München. Nur wenige Tage vor ihrem 81. Geburtstag wurde die Komponistin Gloria Coates mit einem Konzert der GEDOK, Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer, geehrt. In Anwesenheit der Komponistin führte Franziska Stürz mit kurzweiligen Moderationen durch das Konzert, das Ende September 2019 im Kleinen Konzertsaal im Münchner Gasteig stattfand. Es erklangen Werke von Coates, die ein vielfältiges Spektrum ihres Schaffens darzustellen vermochten.
Zuerst kam das Publikum in den Genuss von Coates’ „Lyric Suite“ für Klaviertrio (1993/1996). Das Verdandi-Trio mit Elke Funk-Hoever (Violoncello), Mirjam von Kirschten (Klavier) und Katharina Schmitz als Gast (Violine) entführte in sechs Sätze, die allesamt zumindest instrumental auf Emily Dickinsons Lyrik verweisen und vor allem auf ihre großen Themen der Transzendenz, Gläubigkeit – Coates selbst nannte außerdem den Pantheismus – aber auch die Angst vor dem Wie oder Ob des Lebens nach dem Tod. Deshalb spielen in diesem Werk die Obertonbehandlung als Zeichen der Transzendenz und dem „Danach“ genauso wie der Dreiklang als Sinnbild der Dreifaltigkeit eine besondere Rolle und wurden von den Interpretinnen glänzend zu Gehör gebracht. Im Anschluss an das Werk kamen diese sogar zu Wort und sprachen über Herausforderungen von Coates’ Œuvre gleichermaßen wie über ihre Begeisterung genau dieses Werk aufführen zu können. So sieht Funk-Hoever auch dieses als fabelhafte „Entdeckung“ für sich selbst und stellt in diesem Kontext die unmittelbar berührende Wirkung der einzigartigen Klangsprache in den Kompositionen von Coates heraus.
Darauf folgte das jüngste Werk des Abends, die Piano Sonata No. 2 aus dem Jahr 2001, deren tragische Entstehungsgeschichte Coates auf der Bühne rührend nacherzählte. Sie komponierte dieses Stück als Auftragswerk der Prinzessin Maria Josefa von Sachsen. Aber der Untertitel „in memoriam Vedat Kosal“ kam erst im Nachhinein zustande, da der bekannte türkische Pianist das Werk ursprünglich uraufführen wollte, aufgrund seiner Erkrankung viel zu jung verstarb. Die vier Sätze der Sonate sind eine spannungsreiche Verquickung von Fragmenten der romantischen Klavierliteratur (Chopin und Liszt) und Musik, die jenseits des Bosporus anzusiedeln ist, mit der Coates in jeder Hinsicht Herkunft und Werdegang, Kulturen und Passionen des Pianisten einfängt und vor dem geistigen Auge ein eindrucksvolles Portrait Kosals nachzeichnet. Eva Schieferstein brachte dieses Gemälde am Konzertabend fulminant zum Strahlen.
Die Cantata da Requiem, „Voices of Women in Wartime” von 1972, die im Anschluss an die relativ jungen Werke wie aus einer anderen Zeit ihr Echo hinterließ, entpuppte sich Dank der Interpretation von Barbara Hesse-Bachmaier (Mezzosopran), Katharina Henke (Viola), Elke Funk-Hoever (Violoncello), Eva Schieferstein (Klavier) und Stefan Blum (Schlagzeug) als denkwürdiger Abschluss, dessen Botschaft noch lange nach dem letzten Ton nachwirkte. Die erschütternden Gedanken von Frauen während des Krieges erlangten durch Coates’ Geist und in der Interpretation der Künstler, vor allem der Hauptakteurin Hesse-Bachmaier, eine ungemeine Sogwirkung und eine Aktualität, wie das nur wenigen Werken heutzutage zu gelingen scheint: Wenn all die Trauer und der Schmerz dem Menschen zeigen könne, in Frieden zu leben, dann wären all die Tode nicht vergebens.