Der Schauplatz ist Landshut. Die herzogliche Residenzstadt mit ihren gotischen, barocken und klassizistischen Prachtbauten bietet ihren Besuchern nicht nur italienischen Flair, sondern seit 30 Jahren auch die „Landshuter Hofmusiktage“.
Im Jubiläumsjahr stand das Festival im Zeichen der Niederlande und damit der europäischen Musikgeschichte: der Niederländischen Vokalpolyphonie. Zuerst denkt man bei „Nederland“ eher an die großen Gemälde von Rembrandt oder Rubens, weniger an Musik. Es gab aber eine Zeit, in der die Niederlande die bedeutendste Musiknation Europas waren, denken wir z.B. an den Münchner Hofkapellmeister Orlando di Lasso, einer der renommiertesten Komponisten des 16. Jahrhunderts. Er war nicht nur häufig auf der Burg Trausnitz in Landshut zu Gast, sondern auch mit einer Landshuterin verheiratet. Heute finden wir wegweisende Interpreten aus den Niederlanden im Bereich der Alten Musik, etwa den Hammerklaviervirtuosen Ronald Brautigam oder einen Pionier der Historischen Aufführungspraxis wie Bob van Asperen, die beide bei den Landshuter Hofmusiktagen zu hören waren. Traditionell eröffnete das Vokalensemble „ad libitum“ musikalisch das Festival, in diesem Jahr mit der weltlichen Musik der Niederländer und zeigte mit seinen Melodien und Rhythmen die Beherrschung der Kunstmusik der Renaissance.
Der Generalkonsul des Königreiches der Niederlande und Schirmherr der Landshuter Hofmusiktage 2012 stellte die engen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Verbindungen zwischen den beiden Ländern in den Mittelpunkt und wies auf das umfangreiche Programm der beiden Festivalwochen hin. Zu später Stunde traf man sich in der Dominikanerkirche am Regierungsplatz, die mit ihrer klangvollen Akustik zur Musik aus der großen Zeit der niederländischen Vokalpolyphonie mit dem Hilliard Ensemble einlud. Im Zentrum des Konzerts stand die Messe „Media Vita“, die fast mystisch, intensiv und berührend die Schönheit ihres Gesangs erklingen ließ; man mochte am Ende der Darbietung kaum aufstehen und nach Hause gehen, sondern endlos weiterhören. Schwerpunkt des Festivals bildeten die Konzerte internationaler Interpreten für Historische Aufführungspraxis. Bob van Asperen führte mit seinem Cembalospiel zurück zu den Anfängen der Musik für Tasteninstrumente; Dorothee Oberlinger, eine der faszinierendsten Blockflötenspielerinnen unserer Zeit und der Cembalist Giampietro Rosato begeisterten durch eine Zeitreise mit der Blockflöte. Mit der Messe von Tournai, eine der frühesten mehrstimmigen Messkompositionen des ausgehenden Mittelalters, führte das Clemencic Consort aus Wien in die Musik für Archäologen. Sogar Glocken erklangen als Musikinstrumente – das Klangerlebnis war archaisch. Bürgerliche Musik aus Amsterdam gab es durch die Hamburger Ratsmusik, ein Ensemble bestehend aus acht Ratsmusikern, die bereits mit zwei Echo-Klassik-Auszeichnungen von sich reden machten, sowie von Musica ad Rhenum, die Barockmusik so stark und ausdrucksvoll präsentierten, dass das Konzert fast berauschend wirkte. Der junge Orlando di Lasso stand im Zentrum des Programms des Egidius Kwartets, dessen vier Sänger großes Glück und höchste Herausforderung im Singen sehen, was im großartigen Bauwerk der Heilig-Kreuz-Kirche zu Gehör kam. Überhaupt bieten die Landshuter Hofmusiktage eine Vielzahl von historischen und schönen Veranstaltungsstätten mit einmaligem Ambiente; Hofmusik in den verwinkelten Innenhöfen der Innenstadt, der Residenz, dem Rathausprunksaal, in gotischen Kirchen, in der bedeutenden Burg Trausnitz – insgesamt ein faszinierendes Kunstwerk der Baukunst, das die Geschichte der Stadt wie auf einem Laufsteg präsentiert. Mit den Liebes- und Naturliedern, die voller Poesie und Romantik waren, stellte sich das Ensemble Fortuna auf der Burg Trausnitz vor. Den Abschluss aller Konzerte bildete am Sonntag die Messe von Orlando di Lasso in der Dominikanerkirche unter der Leitung der Landshu-
ter Hofkapelle sowie das Konzert der Chorsolisten des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Rudolf Hillebrand, die ihre Freude am Ensemblegesang und am gemeinsamen Musizieren polyphoner A-Cappella-Literatur zeigten.
Das Programm umfasste neben Konzerten auch eine Ausstellung unter dem Titel „Com nu met sang“, in der niederländische Kupferstiche – wertvolle Original-Graphiken des 16. und 17. Jahrhunderts – mit Musikdarstellungen aus der Privatsammlung von Ton Koopman und aus der Staatlichen Graphischen Sammlung aus München zu sehen waren. Die 2010 erstmals eingeführten Workshops Alte Musik, die in Zusammenarbeit mit dem TKV Bayern stattfinden, erfreuen sich wachsender Beliebtheit.
Jeder, der dem Alltag entfliehen möchte, findet Open-Air-Veranstaltungen im Innenhof der Residenz, Commedia dell’Arte, die Pagan-Folk -
Band FAUN; außer Musik auch Vorträge, Kunstausstellungen, Genusstouren und Lesungen. Die Schüler der Stadt werden mit dem Projekt „Musiker kommen in die Schule“ in das Festival-Programm einbezogen – die gesamte Stadt Landshut war zwei Juliwochen lang berauscht von Musik und freut sich bereits heute auf die neuen Ideen des Festivalleiters, Dr. Franzpeter Messmer. Der Dank geht an die Unterstützer und Förderer, die einen wichtigen Beitrag leisten, dass die besten Ensembles Alter Musik aus ganz Europa und die renommiertesten Musiker eingeladen werden können und diese Zeit zu einem rauschenden Musikfest in Landshut werden lassen.