Osnabrück. Im Rahmen der „Universitätsmusik“ fand Anfang Oktober 2021 im Osnabrücker Schloss aus Anlass des 100-jährigen Bestehens von „Soroptimist International“ ein Benefizkonzert mit einem Programm statt, welches bemerkenswert war und aufhorchen ließ: „Vom Wahlrecht bis zum Lippenstift“. Vorgestellt wurden Komponistinnen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute, die in ihrer Zeit für sich um die Anerkennung als den Männern gleichwertige Musikerinnen kämpfen mussten, zudem auch allgemein für die Rechte der Frauen in einer „männerdominierten“ Welt stritten,- und das bis zu Streik und Inhaftierung. Ausführende waren Sigrid Heidemann (Gesang), Julia Habiger-Prause (Klavier), beide Mitglieder in Deutschen Tonkünstlerverband, und Claudia Kayser-Kadereit (Moderation).
Nach der Begrüßung eröffnete Julia Habiger-Prause den musikalischen Reigen mit dem einzigen solistischen Klavierwerk dieses Morgens, dem „Valse d‘ automne“ von Cécile Chaminade, in dem die Pianistin das alles an Virtuosität darbieten konnte, was in einem gehobenen Salonwalzer des ausgehenden 19. Jahrhunderts steckte. Es schloss sich als erstes Lied der „March of the women“ von Ethel Smythe an, die damit als ausgebildete Komponistin vor dem 1. Weltkrieg bereits die Hymne der Frauenbewegung für allgemeines und gleiches Wahlrecht schuf. Selbst Johannes Brahms schätzte die Güte ihrer Kompositionen, bis er erfuhr, dass sie von einer Frau stammten; danach verlor er das Interesse! Sigrid Heidemann trug diesen Marsch auch betont kräftig und kämpferisch vor.
Nachdem Claudia Kayser-Kadereit in ihrer Moderation auf die biografischen Daten und die zeitgenössischen Besonderheiten der Komponistinnen und Textdichterinnen eingegangen war (das geschah anlaßbezogen ernsthaft oder über beigebrachte Requisiten unterhaltsam) erklangen mehrere Lieder von Luise Greger. Darunter das „Vogellied“ op.53, in dem zur Überraschung des Publikums plötzlich jodlerähnliche Koloraturen ertönten, die in ihrer gestalteten Präzision alle elektrisierten. Die Moderatorin wies parallel dazu aber auch auf das Schicksal der Komponistin hin, die an „seniler Seelenstörung“ im Alter litt und von den Nazis durch „stille Euthanasie“ zu Tode kam.
Von Clara Faisst, einer Zeitgenossin und Freundin Albert Schweitzers, erklang das Lied „Mein Wald“ op.2, dessen Verse von Carmen Sylva stammten, die als damalige Königin von Rumänien unter diesem Pseudonym Gedichte schrieb. Als Einleitung zum Lied „Einem Vorangegangenen“ von Margarete Schweikert musste Julia Habiger-Prause dem Steinway-Flügel heftige Dissonanzen entlocken, denn der Vers der Anfangszeile lautet: „Mit hartem Dröhnen ist das schwere Tor der Erde hinter Dir ins Schloss gefallen…“ Als vorletzter Programmpunkt erklangen zwei sehr gefühlvolle Lieder von Ruth Schonthal nach Texten von Emily Dickinson. Die Komponistin musste 1935 emigrieren und verbrachte den Rest ihres Lebens bis 2006 in den USA, kam aber in den 80er Jahren besuchsweise nach Deutschland zu Konzerten und Ehrungen.
Vier Werke der „Allround“-Künstlerin (Gesang, Schauspiel, Vokaltheater, Komposition, Arrangement und ähnliches) Sylva Bouchard-Beier, wohnhaft in Ingelheim, erklangen zuletzt und schlugen durch die Textwahl (Karoline von Günderode, Mascha Kaléko, Jutta Richter) den Bogen zur Gegenwart. Vor allem das letzte Lied mit dem Titel: „Man malt sich doch nicht gern umsonst die Lippen rot…“ hatte einen kabarettistischen Einschlag, thematisierte aber auch wieder den Wunsch der Frauen über Jahrzehnte nach Gleichberechtigung, denn es heißt darin weiter: „…man möchte doch nicht nebenbei behandelt werden…“ Dieses wohlgelungene Konzert, in dem die drei Künstlerinnen Ausgezeichnetes in stimmlicher, pianistischer und sprachschöpferischer Hinsicht darboten, animierte die Zuhörerschaft zu „standing ovations“. Es endete aus genanntem Anlass mit der „Soroptimist Symphony“ von Dorothy Vale Kissinger als Zugabe und sollte wiederholt werden.