Die meisten Musikausübenden haben ein zentrales Problem: Räumlichkeiten zum ungestörten Üben, Proben, Unterrichten und für Aufführungen ohne Konflikte mit anderen Hausbewohnern. Dies zu finden – manchmal eine Art Quadratur des Kreises. In Frankfurt hat sich eine überaus günstige, ganz besondere Gelegenheit ergeben: das Haus der Chöre. Im Stadtteil Eschersheim gelegen und ruhig. Es dient seit zehn Jahren den vier großen Frankfurter Konzertchören als festes, akustisch vorzügliches Proben-Domizil. Ermöglicht wurde dies auch mit Hilfe der Binding-Kulturstiftung.
Natürlich lag es nahe, ein solch exzellentes Gebäude nicht nur als Arbeitszentrum zu nutzen, sondern auch als Aufführungsort. So ist es nun dem Frankfurter Tonkünstlerbund als einer für die Frankfurter Musikszene zentralen Institution gelungen, das Gebäude für gelegentliche, doch regelmäßige Veranstaltungen unterschiedlicher Art zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das sollen natürlich in erster Linie Konzerte des FTKB sein. Gedacht ist an Programme, wie sie so andernorts nicht zu finden sind: mit Rarem, Neuem, Ungebräuchlichem – kurzum alles andere als „Mainstream“.
Symptomatisch war denn auch das Eröffnungsprogramm mit gleich drei Uraufführungen des von Dietburg Spohr geleiteten Ensemble <belcanto>. Wobei die Werke geografisch, altersmäßig und stilistisch erheblich differierten. Das neueste und jüngste war von dem Schweden Ansgar Beste, der in seiner „Mascarade Nocturne“ für Stimmen und die für <belcanto> nicht untypische Perkussion tatsächlich eine imaginäre Masken-Szene komponierte: mit rhythmischen Anklängen an diverse Volksmusik, aber auch an Hildegard von Bingen, gleichzeitig aber seine Nähe zur Geräuschmusik nicht verleugnete.
Zwei Werke kamen aus Israel. Leon Schidlowsky, in Chile geboren, doch alternativ in Deutschland wie Israel sozialisiert, ist nicht nur Komponist, sondern auch Bildender Künstler, Zeichner und Maler. Daneben ein prominenter Exponent musikalischer „grafischer“ Partituren: Klang und Bild gehören für ihn zusammen. Gleichermaßen jedoch fasziniert ihn Sprache, als Mitteilung wie als Klang und Rhythmus. Ein Modell hierfür ist Paul Celans epochales Gedicht „Todesfuge“, in der die Erinnerung an den Holocaust ebenso beschworen wird wie die an altehrwürdig-„deutsche“ Kunst-Höhe (Bach). Schidlowsky hat sie vertont, für Stimmen und Schlagzeug. Musikalische Imitationstechnik und untilgbarer Schrecken ineinander verschlungen. Die israelische Komponistin Tsippi Fleischer, die zu ihrem siebzigsten Geburtstag im Frankfurter Archiv „Frau und Musik“ gefeiert wurde, kann nicht nur Arabisch, sondern ist über die nahöstlichen Konfliktsphären hinaus von der inneren Einheit des Kulturraums überzeugt. Ihr „Babylonisches Gebet an die Göttin der Nacht“ greift den archaischen Ritus auf, auch in der uralten Sprache, versetzt ihn in schwingende Bewegung; auch die der „Ocean Drums“, verstärkt noch durch die Einbindung der Sängerinnen in ein schwarzes, scherenschnittartiges Einheitsgewand. Ein ungewöhnlicher Abend in jeder Hinsicht. Auch deshalb, weil Ans-gar Beste und Tsippi Fleischer und, quasi stellvertretend, Schidlowskys Sohn zugegen waren und sich instruktiv zu den Werken äußerten.