Mit ihr transportieren wir als Lehrende unser Wissen, unsere Begeisterung und unsere Anliegen und Fragen zum/zur Lernenden. Mit der Stimme geben wir Worten Gewicht. In der Stimme schwingt der Unterton, die Stimmung, in der wir sprechen, mit. Unsere innere Haltung wird in ihr hörbar. Sie kennen das sicher aus Ihrem Alltag: der gleiche Satz in unterschiedlichen „Tönen“ gesprochen, wird zu einer gänzlich anderen Aussage. Wenn wir als Zuhörende nicht sicher sind, wie jemand etwas meint, verlassen wir uns intuitiv auf den Stimmklang und die zu sehende Körpersprache. Im Onlineunterricht sind Körpersprache und Blickkontakt aber deutlich eingeschränkt. Dadurch gewinnt die Stimme sogar noch mehr an Bedeutung und zwar in dem Maße, wie die anderen nonverbalen Kommunikationsanteile reduziert sind.
Wir können mit der Stimme dafür sorgen, dass das, was wir sagen, in vielerlei Hinsicht so klar wie möglich verstehbar wird. Das bezieht sich sowohl auf die sachlich, inhaltliche Ebene als auch auf die Emotionale.
Gerade jetzt, wo viele Kinder und Jugendliche durch die Corona-Situation deutlich belastet sind, können wir mit unserer Stimme ein sicheres Grundgefühl vermitteln. Und das ist neurologisch die Voraussetzung für entstehende Neugierde. Gleichzeitig wird das Unterrichten Online für viele Lehrende stimmlich zu einer Belastungsprobe. Wir versuchen mitunter, die gefühlt fehlende Resonanz durch höheren stimmlichen Einsatz zu kompensieren. Schauen wir etwas genauer.
Stimme, klingende Körpersprache
Wir als Sprechende sind mit ganzem Körper, ganzer Seele das Instrument. Klang entsteht im Körper und durch den Körper. Ohne Körper kein Klang – wie bei jedem anderen Instrument auch. So hat die Körperhaltung natürlich einen Einfluss auf die Klangfähigkeit und das Klangspektrum Ihres Instrumentes.
Gerade wenn wir aber viel vor dem Bildschirm sitzen, kann unsere Haltung darunter leiden. Irgendwann sinken wir dann doch zusammen, die Schultern hängen, der Kopf rutscht nach vorne. Fehlhaltungen im Instrument führen aber direkt zu verringerter Klangfähigkeit. Dabei spielen die Atmung, die gegenwärtige innere und äußere Haltung, die Spannkraft und vieles mehr eine Rolle.
Im Klang Ihrer Stimme spiegelt sich die Sprache Ihres Körpers also direkt wider. Seitens der Schüler*innen beinhaltet das die Möglichkeit, Sie trotz fehlender Körpersprache klarer einzuschätzen. Menschen versuchen, wenn man es neurologisch betrachtet, das Gegenüber möglichst eindeutig wahrzunehmen und seine Absichten lesen zu können. Das ist ein intuitiver Bewertungsvorgang, in dem der individuelle Erfahrungsraum eines Menschen seine/ihre Perspektive bestimmt. Anhand der gewonnenen Einschätzung positionieren wir uns, beurteilen wir, ob wir uns in Sicherheit oder Gefahr befinden. Danach richten wir unsere Haltung und unser Verhalten aus. Wenn uns dazu ein Wahrnehmungskanal fehlt, kompensiert ein vorhandener den fehlenden. Dadurch wird die Stimme in der Online Kommunikation zu einer wirkungsvollen Orientierungshilfe, ein Anker, der Klarheit und Sicherheit vermitteln kann.
Mit der Stimme drücken Sie Ihre Stimmungen aus, zum Beispiel Ihre Begeisterung, und das ist ansteckend! Sie wissen ja, Sie sind das Instrument. Ihre Stimmung, Ihre Haltung wird hörbar. Es lohnt sich, emotional beteiligt zu bleiben und in unterschiedlichen Klangfarben zu sprechen. Das regt auch die Aufmerksamkeit Ihrer Schüler/innen immer wieder an. Und alles, was mit emotionaler Beteiligung gelernt wird, bleibt leichter „hängen“.
Durch die Stimme strukturieren und vertiefen Sie das zu vermittelnde Wissen, gerade wenn unterstützende körpersprachliche Bewegungen wegfallen. Indem Sie die wesentlichen Worte deutlich artikulieren, strukturieren Sie Ihre Aussage und geben Ihren Worten Gewicht. Ein stimmiger Sprechrhythmus und ein angemessenes Tempo erleichtern zusätzlich die Verstehbarkeit. Gerade wenn es um neue Inhalte geht. Denn Neues muss neu im Gehirn „verschaltet“ werden, das braucht etwas Zeit. Gerade wenn die Aufmerksamkeit, wie so oft online, geteilt ist.
Stimme und ihre Wirkkraft
Machen Sie sich bitte kurz bewusst, wie relativ genau Sie die Stimmung Ihres Gegenübers am Klang der Stimme wahrnehmen können, gerade wenn Sie diese Person gut kennen. Warum eigentlich? Mit unserer Stimme versetzen wir die um uns herum liegenden Luftteilchen in Bewegung, eine Schallwelle entsteht. Diese erreicht unser Gegenüber und bringt dessen Körper in Schwingung, der schwingt also mit.
Unsere Fähigkeit, differenziert artikuliert und semantisch komplex miteinander zu kommunizieren ist, in Zeitspannen der Evolution gerechnet, extrem jung (es gibt unterschiedliche Erkenntnisse, 35.000 – 200 000 Jahre). Bis dahin verliefen „Gespräche“ über Laute und Geräusche. Und wer anhand dieser Laute und Geräusche relativ klar die Stimmung des Gegenübers oder der ganzen Gruppe erfassen und zuordnen konnte, hatte einen deutlichen evolutionären Vorteil. Das ist also tief verankertes, intuitives Wissen.
Motorischer Mitvollzug
Einen Aspekt dieses Vorgangs nennt man „Motorischer Mitvollzug“. Dabei vollziehen wir blitzschnell die Haltung, die der/die Sprechende einnimmt, nach. Das hilft uns, einschätzen zu können, in welcher Stimmung das Gegenüber sich gerade befindet. Klingt die Stimme eines Sprechenden angestrengt, wird es für den Zuhörenden ebenfalls anstrengend.
Eine physiologisch stimmiger Einsatz Ihres Instrumentes hat also auch auf das Wohlbefinden Ihrer Schüler einen positiven Einfluss. Für Sie als Sprechende/r bietet es in jedem Fall eine deutliche Entlastung.
Für uns Lehrende scheint es mir hilfreich, sich all dessen bewusst zu sein. Denn gerade jetzt, wo es wenig Routinen, wenig Sicherheit gibt, können wir mit der Stimme Klarheit und Sicherheit vermitteln. Können wir die Schüler*innen trotz zwischengeschalteter Technik erreichen. Können wir sie in dieser besonderen Zeit ein kleines Stück auffangen, Ihnen die Lernbereitschaft erleichtern. Gleichzeitig tun wir uns selber etwas Gutes.
Cornelia Fisch. Sängerin, Stimm- und Körpercoach Singkulturhaus und Sprechpraxis AlmaViva, Soest, DTKV Münster, Mitglied des BDG