Wer beginnt, darüber nachzudenken, ob es überhaupt Unterschiede in der klanglichen Wirkung bestimmter Transpositionsformen der Dur- und Mollskalen gibt und wenn ja, wie diese in Worte zu fassen seien, sieht sich häufig von einer Vielzahl unterschiedlicher Meinungen, subjektiver Anmutungen und traditioneller On-dits umschwirrt, bei denen es schwerfällt, die arbiträre Spreu vom substanziellen Weizen zu trennen. Hier Grund in die Debatte zu bringen und das zu klären, was es in dieser Angelegenheit objektiv zu klären gibt, war die Aufgabe dieses Workshops. Mit dem Hannoverschen Klavierstimmer, Pianisten und Organisten Martin Rembeck stand dafür die ideale Auskunftsperson als Dozent und Leiter der Veranstaltung bereit.
Rembeck konnte an die Erfahrungen anknüpfen, die die TeilnehmerInnen des vorjährigen Workshops gesammelt hatten, bei dem es darum gegangen war, die mitteltönige Stimmung zu verstehen und an geeigneten Instrumenten selbst zu legen. Diesmal standen dann die ungleichschwebenden Temperaturen des 18. Jahrhunderts im Mittelpunkt, die nach ihren Autoren als Neidhardt-, Valotti- oder Kirnbergerstimmungen bezeichnet werden.
Dabei blieb es nicht bei der Theorie. Vielmehr konnte auf die Orgeln der Neustädter Hof- und Stadtkirche in Hannover zugegriffen werden. Von denen ist eine mitteltönig gestimmt und die andere nach der Neidhardtschen Art. Von frappierender Wirkung war es etwa, auf der letzteren das bekannte Variationenthema aus der A-Dur-Klaviersonate KV 331 von Mozart zu vernehmen mit ihrer reichlich weiten großen Terz am Anfang. Nicht minder eindrücklich die klanglichen Ergebnisse der Transposition eines f-Moll-Choralvorspiels von Bach in andere Molltonarten. Was Tonartencharakteristik zu dieser Zeit bedeutet hat, bedurfte nach solchen Demonstrationen nicht mehr vieler Worte. Auch nicht, was die Musik und das Hörbewusstsein der MusikerInnen mit der Durchsetzung der gleichstufigen Temperatur im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts verloren hat.
Abgerundet wurde der Workshop durch eine Fülle von Zitaten aus historischen Quellen und Literaturhinweisen, die Rembeck zusammengetragen hatte und den TeilnhemerInnen erläuterte. Von denen wurden die entsprechenden Papers dankbar mit nach Hause genommen. Denn – soviel war auch deutlich geworden – die Frage der Tonartencharakteristik stellt sich auch je nach dem Instrument, um das es geht, unterschiedlich dar. Ein eigenes Nachforschen und -denken zu dem Thema bleibt also nach wie vor unerlässlich.