Mit ausnahmslos überwältigenden Werken zeitgenössischer Musik konnten die beteiligten Komponisten*innen und Musiker*innen bei diesem Konzert in der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche im Hansaviertel die hohe Qualität der Mitglieder des DTKV-Berlin darstellen.
Das Programm: anspruchsvoll mit Klavierwerken, Liedern, Flötensoli sowie auch Kalimba mit Drumset und Electronic. Kein Wunsch nach brandneuen Klängen blieb offen. Rainer Rupperts Klavierstücke RWV 1087 sind vor allem im Bereich Rhythmik/Motivik anders als gewohnt gestaltet. Die rhythmische Notation ist graphisch, das heißt genaue Notenwerte gibt es nicht. Elemente/Motive des Stückes schweben gleichsam frei im Raum. Der Pianist Martin Schneuing konnte die immanente Struktur verdeutlichen und bewirkte hier, wie auch in weiteren Stücken, erstaunliche Klangeffekte. Der mehrfach preisgekrönte Witold-Szalonek-Schüler Rubbert leitet seit 1989 die Konzertreihe „Unerhörte Musik“ in Berlin. Susanne Stelzenbachs vier Lieder „Aus der Zeit 2020“ für Sopran und Klavier, frei vertont nach Texten von Richard und Ida Dehmel, beeindruckten durch die emotionale Ausdruckskraft, die von der Sopranistin Yvonne Friedli, begleitet von Martin Schneuing am Klavier, wirkungsvoll dargestellt wurde. Die Komponistin ist seit vielen Jahren künstlerische Leiterin des Neue Musik-Festivals „Pyramidale“ in Marzahn – Hellersdorf. Es folgte Samuel Tramins Klavierwerk „Five Another Farewells“. In den diesen Stücken baut sich ein Gerüst auf der Obertonreihe auf. Noch selten gehörte Klangkaskaden erfüllten den Raum.
Violeta Dinescu gehört zu den erfolgreichsten Komponistinnen. Sie kam, bereits mit Preisen in Rumänien ausgezeichnet, 1982 nach Deutschland, seit 1996 lehrt sie als Professorin für angewandte Komposition an der Universität Oldenburg. An diesem Abend präsentierte die Flötistin Isabelle Herold die Uraufführung des Solo-Werks „Wren“, ein Stück in fünf Teilen, das durch Texte Shakespears aus Richard III. inspiriert wurde: „Die Welt ist so schlecht geworden, dass die Zaunkönige Beute machen, wo die Adler nicht zu sitzen wagen.“ Isabelle Herold stellte die Solo-Komposition sehr expressiv und klangwirkend dar. Ein weiteres Werk von Samuel Tramin erklang für mittlere Stimme und Klavier: „Parkbank Buckow … und Brecht lesen“ (2007). Die „Buckower Elegien“ gehören zu den bekanntesten Gedichtsammlungen Bert Brechts. Die Gedichte sind 1953 entstanden, als Reaktion auf die Ereignisse des 17. Juni, dem Arbeiteraufstand, von der Sowjetarmee niedergeschlagen, und spiegeln Brechts sehr persönliche Sichtweise auf die politischen Verhältnisse in der damaligen DDR wider. Auch in diesen Liedern bewies die Sängerin Yvonne Friedli die starke Ausdruckskraft ihrer glasklaren und flexiblen Stimme. Ein weiteres Flöten-Solowerk „Yorishiro“ erklang, komponiert von Tilmann Dehnhard, selbst Flötist und Hochschullehrer in Berlin. Dehnhard beschreibt klanglich einen Ort, an dem sich Luftgeister aufhalten, deren Luftbewegung durch das Flötenspiel übertragen wird. Isabelle Herold überzeugte auch in diesem Werk mit ausdrucksvoller Klangsprache und neuesten Blastechniken.
Nach einem weiteren Klavierwerk von Stelzenbach „STATIONEN“ endete das umfangreiche Konzertprogramm mit dem sensationellen Auftritt Friedemann Graefs an der Kalimba und Derek Scherzer am Drumset. Zudem steuerte Graef in Klangregie elektronische Töne und Geräusche bei, die im Dialog mit dem Drumset ungeahnte Klänge hören ließen.
Ein Konzert der Superlative, das demnächst auf dem Youtube-Kanal des DTKV-Berlin zu hören und zu sehen ist.