Augsburg. Was fällt 250 zeitgenössischen Komponisten aus aller Welt ein, wenn sie nach ihrer Meinung zu Beethoven gefragt werden? Die Antworten hatten musikalisch zu sein – Klavierstücke, kurz und knackig. Susanne Kessel, Initiatorin des Projekts „piano pieces for beethoven“, erhielt über 250 „Antworten“ seit 2013, 15 davon präsentierte die Bonner Pianistin jetzt im Rokokosaal. So unterschiedlich wie das Alter der Künstler zeigte sich ihre Ausdruckspalette. Dass es aber nicht (nur) analytisch ernst und streng zuging, dafür sorgte die pfiffig-smarte Moderation der Rheinländerin ebenso wie ihr brillantes, vielfach preisgekröntes Spiel.
Kessel leitete im Original mit dem ersten Satz der Mondschein-Sonate ein und ließ darauf Kai Schumachers (*1979) „A little moonlight music“ mit teils apokalyptischen Tastenkatarakten und verzerrten Mondschein-Partikeln folgen. Dagegen war „Nächtliches Gespräch: Mondschein und Sternenglanz“ des Koreaners Dohun Lee (*1974) ein schüchternes Zuckerl, wie auch die „Fantasie für Ludwig“ des Philippino Nino Tiro (*1980). Auch andere Beethoven-Themen wurden zitiert.
Oliver Drechsel (*1973) verlor sich in der bekannten „Elise“ in melancholischen Walzerspuren. Die einst als Sängerin mit Bernstein arbeitende Amerikanerin Adrienne Albert (*1941) machte aus dem zweiten Satz der siebten Sinfonie eine charismatische Marschvision. Der bei Augsburg wohnende Hans-Michael Rummler (*1946) wiederum verband in „Natur-Spuren“ kurz aufblitzende „Pastoral“-déjà-vus mit anspruchsvollen Reflektionen über Beethovens in die Moderne reichende Grenzgänge. York Höller (*1944), internationaler Star, beeindruckte mit einem bravourösen Panorama typischer Gesten des späten Beethoven-Stils: „Weit entfernt und doch so nah“, Peter Michael von der Nahmer (*1977) und seine Text rezitierende Frau schilderten musikalisch kreative Stationen, Suchmomente eines Komponisten („Where is the stillness?“). Es gab virtuose Hommagen von Jazzpianisten zweier Generationen: Mike Garson (*1945), der in David Bowies Band spielte, huldigt in „Variations“ gefühlvoll, auch anarchisch-jazzig dem Adagio aus der „Pathétique“; Benedikt Jahnel (*1980) führt die expressiven Repititionen des Finales der „Sturm“-Sonate weiter. Die Macht des Repetitiven zelebriert auch, mit asiatischen Anklängen, Peter Michael Hamel (*1947).
Lustig spielerisch ging’s öfter zur Sache. Markus Schimpp (*1964), gebürtiger Augsburger, machte aus dem skurril knappen Notenmaterial des Minischerzos der „Pastoral“-Sonate (op. 28) eine Slapstick-Nummer; Ursel Quint (*1958) braucht keine Minute, um in „Bist du taub?“ die Fünfte (tatata taa) als Morgenschreck-Wecker auftauchen zu lassen; Harald Muenz (*1969) präsentiert mit einem von hinten gespielten Beethoven-Stück verblüffende Töne – ebenso wie Georg Nussbaumer (*1963), der in einem bekannten Klavierschüler-Menuett Noten vor Schreck zu verschlucken scheint. Last but not least: Wie die meisterliche Pianistin Susanne Kessel im zehnfachen Tempo aus der schmachtenden „Elise“ ein fetziges Kultstück à la Glenn Gould zauberte, war zum Finale der Gipfel. Ein bestens unterhaltenes Publikum blieb zurück.