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Der Cellist mit Zigarette in einem alten Turm. Sein Cello liegt neben ihm.

Helmut Rocholl. Foto: privat

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Projekt zwischen Deutschland und der Türkei

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Das Troja Festival – ein Gespräch mit Helmut Rocholl
Vorspann / Teaser

Helmut Rocholl ist Dozent für Cello und Kammermusik an der Universität Hildesheim. Während einer Reise an die türkische Ägäisküste mit seiner Frau Rebecca kam in einer sternenklaren Nacht inmitten trojanischer Ruinen die Idee zu einem Musikfestival auf. Daraus wurde eine in dieser Form einmalige deutsch-türkische musikalische Kooperation: Das Troja Festival.

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Kemal Cem Yilmaz: Wie kam es zum Troja Festival?

Helmut Rocholl: Als meine Frau und ich während unseres ersten Urlaubs in Dalyan 1988 die antike Stätte Alexandria Troas (mit den großen Bögen) „entdeckten“, klatschte auf einmal einer von uns in der Mitte der vier Bögen in die Hände, um die Akustik zu prüfen – und die war überraschend gut. Damit war die Idee eines Festivals zwar noch nicht geboren, aber gezeugt.

Yilmaz: Hättest Du dir vorstellen können, dass aus Eurer Idee, Musik an die antiken Stätten zu bringen eine jahrzehntelange enge Beziehung zur klassischen Musik-Szene in der Türkei entstehen würde?

Rocholl: Als wir die Idee zu einem Fes­tival entwickelten, dachten wir natürlich nicht nur an ein einmaliges sondern an ein jährlich wiederkehrendes Ereignis. Dass ich allerdings im Laufe der Jahrzehnte – auch nach Beendigung des Festivals – so weit in die klassische Musik-Szene der Türkei hineinwachsen und mit ihr verwachsen würde, hätte ich mir niemals träumen lassen. Heute habe ich das Gefühl, fast ein vollständiges Mitglied dieser Szene zu sein.

Yilmaz: Vom (klang)ästhetischen Ideal zur Idee sozusagen. Dennoch gab es doch sicher bei dem Freiluftfestival auch Abstriche zu machen. Mit welchen Widrigkeiten musstet Ihr euch auseinandersetzen?

Rocholl: Einerseits konnten wir von unserer Seite nur klassische Künste wie Musik und Theater einbringen. Andererseits war uns daran gelegen, die Komposition von antiken Stätten mit ihrer Vergangenheit, Historie und Mythologie sowie den umgebenden Bedingungen wie Sonne und Sonnenuntergang, Klima, Meer, Natur et cetera mit unseren künstlerischen Möglichkeiten zu grundieren, abzurunden und zu intensivieren. Selbstverständlich mussten wir Abstriche machen, Kompromisse eingehen – eine antike Ruine ist kein Konzert- oder Thea­tersaal. Außerdem fehlte uns in den Anfangsjahren elementare Ausstattung wie etwa Podeste und Beleuchtung. Das bedeutete, dass Aufführungen wegen der direkten Sonneneinstrahlung und ständigem Wind in den Dardanellen immer zwischen beginnendem Sonnenuntergang und Einbruch der Dunkelheit stattfinden mussten, was im Einzelfall zu einer Verkürzung des Programms führte. Der Wind (der sich im Verlauf des Abends legte) und die sehr unterschiedlichen akustischen Bedingungen waren sowohl akustisch als auch organisatorisch eine Herausforderung: Notenpulte mußten mit Steinen beschwert, Noten mit Wäscheklammern befestigt werden, Umblättern war nicht möglich. Diese Schwierigkeiten konnte man getrost als künstlerisches Trekking bezeichnen.

Yilmaz: Wie gestaltete sich das Zusammenspiel mit den türkischen Mit­organisatoren und Künstlern?

Rocholl: Von der Finanzierung über Organisation bis hin zum Klaviertransport, von der programmatischen Planung, der Rekrutierung von Künstlern, der Planung und Durchführung von Proben bis hin zu den Aufführungen – alle waren an allem beteiligt. Es gab Aufgabenteilungen, sowohl zwischen Musikern und Schauspielern als auch zwischen Deutschen und Türken. Während die deutsche Seite hauptsächlich für die finanzielle Absicherung des Projekts im Vorfeld und die Zusammenstellung der musikalischen Teilnehmer zuständig war, fiel die Organisation vor Ort und die Zusammenstellung der Theaterensembles in den Zuständigkeitsbereich der türkischen Seite. Besondere Bewunderung verdient an dieser Stelle die meisterhafte Improvisationsfähigkeit unserer türkischen Partner bei den unweigerlich eingetretenen kleineren und größeren Katastrophen während der Festivals.

Im künstlerischen Bereich gab es zwischen Deutschen und Türken (sowie vereinzelt Teilnehmern anderer Länder) keinen Unterschied: Alle haben sich mit gleicher künstlerischer Qualität, Enthusiasmus, Toleranz und Einsatzbereitschaft in dem Projekt engagiert.

Yilmaz: Worauf lag der programmatische Schwerpunkt bei dem Festival?

Rocholl: Da das Festival interkulturell sein sollte, lag es auf der Hand, dass sowohl Musik, als auch Theaterwerke aus der europäischen und auch türkischen Tradition zur Aufführung kommen sollten.

Yilmaz: Wer war Euer Partner auf türkischer Seite?

Rocholl: Der türkische Partnerverein als offizieller Träger des Festivals bestand im Wesentlichen aus Theaterschaffenden der Städtischen Bühnen Istanbul unter Leitung des Indendanten Çetin Ipekkaya.

Yilmaz: Euer Enthusiasmus, quasi aus dem Nichts heraus antike Stätten mit mit Musik zu füllen, klingt sehr inspirierend. Welchen Nachhall hatte euer Engagement in der Türkei sowohl in zwischenmenschlicher als auch in musikalischer und pädagogischer Hinsicht?

Rocholl: Die Folgen unserer Aktivitäten habe ich nicht nachverfolgen können. Es ist wie ein Stein, den wir ins Wasser geworfen haben: wie weit die Wellen sich fortgesetzt haben, kann ich nicht beurteilen. Sicher ist, dass es zumindest zwei „Festivalehen“ gegeben hat: Mein Bruder mit der Tochter von Çetin Ipekkaya und Çetin selbst mit einer deutschen Schauspielerin, die er beim Festival kennenlernte und in zweiter Ehe geheiratet hat. Ich denke, dass sich einige freundschaftliche Verbindungen zwischen Festivalteilnehmern entwickelt haben, man kann das bei Facebookfreundschaften erkennen. Musikalisch und pädagogisch bin ich durch mein fortwährendes Engagement wohl einer der eher wenigen, der in dieser Hinsicht eine gewisse Konstanz erreicht hat. Musikalisch oder pädagogisch Spuren zu hinterlassen ist schwierig, da meine Besuche dort regelmäßig, aber auch immer nur kurzzeitig waren.

Yilmaz: Wie sollte sich musikalischer Austausch zwischen Deutschland und der Türkei zukünftig gestalten?

Rocholl: Ich denke, viel hängt von den politischen Rahmenbedingungen ab – damit sind wir wieder bei der Förderung. Auf der Ebene von Künstlern und Studenten ist die Bereitschaft und der Wille für Kooperation mit Sicherheit auf beiden Seiten groß. Insofern ist das Erasmus-Programm eine gute Sache, auf das man zählen kann. Ich hoffe, dass sich darüber hinaus in der Zukunft noch andere Möglichkeiten entwickeln.

 

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