„Am Anfang war das Wort“ und: „Das Wort ist Musik geworden“ möchte man etwas salopp den Evangelisten Johannes umdichten – könnten diese frei aus dem Zusammenhang assoziierten Zeilen doch tatsächlich so etwas wie eine Losung, einen Schlüssel zum Werk von Gernot Tschirwitz liefern. Nichts scheint so elementar und bestimmend für seine Musik zu sein wie Sprache und Lyrik. Sie gibt Form und Geste, Tonfall, Rhythmus und Klang.
Nur ein Werk an diesem Abend, das kontrapunktisch fein gewobene und von Klaus Lieb (Violine), Susanne Kolb (Klarinette) und dem Komponisten am Klavier sorgfältig ausgestaltete „Les Amants et la Mort – Pas de deux, Pas de trois pour Violon, Clarinette et Piano“ (UA) kommt ohne Text aus. Doch auch hier: ein literarischer Titel, und eine vom Komponisten formulierte, makaber poetische Illustration im ungewöhnlich üppig ausgestatteten Programmheft.
Neben vielgestaltig-kunstvollen Liedern nach Texten von Morgenstern, Kästner, Mörike und Dylan Thomas, gewohnt pointiert und ausdrucksstark musiziert von Regina J. Kleinhenz, Gigi Pfundmair (beide Sopran) und dem Komponisten am Klavier, bildeten besonders zwei weitere schwergewichtige Uraufführungen einprägsame Höhepunkte in dem an Herausforderungen nicht gerade armen Portraitkonzert: „Lament“, ein hochexpressives Melodram für Einspielband (Dylan Thomas’ brillante Rezitation seines eigenen Gedichtes) und Klavier, in dem Tschirwitz seine schillernde, gemäßigt moderne Tonsprache elektrisierend zuspitzt, und: „Traum und Umnachtung“, ein weiteres Melodram, diesmal für Sprecher und zwei Klaviere nach einer Prosadichtung von Georg Trakl, das den Zuhörer mit unwiderstehlicher Wucht in die fiebrig morbide Welt des Dichters entführt. Neben dem schon in der vierhändigen Wortfantasie „Es tilgen Feuerzungen“ (nach Gedichten von Ossip Mandelstam) bewundernswert feinnervig agierenden Klavierduo Michaela Schlotter und Rudolf Ramming, steigert sich hier auch Rezitator Thomas Streit lustvoll und aufregend in seinen dunklen Text.
Gernot Tschirwitz machte es sich, seinen Musikern und dem Publikum auch diesmal nicht leicht. Zum Glück! Musik solcher bohrend bewegenden Expressivität und Dichte kann man eben nur mit maximaler Sorgfalt und kompromisslosen Qualitätsstandards realisieren. Herzlichen Glückwunsch zum 70sten!