der Jugend-Kompositions-Wettbewerb – in diesem Jahr der 23. Er findet seit einigen Jahren in Kooperation mit dem Musikalischen Kompetenzzentrum statt, welches in diesem Jahr erstmals als Veranstalter agierte. Dadurch konnte der Wettbewerb auf weitere Bundesländer ausgeweitet werden. Zur Teilnahme am Wettbewerb waren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Wohnsitz in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt aufgerufen. Insgesamt gab es 14 Einsendungen aus 8 Städten in 4 Bundesländern. Die preisgekrönten Werke der jugendlichen Komponisten wurden im Preisträgerkonzert vom Ensemble Sinfonietta Dresden uraufgeführt. Zuvor gab es in einer öffentlichen Generalprobe die Möglichkeit der Kommunikation der Jugendlichen mit den Musikern über die Interpretation. Den ersten Preis erhielt Julika Lorenz aus Hannover, den zweiten Preis Finn Wiersig aus Magdeburg. Zwei dritte Preise wurden von der Jury vergeben, die beide in Sachsen-Anhalt blieben, ebenso wie der Verlagspreis des k.o.m. musikverlages. Und der Förderpreis, gestiftet von Irmela Obermayer, der Witwe des Mitbegründers des Wettbewerbs Klaus Obermayer, ging an zwei Schwestern aus Schleswig-Holstein.
Die Kompositionen waren naturgemäß sehr unterschiedlich, jugendlich erfrischend und nutzten verschiedene der möglichen Instrumentenkombinationen. Folgende Instrumente standen zur Verfügung: zwei Violinen, Viola, Violoncello, Cembalo, Oboe und Block- oder Querflöte. Sie konnten solistisch oder in Kombination verwendet werden. Die Musiker des Ensembles Sinfonietta unter der Leitung von Alexandre Balzamo musizierten wieder sehr souverän, mit viel Freude und waren im Umgang mit den Jugendlichen sehr einfühlsam.
Jazzlegenden, Tonkünstler, Schüler und Lehrer musizieren
Keine Profimusiker, sondern Schüler und ihre Lehrer zeigten ihr Können in einer Matinee in den Räumen der Kreismusikschule des Altmarkkreises Salzwedel. Diese wurde vor Ort engagiert vorbereitet vom Ehepaar Christina und Jens-Peter Dossin. Inkludiert in diesem Konzert waren die Beiträge der Preisträger des 5. Wettbewerbs Neue Musik für die Altmark. Es war ein buntes Programm, das zur Aufführung kam und es machte viel Freude, den jungen Musiker/-innen bei der Darbietung ihres fleißig geübten Repertoires zuzuhören und auch zuzusehen.
Ebenfalls unter dem Dach des Tonkünstlerfestes stand eine Veranstaltung der in Magdeburg etablierten Reihe „Jazz in der Kammer“. Das international zusammengesetzte und bekannte Charles Gayle Trio begeisterte die Zuhörer mit Free Jazz vom Feinsten.
Beim Kaleidoskop der Kammermusik hatten dann die Mitglieder des Tonkünstlerverbandes die Gelegenheit, das Programm mitzugestalten. So bunt wie ein Kaleidoskop waren die Beiträge in Solo-, Duo-, Triobesetzung. Auch hier erklangen unter anderem Werke von Messiaen und Nathow. Axel Gebhardt spielte sehr einfühlsam und fast ätherisch anmutend die „Heidelerche“ aus dem Catalogue d’oiseaux von Messiaen und von Nathow erklangen Lieder für Mezzosopran und Klavier nach Texten von Elisabeth Graul. Diese gestalteten sehr eindrucksvoll Sandra Schilling und Helmut Keller. Den Rahmen bildete das Poulenc-Trio, das mit der Aufführung von Jens Klimeks „Trio infernale“ (Des Teufels Nacht) einen furiosen und gleichzeitig augenzwinkernden Abschluss lieferte.
Ein Highlight des Tonkünstlerfestes war das Konzert mit dem modern art ensemble aus Berlin mit zwei Uraufführungen von Peter Petkow und Johannes Grosz. Den Schwerpunkt des Konzertes bildete allerdings die Aufführung des „Quatour pour la fin du temps“ von Messiaen. Dieses selten zu hörende Werk wurde in so ergreifender Weise von den Musikern des Ensembles musiziert, dass die Zuhörer förmlich den Atem anhielten und lauschten. Auch ohne das Hintergrundwissen um die doch tragische Entstehungsgeschichte des Quartetts auf das Ende der Zeit war es einfach Messiaens Musik, die gefangennahm und so fantastisch interpretiert wurde, dass man es eigentlich kaum in Worte zu fassen vermag. Das Publikum dankte mit Standing Ovations.
Zum Abschluss des 25-jährigen Jubiläums gab es Orgelmusik von Messiaen, Nathow und eine Uraufführung von Peter Petkow. An der wunderbaren Eule-Orgel der Kathedralkirche St. Sebastian in Magdeburg spielten Matthias Mück und Stefan Nusser. Improvisationen für Orgel, Schlagwerk und Saxophon bereicherten den Abend. Am umfangreichen Schlagwerk war Hermann Naehring zu erleben und Warnfried Altmann brachte die Saxophone zum Klingen. Das Konzert und damit die Festwoche endete mit einer fulminanten Improvisation des Trios Mück, Altmann, Naehring zum Motto des Festes „Panta Rhei“ (Bolero final).
Eine sehr gelungene Festwoche
Insgesamt war es eine sehr abwechslungsreiche Festwoche, gefüllt mit vorwiegend Neuer Musik und gestaltet von hervorragenden Musikern. Fünf Kompositionen gestandener Komponisten erlebten ihre Uraufführung und zusätzlich die sechs preisgekrönten Werke des Jugend-Kompositions-Wettbewerbs. Alle Konzerte konnten sich hören und sehen lassen und gaben einen kleinen Einblick in das Schaffen unserer sachsen-anhaltischen Künstler – Musiker und Komponisten. Und auch der jugendliche Nachwuchs hatte sein Podium und wartete mit zum Teil überraschenden und vielversprechenden Leistungen auf. Ein würdig begangenes Jubiläum – Ergebnis kontinuierlich über die Jahre gewachsener Bemühungen des Landesverbandes, seinen Mitgliedern Anregungen und Podium zugleich zu geben.