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Vergessen und wiederentdeckt

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Der Komponist und Pädagoge Wolfgang Jacobi (1894–1972)
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Er gilt als bayerischer Komponist, obwohl er in Bergen auf Rügen geboren wurde. Doch München hatte er zu seiner Wahlheimat erklärt und hier die meiste Zeit seines Lebens verbracht. Auch hinterließ er in der Isarmetropole die tiefsten Spuren seines künstlerisch-schöpferischen wie organisatorischen Wirkens – sowohl als Komponist und Pädagoge als auch mit seinem ehrenamtlichen Engagement. Alle Aktivitäten kreisten um die Musik, Jacobis großer Leidenschaft.

Erstmals veranstaltet der Deutsche Tonkünstlerverband in diesem Jahr den Internationalen Wolfgang-Jacobi-Wettbewerb für Kammermusik der Moderne. Vom 17. bis 19. November sind Studentinnen und Studenten europäischer Musikhochschulen aufgefordert, ihr Können in den Duo-Besetzungen Violine-Klavier, Viola-Klavier und Saxophon-Klavier unter Beweis zu stellen. Veranstaltungsort ist die Hochschule für Musik und Theater München. Hier hatte Wolfgang Jacobi in den 50er Jahren selbst eine Professur im Fachbereich Schulmusik inne. Er gilt als bayerischer Komponist, obwohl er in Bergen auf Rügen geboren wurde. Doch München hatte er zu seiner Wahlheimat erklärt und hier die meiste Zeit seines Lebens verbracht. Auch hinterließ er in der Isarmetropole die tiefsten Spuren seines künstlerisch-schöpferischen wie organisatorischen Wirkens – sowohl als Komponist und Pädagoge als auch mit seinem ehrenamtlichen Engagement. Alle Aktivitäten kreisten um die Musik, Jacobis großer Leidenschaft. class="bild">Wolfgang Jacobi 1972. Foto: privat

1917, als Soldat in französischer Kriegsgefangenschaft, hatte Wolfgang Jacobi den Entschluss gefasst, sein Leben der Musik zu widmen. Nach dem 1. Weltkrieg begann er deshalb, an der Berliner Musikhochschule Komposition zu studieren. Bis 1922 dauerte seine Ausbildung, danach arbeitete er selbst als Lehrer für Musiktheorie am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin.

Außerdem komponierte Jacobi viel, konnte sich mit seinen Werken zusehends einen Namen machen und wurde von der Berliner Presse als „starkes kompositorisches Talent“ gefeiert. Offen für Neues, beschäftigte er sich unter anderem mit dem in der Kunstmusik bislang nur selten berücksichtigten Saxophon und komponierte 1930 seine „Sonate für Altsaxophon und Klavier“. Auch kam Jacobi zum Rundfunk und erhielt als freier Mitarbeiter in der Berliner Funkstunde zahlreiche Kompositions- und Bearbeitungsaufträge.

Überaus vielversprechend hatte also die Karriere des jungen Komponisten begonnen, und nichts schien ihm im Wege zu stehen – bis die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Jacobis Werke entsprachen nicht den Vorstellungen des Regimes, allen voran der „Menschenmaulwurf“ für gemischten Chor, Sprecher, Bariton-Solo und Blasorchester. Die Komposition entstand für die Arbeiterchorbewegung und sollte 1933 uraufgeführt werden. Doch die Nazis ließen es nicht soweit kommen. Auf Jacobi aufmerksam geworden, verhängten sie ein Berufsverbot gegen den zudem als Halbjuden eingestuften Komponisten.

Erzwungene Pause

Zwölf Jahre lang, bis 1945, musste Wolfgang Jacobi eine Zwangspause einlegen und sich als „entarteter Künstler“ aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Außerdem durften seine Werke während dieser Jahre nicht auf deutschem Boden aufgeführt werden. Der Komponist wurde aus der STAGMA und der Reichskulturkammer ausgeschlossen und verlor somit für lange Zeit jegliche Existenzgrundlage. Glücklicherweise ergab sich die Möglichkeit, nach Italien auszureisen. Und so siedelte er 1934 mit seiner Familie nach Malcesine am Gardasee über.

Fasziniert von der italienischen Kultur studierte er die Sprache und Musik des Landes, und der eigentliche Zufluchtsort wurde bald zu einer Inspirationsquelle, die großen Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen nehmen sollte. Der Versuch jedoch, sich in Florenz sesshaft zu machen, scheiterte aufgrund der einsetzenden Devisensperre. Bereits im Winter 1935 musste die Familie nach Deutschland zurückkehren.

Engagiert und geradlinig

München wurde der neue Wohnsitz der Jacobis. Hier warteten sie das Ende des Nazi-Terrors ab. 1945 schließlich war es soweit, und Wolfgang Jacobi konnte damit beginnen, sich eine neue Existenz aufzubauen. Er erhielt einen Lehrauftrag für Komposition, Harmonielehre und Kontrapunkt an der Münchner Musikhochschule, dem 1949 die Professur folgte. Darüber hinaus erwies sich Jacobi als organisatorisches Talent und bemühte sich um die musikalisch-kulturelle Aufbauarbeit Münchens: So gründete er zum Beispiel 1946 zusammen mit Hans Mersmann das „Studio für Neue Musik“. Auch übernahm Jacobi den Vorsitz des Verbandes Münchner Tonkünstler sowie des Landesverbandes Bayerischer Tonkünstler, setzte wichtige kulturpolitische Akzente und avancierte zu einer Schlüsselfigur im Nachkriegs-München.

Hochmotiviert hatte Wolfgang Jacobi daneben zahlreiche neue Instrumental- und Vokalwerke geschrieben, wie die „Sonate für Bratsche und Klavier“ (1946), das „Divertimento für großes Orchester“ (1959) oder die Passionsmusik „Il Pianto della Vergine“ für gemischten Chor und Soli (1951). Doch obwohl seine Werke recht häufig und erfolgreich aufgeführt wurden, ließ der künstlerische Durchbruch auf sich warten. Jacobi fühlte sich der Musiktradition eng verbunden. Und seine Musik, beeinflusst von Komponisten wie Debussy, Hindemith, Reger und Bartók, unterschied sich zu sehr von den damaligen Tendenzen der Neuen Musik. Als „Neoklassizist“, wie er sich selbst bezeichnete, ging er seinen eigenen Weg und versuchte nicht, sich anzupassen.

In Akkordeonisten-Kreisen allerdings wurde er bereits zu Lebzeiten gefeiert und verehrt. Etwa 60-jährig hatte Jacobi das klassische Akkordeon für sich entdeckt und damit begonnen, anspruchsvolle Werke für das bisher fast nur der Volksmusik zugeordnete Instrument zu schreiben. Diese Pionierarbeit wurde belohnt und brachte ihm schließlich ein, worauf er lange hatte warten müssen: den Ruhm in späten Jahren.

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