Was hat der deutsche Dichter Georg Trakl und seine Verse „Im Dunkel“ mit der flirrenden Sonne Spaniens zu tun? Was verbindet den Erneuerer der spanischen Kunstmusik Isaac Albéniz mit Weimar und Franz Liszt? Was hat schließlich die Besetzungsangabe „für Flöte und tiefes D“ für eine tiefere Bedeutung?
Diese und weitere Rätsel lösten sich für die animierten und zahlreichen Zuhörer beim vormittäglichen Konzert mit dem Motto „Spanische Klangwelten“ wie von selbst – spielerisch und amüsant! Die in Rosenheim wirkende Flötistin Alice Guinet, nicht nur Meisterin ihres Instruments, sondern auch mit allen Wassern eines effizienten Musikmanagements gewaschen, hat mit dem südostbayerischen Tonkünstlerverband eine neue Reihe begründet, die „Matinee im Künstlerhof“. Diesmal trat Alice Guinet mit zwei Kolleginnen auf. Vera Klug ist spezialisiert auf Quer-, Alt- und Bassflöte und Christina Schorn-Mancinelli präsentierte sich als Virtuosin auf der Gitarre. Zu dritt füllten die Musikerinnen mit vollen, ungemein obertonreichen Klängen den Saal. Der Begriff Klangwelten blieb nicht nur abstraktes Motto, sondern wurde zum realen Erlebnis. Isaac Albéniz verklärt in seiner „Suite Espanola“ die spanischen Landschaften, nachdem er sich zunächst Liszt als Lehrer erkoren und in Brüssel am Konservatorium wegen Unsittlichkeit für Furore gesorgt hatte...
Um sich das iberische Idiom zu eigen zu machen, muss man als Komponist nicht unbedingt ein stolzer Spanier sein: Der Niederländer Will Offermans, 1957 geboren, meditiert in „Luna y Sierra“ über die Seele dieses rätselvollen Landes. Dazu benötigt er eine Querflöte und das schon erwähnte „tiefe D“, von Vera Klug auf der Bassflöte, mal anheimelnd, mal bedrohlich oder melancholisch, aber immer selbstbewusst majestätisch geblasen. Auf diesen tiefen Dauerton legte Alice Guinet die silbrig klingenden Melismen der Querflöte.
Ein Höhepunkt des Programms wurde die Uraufführung eines gebürtigen Spaniers, Agustín Castilla-Ávila. Der junge Komponist lebt seit Jahren in Salzburg und hat sich als künstlerische Anlaufstelle Georg Trakl erwählt, auch dieser ein großer Sohn Salzburgs! Der Text Trakls ist ins instrumentale Geschehen eingebettet.
Die Ausführenden sprechen oder singen einzelne Wörter oder Satzteile ins Flötenmundstück. Die Sprachschicht wird ins musikalische Geflecht mit eingewoben. Größte Intensität durch minimale Lautstärke: Spinnwebzart wisperte die Gitarre, die zarten Flageoletts verschmolzen mit den gehauchten Flötentönen. Riesenbeifall für die drei virtuosen Damen, aber auch für den anwesenden Komponisten, der zuvor eine kleine, gut nachvollziehbare Einführung in sein Werk gegeben hatte.