Seit April des vorigen Jahres herrscht Unruhe im Musikschulbereich. Ein Menetekel namens „Herrenberg“ steht drohend an der Wand und führt bei vielen Betroffenen zu einem Dauerzustand quälender Unruhe. Das Dauergestreite der Verbände und ihrer Protagonisten auf allen möglichen Kanälen vom Printmedium bis zu den sozialen Medien ist zusätzlich nervenaufreibend, denn man selbst ist ja mittendrin: das Ergebnis wird das Schicksal aller nebenbei auch an Musikschulen lehrenden Musikerinnen und Musiker betreffen. Erstaunlich ist die Härte der Auseinandersetzung, die Verleumdungen und Unterstellungen, die vor allem Martin Behm als Urheber der DTKV-Petition in den sozialen Medien entgegengeschlagen sind. Wer sich dafür interessiert, kann das alles auf den Facebook-Accounts „Musikschullehrer“ und „Berliner Musikschullehrer“ sowie in den Zuschriften und Kommentaren auf der Website der DTKV-Petition nachlesen.

Out of Eden, das Schüler-Ensemble der Musikwerkstatt Eden, vor dem Auftritt in der LMA Rheinsberg. Foto: privat
Unsere Forderung geht darüber hinaus
Die Stellungnahme des DTKV-Landesverbandes Brandenburg ist sachlich und informativ gehalten:
Wir sind verwundert und irritiert, mit welcher Schärfe diese Petition angegriffen wird, insbesondere von Verbänden, die im Sinne ihrer Mitglieder eigentlich ein großes Interesse an einer politischen Lösung haben müssten. Freiberuflich tätige Lehrkräfte und Dozenten sind eine wichtige Säule im Bildungssystem Deutschlands. Wir befürworten die Erhöhung der Festanstellungsquote, insbesondere an öffentlichen Einrichtungen. Keineswegs stellen sich die Initiatoren und Unterstützer dieser Petition gegen die Schaffung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse.
Des Weiteren ist die Aussage falsch, die Petition gefährde den Prozess der begonnenen Umwandlung von Honorarverträgen in Anstellungsverhältnisse an vielen Musikschulen in Deutschland. Zuletzt weisen wir den Vorwurf entschieden zurück, die Petition versuche Scheinselbstständigkeit zu legalisieren im Sinne von persönlichen Interessen von Unternehmerinnen und Unternehmern. Es gibt zahlreiche Konstellationen von Lehrkräften, Institutionen und Bildungsbereichen, wo die Festanstellung keine befriedigende Lösung darstellt. Es muss daher weiterhin die Möglichkeit geben, im Auftrag Dritter selbständige Dienstleistungen in Form von Unterricht durchzuführen. Die Instrumentalisierung des ‚Herrenberg-Urteils‘ zur Beseitigung dieser eben genannten Möglichkeit lehnen wir entschieden ab. Als DTKV Landesverband, der sich sehr früh und entschieden für den Erhalt der Selbstständigkeit an Bildungseinrichtungen eingesetzt und bereits erhebliche Erfolge erzielt hat, war es folgerichtig, eine Petition im Sinne unserer Positionierung zu veröffentlichen.
In den diversen Arbeitsgruppen im BMAS wurde deutlich, es braucht eine gesetzliche Lösung, um großen finanziellen Schaden bei öffentlichen und privaten Bildungsanbietern abzuwenden und einen Zusammenbruch weiter Teile des Bildungssystems zu verhindern. Hier sind sich nahezu alle Verbände mit der Politik einig.
Unsere Forderung geht jedoch insofern darüber hinaus, dass wir auch dauerhaft das Recht auf selbstständige Dienstleistungen im Bildungsbereich an Einrichtungen sichern wollen.
Für einen Teil der Lehrkräfte in Deutschland ist dieses Recht für die Ausübung ihres Berufs unverzichtbar. Diese Erkenntnis hat sich glücklicherweise in allen Parteien der politischen Mitte durchgesetzt. Trotzdem müssen wir, insbesondere im Wahlkampf, diese Forderung mit Nachdruck vertreten. Die Petition 174929 sollten alle Verbände und Anbieter von Bildungsleistungen, die sich für den Erhalt der selbstständigen Tätigkeit einsetzen, als Willensbekundung verstehen, eine Lösung für diese Problematik zu erkämpfen. Es ist daher zweitrangig, ob bei jeder Formulierung Konsens besteht. Vielmehr soll ein politischer Prozess angestoßen werden, bei welchem dann die individuellen Bedürfnisse jeder Branche thematisiert werden müssen. Der Text der Petition ist kein Gesetzestext, sondern lediglich eine Aufforderung an den Deutschen Bundestag, sich dieser Problematik anzunehmen … Als Deutscher Tonkünstler Verband liegt uns natürlich in erster Linie die musikalische Bildung am Herzen.
