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Ursprünglich war der Tonkünstlerverband der Verband der freischaffenden Tonkünstler, die ungeschützt und gerade als Pädagogen um ihre Rechte und die Anerkennung ihrer Arbeit zu kämpfen hatten. Hier hat der Verband sich große Verdienste erworben. Er setzte für seine Mitglieder Vorteile in der Altersvorsorge durch, erkämpfte zusammen mit anderen Institutionen als besondere Verbesserung die Künstlersozialkasse und damit die Entlastung des Freiberuflers um den Arbeitgeberanteil in der Kranken- und Rentenversicherung sowie Vorteile in anderen Versicherungsarten, die für den Freiberufler zwar teuer, aber sehr wichtig sind. Beratung in Rechts- und Steuerfragen werden vom Verband angeboten; Fortbildungsveranstaltungen sowie Erfahrungsaustausch finden sich ebenso auf der Agenda wie auch Konzertmöglichkeiten. Bei dieser Fülle von Nutzen wundert es den Betrachter, daß in einigen der Landesverbände des DTKV die Mitgliederzahlen (noch) gering sind, zumal im Jahresbeitrag bereits der Bezug der nmz als qualifizierte Fachzeitschrift enthalten ist.
Nach Gründung der öffentlichen Musikschulen teilte sich dann die Mitgliederschaft in angestellte Musikpädagogen und Freiberufler mit der Folge, daß sich die Arbeit des Verbandes nun nicht mehr primär auf die Probleme der freiberuflich Tätigen konzentrierte. Nach heutigem Stand kann von zirka 50 Prozent Freiberuflern im Verband ausgegangen werden, obwohl in statistischen Erhebungen – wenn überhaupt in den Landesverbänden differenziert wird oder die Aufteilung intern oder extern bekanntgegeben wird – schon wegen häufiger freiberuflicher Nebentätigkeit von Pädagogen in Voll- oder Teilzeitanstellung eine genaue Einordnung schwierig ist.
Die Anzahl der freiwillig oder eher unfreiwillig freiberuflich Tätigen dürfte gerade aufgrund der Sparmaßnahmen im kulturellen Bereich in Zukunft stark steigen, denn die Streichung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Bereich führt nicht zu einer generellen Dezimierung des Berufsstandes des Musikpädagogen, sondern vielmehr zu einer Verlagerung in den freiberuflichen Bereich. Ein Resultat der steigenden Zahl der Freiberufler ist, daß sich in den letzten Jahren allerorten freie Musikschulen, Kooperationen von Musiklehrern und viele andere Formen freien Musikunterrichts gebildet haben. Dabei handelt es sich einerseits um seriöse Institutionen, andererseits aber auch um Ansätze, vor denen – wegen mangelnder musikpädagogischer Qualität, aber auch wegen ausschließlichen Profitstrebens – ausdrücklich zu warnen ist.
Der DTKV ist hier gefordert, die Öffentlichkeit durch qualifizierte, aber auch rigorose Aufklärung zu warnen und Berufsanfänger gezielt und mit hoher Qualität besser als bisher zu beraten. Informationen über Steuersparmodelle und Versicherungsfragen greifen hierbei viel zu kurz; statt dessen sind Modelle erfolgreicher und qualifizierter freiberuflicher Arbeit ebenso wie die Diskussion ethischer Grundsätze des musikpädagogischen Handelns mit hoher Qualität gefragt.
Schwerer Berufsstart
Die ersten Jahre einer Existenzgründung sind schwer zu überstehen und wirken auf Berufsanfänger eher abschreckend. Aufklärung bei Geldgebern und anderen Institutionen wie auch Hilfe bei der Erlangung von Existenzgründungsdarlehen sind notwendig. Nicht zuletzt auch das soziale Engagement dieses Berufes erfordert Unterstützung in der Öffentlichkeit: Bleibt der Freiberufler mit seinem Honorar sozial verträglich, kann er bei sozial schwachen oder kinderreichen Familien wie auch bei Schülern, die mehrere Instrumente zu erlernen fähig sind, nichts mehr zusetzen; betreibt der Pädagoge eine Hochpreispolitik, werden die Kinder, die den Musikunterricht aus sozialen und pädagogischen Gründen am nötigsten hätten, keine Chance haben. Eine Unterstützung des Verbandes für eine Förderung in diesem Bereich käme direkt den Schwachen in der Gesellschaft (und damit dem Gesamtgefüge des sozialen Lebens) zugute. Musikunterricht ist kein Luxusgut, sondern muß als Menschenrecht betrachtet werden. Eine öffentliche Unterstützung der – qualifizierten – freien Privatmusikerzieher und ihrer Zusammenschlüsse in unterschiedlichster Form ist daher mehr als gerechtfertigt und muß für die Mitglieder durchgesetzt werden.
