MIOD – hinter diesem Kürzel verbirgt sich eine außergewöhnliche Leistung, die es an dieser Stelle zu würdigen gilt. Es ist wohl ziemlich einmalig, dass eine Konzertreihe über 50 Jahre hinweg mit 410 Konzerten organisiert und mit Musizierlust zelebriert wird.
Ungeheures Engagement für das Musikleben
Solches ist gelungen im Münchner Norden im Pfarrzentrum Frieden Christi, der Olympiakirche. Nach dem Ende der Olympischen Spiele wurde das Olympiadorf von der Bevölkerung übernommen mit allen sozialen und gesellschaftlichen Einrichtungen, so auch das ökumenische Kirchenzentrum. Ein junger Organist namens Winfried Englhardt begann seinen Dienst zusammen mit dem Olympiapfarrer Heinz Summerer: Ein Dream-Team, wie sich bald herausstellte, da beide Persönlichkeiten eine positive und aktive Einstellung zur Musik hatten.
Ab dieser Zeit fanden 7 bis 8 mal im Jahr Konzerte statt, mal im Kirchenraum, mal im Saal, je nach Programm. Die Zusammensetzung der Programme war einzigartig in ihrer Vielfalt: von Gregorianik, über klassische Kammermusik, Hardrock bis zu Faschingsveranstaltungen in vielerlei Gestalt war alles vertreten.
Viele in der modernen, fast fabrikmäßig gestalteten Olympiakirche auftretende Musiker wurden Stammgäste ob der wunderbaren Atmosphäre, geschaffen von einem über die Jahrzehnte treuen und begeisterungsfähigen Publikum. Jedes Konzert war perfekt durchdacht, vorbereitet und organisiert. Als Musiker fühlte man sich herzlich willkommen und wunderbar betreut.
Viele Konzerte wurden von Winfried Englhardt selbst und ab Ende 1970er-Jahre auch zusammen mit seiner Partnerin und Ehefrau Elisabeth Sperer bestritten. Immer wurden auch noch lebende Komponisten ins Programm mit einbezogen und so die Spannung zwischen Moderne und Tradition herausgestellt. Dies alles leistete Winfried Englhardt zusätzlich zu seinem Hauptberuf als Musiklehrer am Lion-Feuchtwanger-Gymnasium, den er genauso gewissenhaft wie auch begeisternd gestaltete. Er und seine Frau Elisabeth arbeiten auch aktiv im Tonkünstlerverband München mit, sie betreuen über Jahrzehnte hinweg die Schülerkonzerte, mit denen sie auch ihre Schüler fördern.
Dieses ungeheure Engagement im Zeichen des Musiklebens gipfelte jetzt am 16. Juli 2023 in einem sensationellen Jubiläumskonzert in der Olympiakirche. Hier konnte Winfried Englhardt sein in 50 Jahren gesammeltes Organisationstalent in der schönsten Form ausspielen. 50 Mitwirkende aus ganz unterschiedlichen Genres machten das dreistündige Konzert zu einem Klangfest. Festlich eröffnet wurde das Programm mit den Fanfarenklängen des Eingangschors der Ratswahlkantate BWV 29 „Wir danken dir…“, arrangiert für Violine und Orgel von Willibald Klafke.
Die Kirchenzentrumseigene Rhythmusgruppe „Olympic Drums“ unter der Leitung von Eberhard Adamzig nahm die Zuhörer mit großem Engagement und Taktsicherheit in die Welt des oft sehr komplexen Rhythmus mit und übergaben dann an das Duo Aquilar (Vater und Sohn singend an der Gitarre), die mit mitreißenden lateinamerikanischen Liedern begeisterten.
Der junge „Kammerchor Lucente“ unter der Leitung von Inga Brüseke überraschte mit nordischen Weisen eines finnischen Komponisten und Sätzen des englischen Tonsetzers Ralph V. Williams, beides zu Shakespeare-Texten. Die wunderbar sauber intonierten Gesänge mit ihrer raffinierten Harmonik standen noch im Raum als man sich unvermittelt in die Welt der Drehorgel versetzt fand. Ein kleines und ein größeres Exemplar dieser Instrumentengruppe, gespielt von Elisabeth Wolf und Winfried Klein, verzauberten die Zuhörer mit Werken von Mozart, Haydn, dem Traditional „Amazing grace“ und gipfelten in einem eigenen Arrangement von Winfried Klein mit den ineinander verwobenen Themen und Melodien der „d-moll-Toccata“ von Bach und Gershwins „Summertime“. Das Duo-Ehepaar Billig-Klafke an Flöte und Violine steuerte zum Programm zwei Sätze von J.B. de Boismortier, Variationen von Jenö Takács und zusammen mit Elisabeth Sperer zwei liebenswerte Miniaturen von Cesar Cui bei.
Dem gegenüber hörte man mit dem Ensemble Super Plastik (Philipp Staudt: Trompete, Valentin Preißler: Saxophon, Christian Schantz: Kontrabass und Julius Hamberger: Modularsynthesizer) faszinierende Klangwolken aber auch super Free-Jazz-Nummern, die Lust auf mehr machten. Nicht zuletzt brillierte Elisabeth Sperer an der Orgel mit einer Uraufführung des ihr gewidmeten Neuwerks der anwesenden Komponistin Dorothea Hofmann und zusammen mit ihrem Mann Winfried Englhardt bei einem virtuosen Ausschnitt aus Jean Langlais’ „Double fantaisie“ zu vier Händen. Ein Markenzeichen von Winfried Englhardt durfte natürlich nicht fehlen: die Einbeziehung des Publikums ins aktive gemeinsame Musizieren in Form von thematisch passenden Liedern und Kanons, auch ganz im Sinne des leider schon 2013 verstorbenen Olympiapfarrers Heinz Summerer, der das Kanon-Singen liebte. Anhand des Berichts lässt sich erahnen, wie groß die Bandbreite in den letzten 50 Jahren war, mit der das Kirchenzentrum Frieden Christi von Winfried Englhardt zum Klingen gebracht wurde. Im Namen aller Musikliebhaber, im wahrsten Sinne des Wortes, ein ganz großes Danke.
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