In dem Papier steht doch nur klipp und klar, was passieren wird, wenn die Strategie von ver.di in Zusammenarbeit mit der DRV sich durchsetzen wird, dann drohen nämlich Schulschließungen und Entlassungen. Es geht doch schon schleichend los: hier wird ein Honorarvertrag nicht verlängert, weil sich das „pädagogische Konzept“ über Nacht geändert hat, da läuft ein Honorarvertrag aus, weil die Angebote der Zweigstelle reduziert werden, dort wird die Kooperation mit einer Kita oder Grundschule beendet.
Ja, liebe Leserinnen und Leser, wie sollen die Verantwortlichen denn sonst auch reagieren? Oder glaubt jemand, dass die über 16.000 freiberuflichen Honorarkräfte an VDM-Schulen und die zigtausend Honorarkräfte an anderen Schultypen in ein paar Monaten festangestellt sein werden von den notleidenden Kommunen, die gerade Schwimmbäder und Bibliotheken schließen, oder von einer Stadt wie Berlin, die drei Milliarden pro Jahr einsparen muss und aus purer Not den Rotstift ganz dick bei der Kultur ansetzt? Ich glaube zwar an den Weihnachtsmann, aber daran nicht. Es gibt nur einen Weg – und das ist der duale Weg, den auch unser Präsident seit Monaten einfordert. Leute, seid solidarisch und seid klug. Das von der DRV angestrebte Festanstellungs-Modell wird sehr viele Verlierer und sehr wenige Gewinner produzieren. Unser gemeinsames Ziel aber muss sein, dass der Kuchen wie bisher für alle reicht.
Martin Behm schreibt selbst dazu:
Hierzu noch ein paar persönliche Worte von mir. Ich habe keine Angst vor Angriffen auf meine Haltung zu verschiedenen Problemen und kann auch mit den persönlichen, teilweise sehr heftigen Angriffen auf meine Person umgehen. Ich freue mich immer über Anregungen und Diskussionen, insbesondere im persönlichen Austausch. Jeder weiß, ich bin sehr gut und unkompliziert erreichbar. Für meine Überzeugungen kämpfe ich allerdings unerbittlich und scheue keinerlei verbale Konfrontation. Ich habe mich um das Amt des Vizepräsidenten im DTKV beworben, weil ich etwas bewegen will.
Ich kann abschließend nur noch einmal dringend darum bitten, unabhängig von der einen oder anderen Formulierung, die einem nicht passt, das Große und Ganze in den Blick zu nehmen. Wenn ein Teil unserer Mitglieder die selbstständige Tätigkeit wünscht, ja sogar dringend benötigt, ist es die Aufgabe unseres Verbandes, diese rechtsicher möglich zu machen.Wenn das geschafft ist, sind wir aber noch lange nicht am Ziel. Wir benötigen deutlich bessere Rahmenbedingungen für unsere Instrumental- und Gesangspädagog*innen. Schaut Euch bitte an, mit welchen Forderungen ver.di-Musik in die Tarifverhandlungen geht. Dann sollte jedem klar sein, wie katastrophal die Konditionen aktuell sind. Mit diesen Verträgen kann man nur noch sehr begrenzt seiner künstlerischen Tätigkeit nachgehen.
Hier muss deutlich nachgebessert werden. Die Honorare und Löhne grundsätzlich zu verbessern ist die Aufgabe, die schon lange ansteht, die aber niemand wirklich in Angriff genommen hat. Der DTKV-Bund wird es sich zur Aufgabe machen, hier ein Umdenken einzuleiten und strukturelle Änderungen herbeizuführen. Das neu gewählte Präsidium wird sich intensiv auch mit diesem Thema befassen. Aber ich möchte hier nicht zu weit vorgreifen, wollte nur verdeutlichen, um wie viel mehr es uns als DTKV geht und gehen muss und dass wir bereits weiter denken.
Link zur Petition:
https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2024/_11/_15/Petition_174929.html
- Share by mail
Share on