Der Aufbau einer solchen Unterstützung darf jedoch in keinem Falle als Angriff auf die Förderungsmaßnahmen der öffentlichen Musikschulen verstanden werden. Im Gegenteil: als Begleitmaßnahme ist durch gezielte verbandsbezogene Öffentlichkeitsarbeit an der Verbandsbasis, in der Öffentlichkeit, in den Schulen und in der Politik ein Miteinander anzustreben. Was geschieht denn nun momentan im Bereich der Landesverbände angesichts der vielen anstehenden Probleme gerade bei den freiberuflich tätigen Musikpädagogen, die ja nur den DTKV als einzigen fächerübergreifenden Verband haben? Als Vorreiter und Vorbild ist hier wohl Bayern zu nennen. Die Schaffung eines Musikschulgesetzes und die vereinbarten Fördermaßnahmen für die privaten „Musikinstitute“, von denen schon 1994 fünf und nach heutigem Stand neun öffentlich gefördert werden, sind wichtige Schritte. Die Musikinstitute werden vom Kultusminsterium in Zusammenarbeit mit dem Verband Bayerischer Tonkünstler e.V. nach besonderen Richtlinien gefördert: Die Lehrer (mindestens drei) müssen alle ein Abschlußexamen vorweisen und Mitglieder des DTKV sein.
Die Förderung dauert höchstens fünf Jahre, bezuschußt werden ausschließlich Sonderkurse für Begabte und Sachkosten: Anschaffung von Instrumenten, Mieten, Baumaßnahmen. Der Zuschuß darf nicht für Gehälter verwendet werden, der Haushalt des Musikinstituts ist dem Verband offenzulegen, über die Fördergelder ist ein Verwendungsnachweis zu führen. Ein jährlicher Erfahrungsaustausch ist obligatorisch; die Musikinstitute müssen sich vom Angebot der kommunalen Musikschulen absetzen. Der Zuschuß hilft zumindest grob über Schwierigkeiten und Belastungen in den Gründungsjahren hinweg und gibt den jungen Instituten Freiraum für die zusätzlichen Maßnahmen, die in den ersten Jahren zu entwickeln sind und ein Fortbestehen in der Zukunft sichern. Beispielhaft ist auch der Aufruf des bayerischen Kultusministeriums, die Schulen mögen ihre Räumlichkeiten unentgeltlich qualifizierten Privatmusiklehrern zur Verfügung stellen.
Kooperation gefragt
In einzelnen Fällen haben dies private Initiativen auch in anderen Bundesländern durchgesetzt. Dies sind allerdings Vereinbarungen für den Einzelfall – keine durchgängigen Lösungen. Hilfreich wäre eine Initiative des Verbandes für einen solchen bundesweiten Aufruf der Kultusministerkonferenz, denn die Durchsetzung durch den DTKV ist sicherlich erheblich leichter und nachhaltiger als die mühevolle Überzeugungsarbeit durch Einzelkämpfer. Nützlich wäre hierzu sicher die Ausarbeitung von Arbeitsmodalitäten nach dem Vorbild modellhaft existierender Beispiele, oder die Ausarbeitung von Vorschlägen für eine konkrete Zusammenarbeit von Schule und Privatmusikerziehern in den gemeinsam genutzten Räumen. In Nordrhein-Westfalen formierte sich 1995 ein Arbeitskreis „Freie Musikschulen“, der sich bis heute sechsmal zum Erfahrungsaustausch traf. Der Arbeitskreis wollte ein Standardprofil dieser dort sehr zahlreich und mit vielen Varianten existierenden freien Musikschulen erstellen.
Aus den anderen Ländern
Die Sitzungen sind leider wenig besucht worden, möglicherweise wegen der erforderlichen Offenlegung der Arbeitweise, aus Konkurrenzangst oder wegen des zu erwartenden Arbeitsaufwandes. Der Landesverband Baden-Württemberg hat für Oktober 1997 ein erstes Treffen der freien Musikerzieher, die sich in unterschiedlichsten Formen zusammengeschlossen haben, anberaumt, um erst einmal ernsthaftes Interesse und somit die verbandsseitige Notwendigkeit eines solchen Arbeitskreises zu prüfen, mögliche Aufgabengebiete zu klären und seine Anbindung im Rahmen des Landesverbandes Baden-Württemberg zu prüfen.
Aus den anderen Landesverbänden gibt es auf Nachfrage entweder überhaupt keine Informationen oder die, daß keine besonderen Initiativen, sich in dieser Richtung zu engagieren, existieren. Lediglich der Landesverband Sachsen-Anhalt kündigte an, sich in Richtung freiberuflicher Zusammenschlüsse engagieren zu wollen. Erschreckend waren die bei dieser Umfrage geäußerten Hinweise auf den derzeit stark anwachsenden „Wildwuchs“ im Bereich des Musikunterrichts auf privater Ebene. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage wächst nicht nur die Zahl der gut ausgebildeten Privatmusikerzieher ohne Anstellung, sondern auch die Zahl derer, die glauben, ohne jegliche – geschweige denn qualifizierte – Ausbildung mit Musikunterricht ein „Zubrot“ verdienen zu können. Hier wird die Frage nach dem Berufsethos des Musikpädagogen und schließlich nach einem Berufsschutz für ausgebildete Musikpädagogen mehr denn je zu einem dringenden Anliegen an den Verband, da es hier schließlich um das Wertvollste der Gesellschaft, die Kinder geht. Zur Lösung dieser Probleme müssen alle Musikpädagogen „an einem Strang ziehen“: Der DTKV ist mehr denn je eine Notwendigkeit für jeden verantwortungsvollen Musikpädagogen und gerade für den freiberuflich Tätigen.