Im Juni diesen Jahres erscheint die CD „Chinese Dreams“ der Offenbacher Pianistin Lydia Maria Bader. Ein hoch interessantes Projekt, das den Brückenschlag zwischen chinesischer und westlicher Musik bildet. Die CD-Produktion wurde über ein Crowdfunding realisiert.
neue musikzeitung: Was hat dich dazu bewogen, eine CD mit Klavierwerken aus China oder thematischem Bezug zu China aufzunehmen?
Lydia Maria Bader: Ich finde diese chinesischen Klavierstücke wunderschön und wollte den Menschen in Deutschland meine Funde gerne vorstellen. Als ich begann, einige dieser Stücke auch in Deutschland in meine Programme als Zugabe einzubauen, gingen die Leute diese Melodien vor sich hinsingend aus dem Konzert! Der westliche Teil mit Stücken über China war für mich ein logischer Schritt. Ich bin und bleibe schließlich eine Deutsche, die über China erzählt.
nmz: Kannst du den grundsätzlichen Unterschied der chinesischen und westlich geprägten Klaviermusik kurz skizzieren?
Bader: Da muss ich etwas ausholen: Die klassische Musikausbildung begann in China früher als allgemein angenommen. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden die ersten Konservatorien. Die Professoren waren in Europa oder den USA ausgebildete chinesische Musiker oder russische und jüdische Musiker. Die klassische Musik war aber der breiten Bevölkerung noch nicht bekannt. Die Komponisten begannen zu experimentieren, westlichen Elemente (reiche Harmonik, Kontrapunkt, Formen) mit chinesischer Klangsprache (Melodien in pentatonischen Modi) zu verbinden, um den Chinesen den Zugang zu erleichtern und ein größeres Publikum zu erreichen.
Während der Kulturrevolution war die klassische Musik zunächst verboten. Die Komponisten hatten strenge Auflagen, um weiterhin für das Klavier komponieren zu dürfen. Ihre Werke mussten eine Form der nationalen Identität transportieren, z.B. traditionelle Volkslieder. Die Werke aus dieser Zeit sind also Transkriptionen von Volksliedern, Opernthemen oder Balletten.
nmz: Wie kommt es, dass Klaviermusik in China so populär ist?
Bader: Das Klavier bzw. seine Vorgänger kamen schon sehr früh nach China. 1601 brachte ein italienischer Missionar ein Clavichord zum damaligen Kaiser. Der spätere Kaiser Kangxi und seine Söhne nahmen Ende des 17. Jahrhunderts sogar selbst Cembalo-Unterricht. Außerhalb des Hofes fand man Klaviere ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als Missionare Kirchen und Schulen mit Klavieren ausstatteten. Anfang des 20. Jahrhundert galt es für Mädchen in den großen Städten zum guten Ton, Klavier spielen zu können. Als die Kulturrevolution begann, war das Klavier so populär, dass es einen großen Widerstand in der Bevölkerung gab, als die westlichen Instrumente verboten wurde. So kam es zu einer Lockerung unter den genannten Kompositions-Auflagen.
nmz: Was ist das Besondere an den chinesischen Musikstücken, die du für deine CD ausgewählt hast?
Bader: Diese Stücke haben eine Vorlage, die berühmter ist als die Klavierbearbeitung. Der „Kangding Love Song“ ist zum Beispiel das berühmteste Liebeslied des chinesischen Sprachraumes. Die Stücke auf meiner CD sind für die meisten Chinesen Melodien zum Mitsingen, die jedes Kind kennt.
nmz: Seit über 10 Jahren gastierst du in China und bist inzwischen fast in allen Regionen des Landes gewesen. Gibt es eine Begebenheit, die dir besonders im Gedächtnis haften geblieben ist?
Bader: Oh, viele. Die architektonisch unglaublichen Theater! Wann spielt man schon in einer gigantischen Muschel, die quasi senkrecht auf einer Insel steht? Der subtropische Süden mit seiner überbordenden Vegetation, die man schon riecht, wenn man aus dem Flugzeug steigt. Der kalte Norden mit im Winter gefrorenen Flüssen und Meeresbuchten. Das vielfältige Essen und die warmherzigen Menschen, die mich mit großer Gastfreundlichkeit empfangen. Die riesige Begeisterung, die mir rund um meine Konzerte entgegengebracht wird. Ich habe in China über die Jahre schon meinen Geburtstag, Ostern, Weihnachten und Silvester gefeiert. Da sind mittlerweile schon viele unvergessliche Momente entstanden.
nmz: Was ist dein chinesisches Lieblingsstück?
Bader: Schwierig, ein Einzelnes rauszunehmen. Die Stücke von Wang Jianzhong mag ich besonders: Das Stück „Glowing Red Morningstar Lilies“ war das erste chinesische Stück, das ich spielte. Seine leicht melancholische Melodie hat mich sofort gefangen genommen und mir Lust gemacht, noch viel mehr zu entdecken.
Die CD „Chinese Dreams“ ist bei ARS Produktion erschienen.