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Urheberrechtsschutz im digitalen Medienzeitalter

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Vorträge und Diskussionen bei der 34. D-A-CH-Tagung in Bayern
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Auf Schloss Offenberg bei Deggendorf (Niederbayern) fand vom 10. bis 12. Oktober die 34. Deutsch-Österreichisch-Schweizerische Studientagung (D-A-CH-Tagung) statt, womit die langjährige Tradition musikalischer Zusammenarbeit zwischen der „Arbeitsgemeinschaft der Musikerzieher Österreichs“ (AGMÖ), dem „Schweizerischen Musikpädagogischen Verband“ (SMPV) und dem „Deutschen Tonkünstlerverband“ (DTKV) erfolgreich fortgesetzt wurde. Zentrales Thema der Tagung, bei der namhafte Experten der genannten Länder referierten und Erfahrungen austauschten, war „Der Urheberrechtsschutz im digitalen Medienzeitalter – Konsequenzen für Komponisten, Interpreten und Musikpädagogen“. Zielgruppen der Tagung waren Komponisten, Interpreten, Musikerzieher, Musikverleger und Juristen, also Berufsgruppen, die immer wieder mit Fragen nach dem Urheberrechtsschutz konfrontiert sind. Für die einen geht es darum, die eigenen Rechte zu schützen, für die anderen darum, fremde Rechte nicht zu verletzen, wobei die Thematik dadurch verkompliziert wird, dass – verstärkt im digitalen Internet-Zeitalter nicht nur nationale Fragen, sondern auch europäisches und internationales Recht eine Rolle spielen.

Nach den Grußworten der jeweiligen Präsidenten, Hofrat Dr. Wolf Peschl (AGMÖ) und Dr. Billeter (SMPV), des Vorsitzenden des Landesverbandes Bayern und ehemaligen Musikreferenten im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, MR a.D., Dr. Dirk Hewig und des Bürgermeisters Walter der zugehörigen Gemeinde Offenberg befasste sich Prof. Dr. Inka Stampfl (DTKV) nach ihren Grußworten in ihrem Einführungsvortrag mit der Komplexität, dem Facettenreichtum und der Unerschöpflichkeit der Thematik anhand ausgewählter Beispiele.

Den Reigen der Arbeitsreferate eröffnete der Bundestagsabgeordnete Steffen Kampeter (CDU). In einer kurzen Einführung in die Geschichte des Urheberrechtsschutzes informierte Kampeter über die Entstehung und Anliegen der Gesetzesnovellen unter dem Thema „Die Bedeutung des geistigen Eigentums im 21. Jahrhundert“. Im Anschluss daran referierte Prof. Dr. Norbert Flechsig (Syndicus des SWR, Stuttgart) über „Informationsfreiheit versus Urheberrecht – Der Urheber im Spannungsfeld der Verwertung“. Die sehr detaillierten Ausführungen bezogen sich auf sämtliche Paragraphen, die für das neue Urheber- und Urhebervertragsrecht relevant sind. Flechsig gab auch zu bedenken, dass das Gesetz zwar seit 13.09.2003 in Kraft sei, dass aber die Umsetzung noch viele Schwierigkeiten bereite.

