Eine Komposition mit der Bezeichnung „Vexations“ – „Quälereien“ – zu betiteln, zeugt von einer provokanten Gesinnung – oder von Sinn für Humor. Tatsächlich ist es auch heute noch unklar, ob das Stück von Erik Satie ernst gemeint war oder einfach als musikalischer Spaß. Als letzteres dürften die beiden Musiker des Duos „aussenstimmen“, Karina Erhard (Flöte) und Georg Karger (Kontrabass), es wohl verstanden haben. Mit ihrem Konzert in der Reihe „Studio für neue Musik“ eröffneten sie die neue Konzertsaison des Münchner Tonkünstlerverbands und weihten den frisch renovierten Saal der Versicherungskammer Bayern mit neuer, deutlich verbesserter Akustik quasi ein.
Natürlich stand nicht nur Satie auf dem Programm – zum Glück. Denn nimmt man die Angabe des Komponisten ernst, das kurze, atonale Ausgangsstück 840 mal zu wiederholen, kommt man
auf eine Konzertlänge zwischen zwölf und 28 Stunden. Doch der Effekt, mit scheinbar endlosen Wiederholungen einer bestimmten Musik den Ausführenden und das Publikum zu quälen, wird recht schnell deutlich. Erhard und Karger hatten sich etliche Varianten zu Saties Komposition ausgedacht – mal legato oder staccato, mal mit Flatterzunge und tremolierender Bogenbewegung, oder im Flageolet etc. Sie trugen diese mit dem gebotenen Ernst vor und zählten für das Publikum mit. Was so ernsthaft begann, wurde im Laufe des Abends immer mehr zum Spaß. Denn die Abstände zwischen den vermeintlich ausgelassenen Variationen wurden immer größer und die musikalische Darbietung immer ungewöhnlicher. Bei der letzten Wiederholung – Nr. 1063 – gab es nichts mehr zu hören, sondern die Musik wurde gestisch in die Luft „gefochten“.
Weniger spektakulär, aber deswegen nicht weniger interessant, waren die anderen Kompositionen des Konzerts. „Luftige“ Klänge und eine einfach gehaltene, melancholisch-schöne Melodik zeichnete „Zbigi“ von Vitold Rek aus und kraftvolle, manchmal tänzerische, rhythmische Elemente das „Duo, quasi una sinfonietta“ von Jirí Bezdek. Etwas experimenteller waren die Stücke „ReBlowing & Bowing No. 11“ von Norbert R. Stammberger und das für die Händel-Festspiele komponierte „Sonification ... crippled“ von Michael Emanuel Bauer. Zitate aus Händels „Wassermusik“ waren dann auch die Grundlage dieses Werks, doch wie der Titel schon andeutet, wurden sie „verkrüppelt“. In einer Umgebung von lange gehaltenen, luftigen Klängen immer wieder überraschend aufleuchtend wurden sie durch rhythmische Schläge abrupt abgebrochen, erklangen wieder und verselbständigten sich auf eine Art und Weise, dass der Eindruck erweckt wurde, sie würden geradezu auf Abwege geraten; ein interessantes Stück, das trotz der historischen Bezüge nie brav wirkte. Auf Kontraste setzte Christoph Reiserer in seinem Stück „Internals“: mal massive Zugsignal-Klänge in der Flöte neben gezupften Einzelklängen auf dem Kontrabass, mal beinahe „dreckige“ Flötentöne, abgelöst von elegisch-zarten Whistles. In der romantischen Tradition gehalten war die Uraufführung „Rezitativ, Fughetta und Epilog“ von Holmer Becker, während das Stück mit dem witzigen schweizerdeutschen Titel „Shöngsy“ („es war schön“) von Ernst Reijseger durch jazzige Rhythmen und schwungvollen Elan überzeugte.
„Aeolian Elegy“ von Minas Borboudakis, das einzige Solo-Stück an diesem Abend, bescherte der Flötistin die Möglichkeit, auch alleine zu glänzen. Kraftvolle Pfeiftöne durch den Flötenschacht gejagt wechselten sich ab mit Trillermelodien, die sich in virtuose Höhen hinaufschwangen und zuletzt im Nichts verrauschten.