Sind Klavierlieder gestrig? In einer urkomischen Szene des Films „Ödipussi“ malträtiert die dominante Mama des Loriotschen Anti-Helden ein Brahmslied. Scheinbar wird dieses Genre als muffiges Ritual bildungsbürgerlicher Spießerei lächerlich gemacht
Sind Klavierlieder gestrig? In einer urkomischen Szene des Films „Ödipussi“ malträtiert die dominante Mama des Loriotschen Anti-Helden ein Brahmslied. Scheinbar wird dieses Genre als muffiges Ritual bildungsbürgerlicher Spießerei lächerlich gemacht. Doch Loriot schüttet nie das Bad mit dem Kinde aus! Der Landshuter Komponist Alexander Stimmelmayr jedenfalls zeigt mit Bravour, dass das Klavierlied keine verstaubte Salonmusik ist, wenn es auch im heimischen Wohnzimmer realisiert werden kann: Im k.o.m. Musikverlag erschienen nun von ihm „Chinesische Lieder“ nach Texten von Klabund. Klabunds Dichtung, changierend zwischen Jugendstil und Expressionismus, evoziert „starke Gefühle“, ohne je ins Sentimentale zu gleiten. Stimmelmayr übersetzt den Stimmungsgehalt in klare, leuchtende Harmonien und eine schlüssige, schnörkellose Melodik. Es sind sieben Lieder für mittlere Singstimme und Klavier. Der Text wird ohne exzentrische Verfremdung verständlich deklamiert, ohne dass das Melos in seiner Ausdruckskraft reduziert wäre. Auch der Pianist wird sich freuen, wenn er einen griffigen, aber nicht abgegriffenen Part zu bewältigen hat, der ihn immer wieder zur liebevollen Ausgestaltung interessanter Passagen animiert. Ein Beispiel nur: Das Lied „Tanz auf der Wolke“ findet fast ausschließlich im höheren Violinschlüssel-Bereich statt. Aus der Überlagerung ineinander „verfilzter“ Triolen entsteht ein schwereloses Flirren, und nur der Höhepunkt wird durch Bassakkorde markiert: „Und Jubel wuchs wie Sterngesträuch im Volke, als ich zu meiner Yadeflöte sang.“