Sehr breit gefächert war die Themenvielfalt der folgenden Tage: „Die kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten im digitalen Medienzeitalter. Das Beispiel GEMA“ (Dr. Jürgen Brandhorst und Alexander Wolf, GEMA-Generaldirektion München) befasste sich mit den seit 2001 bestehenden Online-Vergütungen. Im Vortrag „Vom Wert der Kopie – oder: Wieviel Kultur braucht die Kunst?“ (Justus Bernau, Schweizer Radio DRS) erlebten die Teilnehmer philosophisch-ästhetische Ausführunpgen über das Kunstwerk an sich, das heißt über den Wert einer geistigen Schöpfung. Bernau entwickelte in seinem Vortrag drei Stufen einer Werkschöpfung, nämlich als erste Stufe die geistige Leistung eines Künstlers, als zweite Stufe die „Niederschrift“ beziehungsweise Original des Künstlers und als dritte Stufe alle folgenden Ausgaben oder Veröffentlichungen in den verschiedensten Formen. Zum Nachdenken regte auch Bernaus Theorie an, dass die verschiedenartigsten Nutzungsinteressen der Kopien das eigentlich Kunstwerk teilweise verdeckten. „Die Folgen der europäischen Urheberrechts-Richtlinie für musikalische Nutzungen in der Schule“ (Dr. Gernot Graninger, AKM Wien) versetzten die Teilnehmer in wahres Erstaunen: Im Nachbarland Austria erlässt der Staat Gesetze, die den Lehrer verpflichten, im Bereich des Schulunterrichts Urheberabgaben zu zahlen, stellt für die Schulträger aber kein Budget zur Verfügung, um diese Abgaben leisten zu können. „Urheberrecht und Unordnung. MP3 und die digitale Revolution“ (Mag. Julia Sokol, Wien) war wohl das provokativste Referat einer angehenden, von Temperament sprühenden Anwältin: Nachdrücklich forderte sie, dass ein Umdenken an der Zeit sei. Musik im Internet solle frei sein für alle. Sie betrachtete die Problematik auch aus der Sicht der Musikindustrie, die durch den Verlust der perfekten Kontrolle ihre Machtposition schwinden sehe und damit den Musikmarkt nicht mehr beherrschen könne. Trotz aller Freiheiten bei Tauschbörsen und dergleichen müsse jedoch der Respekt vor dem geistigen Eigentum des Künstlers gewahrt werden. Der Vortrag über die „Probleme der Editoren und Benutzer von Urtextausgaben“ (Dr. Bernhard Billeter, Musikhochschule Zürich) machte deutlich, dass die so genannte erste Stufe der Kopie eines Kunstwerkes, nämlich die Erstellung einer Urtextausgabe nach einer Handschrift, bereits größte Probleme mit sich bringe, da jede Handschrift oft verschiedenartigste Lesemöglichkeiten in sich berge und somit die Authentizität oft nicht gewahrt werden könne. „Sampling – Kunst oder Ideenklau?“ (Poto Wegener, SUISA Zürich), eine perfekte audiovisuelle Präsentation, bewies den Teilnehmern um so deutlicher, wie schwierig es ist, Originale überhaupt aufzufinden oder wiederzuerkennen, um dann anschließend die anfallenden Abgaben auf diverse Interpreten und Produzenten zu verteilen. Bei einem Beispiel des Referenten handelte es sich schlichtweg um 66 Urheber und 38 Produzenten! Der abschließende Vortrag von Prof. Dr. Michael Walter (Wien) über „Die freien Werknutzungen im Bereich der Musik nach Umsetzung der Inforichtlinien der EU“ schloss den Kreis der Vorträge. Walter ging ausführlich auf das Werk als Original sowie dessen Nutzung in der Bearbeitung ein und erläuterte vielseitige juristische Zusammenhänge.

Außerhalb der arbeitsintensiven und oft heftigst diskutierten Vorträge gab es jedoch auch die Umsetzung in praktische Bereiche. So war es der Oberbürgermeisterin der Stadt Deggendorf, Frau Anna Eder, zu verdanken, dass sie nach ihrem Empfang im Technologiezentrum Deggendorf einlud, die Arbeit der dort ansässigen „Music Support Group“ aus dem Munde ihres Leiters, Herrn Fellermeier, hautnah zu erfahren. Auch die Musik kam nicht zu kurz: Zum Abschluss des Kongresses führte Dr. Adelheid Krause-Pichler (Querflöte), begleitet von Dr. Billeter, Werke aus dem Barock und der Frühklassik auf. Dr. Manfred Elsberger (Bass-Bariton), begleitet von Prof. Dr. Inka Stampfl, setzte die edlen Gläser in den Vitrinen des Schlosses fast zum Zerbersten in Schwingung mit dem „Gebet des Zacharias“ aus „Nabucco“.

Ein ganz herzlicher Dank gebührt neben den Referenten Frau Dorothee Göbel und ihrer Assistentin, Michaela Reiner, für die Organisation der Veranstaltung in Zusammenarbeit mit Frau Prof. Dr. Inka Stampfl und Dr. Rainer Buchmüller (Vizepräsident des Bayerischen Kulturrates), der sein herrlich renoviertes Schloss (gleichzeitig Sitz der Europäischen Akademie für Kultur- und Gesellschaftsfragen) als Tagungsstätte zur Verfügung gestellt hat. Damit war ein Ambiente geschaffen, das neben der Sachkompetenz und dem Engagement der Teilnehmer wesentlich zum Gelingen der Tagung beigetragen hat. Die ausführlichen Referate werden in Druckform veröffentlicht, vorausgesetzt, dass sich potentielle Sponsoren, die hiermit gesucht werden (Adresse s.u.), der Bund und das Land Bayern an der Finanzierung beteiligen.

Die 35. D-A-CH-Tagung findet am ersten Oktoberwochenende 2004 in Atzenbruck (St. Pölten) mit dem Thema: „VolXmusik“ statt. Im Übrigen ist eine ausführliche Dokumentation aller bisher stattgefundenen D-A-CH-Tagungen in dem Buch „Musikberuf - Berufsverband – Kulturpolitik“ von Prof. Dr. Inka Stampfl nachzulesen. Zu bestellen ist das Buch über die Bundesgeschäftsstelle des DTKV, Bavariaring 14, 80335 München.

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