Der Pianist Prof. Franz Massinger war viele Jahre 2. stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Bayerischer Tonkünstler und seit 2008 im Präsidium des Bayerischen Musikrates. Der bedeutende Interpret hatte bei Erik Then-Berg, Hugo Steurer und Arturo Benedetti Michelangeli studiert. Er trat als Solist mit großen Orchestern in der ganzen Welt auf, war Duo-Partner von Antonio Meneses, Salvatore Accardo, Liane Issakadse, Eduard Wulfsohn und Thomas Demenga. Im LVBT brachte er sein umfangreiches Wissen und seine vielfältigen künstlerischen und pädagogischen Erfahrungen mit großem Engagement ein. Als Professor für Klavier an der Münchner Musikhochschule widmete er sich intensiv und mit großem Erfolg dem künstlerischen Nachwuchs. Andreas Skouras, Pianist, Cembalist und Beisitzer im Vorstand des Münchner Tonkünstlerverbandes, erinnert sich an seinen Lehrer Franz Massinger.
„Ich spiel’ den ganzen Schubert!“ – dies war eine der seltenen Äußerungen Franz Massingers, die sich mit Freude und einem gewissen Stolz auf das eigene Tun bezog. Der Künstler Massinger, dem Eitelkeit völlig fremd war, fühlte sich dem anderen Franz gegenüber besonders verbunden, und es waren eben hauptsächlich jener Schubert, aber auch Wolfgang Amadeus Mozart, mit denen er in den letzten Jahren vor das Publikum trat.
„Musik, die besser ist, als man sie spielen kann“, so der große Artur Schnabel, war auch Franz Massingers Anliegen. Dabei verblüfft, dass ausgerechnet er, der wie Wenige große Musik als solche darzustellen vermochte und daher es nicht nötig hatte, mit Nischenrepertoire auf sich aufmerksam zu machen, Entlegenes in Hülle und Fülle, zumal in frühen Jahren spielte. Clementis „Didone abandonata“, die Mendelssohn-Sonaten, Regers Bach-Variationen, die Klavierkonzerte von Schönberg, Schnittke und Ullmann, um nur einige Werke zu nennen, erweckten seine Neugier, und es versteht sich von selbst, dass er sich ihrer mit seinem ganzen Können annahm.
Der Lehrer Massinger hatte ganz klare Vorlieben. Die Großen der (Klavier-)Kunst, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Chopin, wurden bevorzugt im Unterricht erarbeitet. Dabei hatte er ganz klare und rationale Herangehensweisen, um uns, seine Studenten, in ihre Werke einzuführen. Leeres Philosophieren war ihm völlig fremd. Stets wusste man, was man bei ihm lernte und konnte es in entsprechenden Werken weiterverwenden. Sein Unterricht bezog sich primär auf das Wesentliche in der Musik, „das Sprechende“, wie er es nannte und auf die pianistische Klangkultur. Da war die Nähe zu Arturo Benedetti Michelangeli, von dem Massinger über einen längeren Zeitraum Unterricht bekam, unverkennbar.
Es wäre aber falsch zu glauben, Massinger als Lehrer beschränke sich auf eine Handvoll Komponisten. Hatte man ihn einmal davon überzeugt, Bartók, Rachmaninoff oder Skrjabin vorspielen zu dürfen, konnte man über sein Gespür für die Besonderheit und das Wesen auch von Komponisten, die man mit ihm nicht zwingend assoziiert, nur staunen.
Wer das Privileg hatte, in der Unterrichtsstunde von ihm Beethoven oder Schumann zu hören, insbesondere Werke, die in den späteren Jahren von ihm nicht mehr öffentlich gespielt wurden und die er mit verblüffender Leichtigkeit aus dem Stehgreif vortrug, kann nur bedauern, dass dieser Künstler im öffentlichen Konzertleben nicht in der ihm gebührenden Weise präsent war.
Der Gewinn des Schumann-Wettbewerbes war der Start für die internationale Karriere. Große Orchester und bedeutende Musikzentren luden Massinger zum Konzertieren ein. Doch womöglich war seine Begabung deutlich größer als sein eigener Wunsch, diese der Musikwelt zu zeigen. Sein Anliegen war es, der Musik zu dienen. Für den äußeren Glanz von Karriere hatte er nichts übrig, obschon er freilich gerne öffentlich auftrat. Nach seinen CD-Aufnahmen wird man leider ebenso vergeblich suchen, auch wenn er über Jahrzehnte eine große Anzahl von Solo- und Kammermusikwerken für verschiedene Rundfunkanstalten einspielte.
Nun ist Franz Massinger völlig unerwartet während einer Konzertreise im fernen Japan am 10. März im Alter von 66 Jahren verstorben. Wir, die die Ehre und das Glück hatten, ein wenig die Seinen sein zu dürfen, wissen, dass eine Ära zu Ende gegangen ist. Doch steht eines fest: Sein Werk wird bleiben. Als Künstler, Lehrer und Mensch. Danke für alles, lieber Franz!