Das Jahr 2015 hat gerade für Deutschland doppelte Bedeutung: Vor siebzig Jahren ging der Zweite Weltkrieg mit seinen unvorstellbaren Schrecken zu Ende. Und eine Folge des anschließenden „Kalten Kriegs“ war die deutsch-deutsche Teilung – vor 25 Jahren beendet.
Bei vielen Feiern stand die Freude, wieder ein „ganzer“ deutscher Staat zu sein, im Vordergrund. Dass BRD und DDR ihre eigene Kulturentwicklung hatten, fiel da weniger ins Gewicht. Während im Westen Moderne und Avantgarde wichtig waren, galten im Osten die Direktiven des „Sozialistischen Realismus“. Insofern war es eine verdienstvolle Initiative des FTKB, in einem Benefizkonzert unter Schirmherrschaft des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann, zu Gunsten des „Archivs Frau und Musik“ (Vorstandsmitglied Vera Lasch schilderte die aktuell schwierige Situation) noch einmal einen Blick auf beide Seiten zu werfen - und dabei vor allem auch die Rolle der Komponistinnen hervorzuheben. Völlige Parität unter beiden Aspekten war dabei allerdingsnicht unbedingt angestrebt, zumal künstlerisch weder sinnvoll noch überhaupt möglich. Natürlich ist ein Bild der DDR-Musik ohne die Galionsfigur Hanns Eisler undenkbar – des unorthodoxen Schönberg-Schülers und Komponisten der DDR-Nationalhymne, dem trotzdem Konflikte mit der SED-Kulturbürokratie nicht erspart blieben. Acht sehr unterschiedliche Lieder wurden von Frieder Anders, Bariton (Hanno Lotz, Klavier) aggressiv oder lyrisch kompetent vorgetragen.
Dem gegenübergestellt wurden „Vier Wiegenlieder für Arbeitermütter“, unpathetisch gesungen von Annick Moerman, Sopran (Karin Heidrich, Klavier). Die Lieder machen deutlich, wie vielfältig Eislers Stil war, stets voller politischer Anklänge, doch nicht plakativ. Es folgte Ruth Zechlins Sonatine für Flöte und Klavier von 1955, souverän gespielt von Ute-Gabriela Schneppat, Flöte (Karin Heidrich, Klavier).
Dieses Werk belegte, dass auch in Ostberlin signifikante „absolute“ Musik entstand. Die jüdische Emigrantin Ruth Schonthal schrieb im US-Exil 1977 „Seven Songs of Love and Sorrow“. Zwei Lieder daraus beeindruckten durch das verhaltene Espressivo von Leah Frey-Rabine, Sopran (Gerhard Schroth, Klavier).
Wie sehr sich die DDR-Komponisten nach der „Wende“ von manch alten Zwängen freimachten, war am deutlichsten bei „… in Annäherung“ (1998) für Klavier des Leipzigers Bernd Franke zu erleben, vor allem im kreativen, freizügig-konzentrierten Umgang mit neuesten Klaviertechniken. Ulrich Murtfeld bot dies bravourös dar. Annette Degenhardts Variationen über „Es geht eine dunkle Wolk´ herein“ erwies sich als genuines Werk für Gitarre, fantasievoll gespielt von Heike Matthiesen.
Zur neuen Musik der Bundesrepublik gehörte auch die prägende Rolle nicht-deutscher KomponistInnen. Die in Bremen lehrende Koreanerin Younghi Pagh-Paan hat mit ihrem „Flammenzeichen“ für Stimme solo (von der Widmungsträgerin Dietburg Spohr mit großem Engagement verlebendigt) auf kompromisslos bewegende Art der Widerstandsbewegung der „Weißen Rose“ gedacht.
Der lange in Köln lebende Argentinier Mauricio Kagel präsentierte mit dem Klavierstück „MM 51“ ein beklemmendes Beispiel „Instrumentalen Theaters“, eine Stummfilmszene (Germaine Dulacs „La coquille et le clergyman“),, in der Musik und Aktion ineinander übergingen: eine klavierschauspielerische tour de force von Ulrich Murt-feld.
Das außerordentlich animierende Programm förderte einen nachhaltigen Überblick zum Komponieren nach 1945 in beiden deutschen Staaten, auch der Komponistinnen. Die mitwirkenden Mitglieder des FTKB traten selbstverständlich honorarfrei auf. Initiatorin des verdienstvollen Projekts war die Interpretin von „Flammenzeichen“ Dietburg Spohr, 1. Vorsitzende des Frankfurter Tonkünstlerbundes e.V. FAZ-Musikkritiker Gerhard R. Koch hatte die Einführung in Thema und Programm übernommen.
Die Spenden für den substanziellen, erfolgreichen, mit reichem Beifall bedachten Abend im Kundenzentrum der Frankfurter Sparkasse 1822, die das Konzert dankenswerterweise grosszügig unterstützte, gingen an das „Archiv Frau und Musik“.