Selten hatte man an moderner Musik so viel Freude, Vergnügen und sogar Spaß wie an diesem Abend.
Ameisen, Holzwurm, Amsel, Esel und Elefanten bevölkerten die Bühne des ausverkauften Hans-Fischer-Saals im Rosenheimer Künstlerhof. Nicht in Wirklichkeit, sondern als besungene Tiere: eine richtige Viecherei, wie der temperamentvoll moderierende Komponist Walther Prokop sagte. Er stand mit seinen Werken im Vordergrund dieses Konzertes, das der Tonkünstlerverband Südostbayern veranstaltet hatte. Selten hatte man an moderner Musik so viel Freude, Vergnügen und sogar Spaß wie an diesem Abend.
Hauptspaßvögel waren die Sänger des Ensembles H2O2, die Damen Christine Oswald und Luitgard Hamberger und die Mannen Hermann Oswald und Thomas Hamberger. Sie interpretierten die Uraufführung mit dem Titel „Sommerfrische“. Prokop vertonte hier vier Gedichte von Joachim Ringelnatz: Die Schnupftabaksdose ist verschnupft, weil ein Holzwurm sie nicht verschont, obwohl sie von Friedrich dem Großen selbst geschnitzt sei, zwei Ameisen aus Hamburg geben eine geplante Weltreise schon in Altona auf, ein Grashüpfer dient als philosophische Anregung für eine reflexionslose Sommerfrische, „ein männlicher Briefmark“ liebt, in schmerzlich auskomponierten Harmonien, vergebens die Prinzessin, die ihn beleckt. So humor- und ausdrucksvoll vertont wirken die an sich schon lustigen Texte noch viel humorvoller.
Die Sänger gaben sich auch lustvoll diesem Humor hin, so sehr, dass die Altistin Luitgard Hamberger beim Singen vom Humor selbst überwältigt wurde. Das geschah bei den vertonten Versen von Wilhelm Busch mit dem Titel „Der Esel ist ein dummes Tier“, in denen alphabetisch geordnet Tiere sinnfrei lus-
tig charakterisiert werden. Prokop lässt da musikalisch den Hofhund bellen, den Hopfen wachsen, den Igel stechen, Johanniswürmer allerliebst flirren, Lerchen singend steigen, Unken kläglich schreien und Vampire jazzen: wahre Kabinettstückchen malerischer Musik, die Prokops Kunst zeigen, Schweres leicht zu machen.
„Scherzando“ und „spirituoso“ steht programmatisch über zwei von vier Teilen des Divertimentos für Flöte, Klarinette und Fagott von Walther Prokop. Scherzhaft und geistreich ist auch diese „Vergnügung“, wie Divertimento wörtlich heißt, und den drei Instrumenten auf den jeweiligen Leib geschneidert, engagiert gespielt von Christiane
Kneer (Flöte), Johanna Bachmaier-
Gehring (Klarinette) und Thomas Schibler (Fagott).
Prokop dankte aber auch seinen Lehrern, Vorbildern und Kameraden: Das Ensemble H2O2 sang von Hans Melchior Brugk, Prokops Mentor, blutvoll zwei Lieder in herb-romantischer Harmonik und derb-vergnügt zwei „Bayerische Madrigale“ in verwegenen Harmonien von Franz Xaver Lehner, Prokops Kompositionslehrer, nach Texten von Georg Queri. Prokop selbst spielte schmunzelnd die „Mar(t)inade – ein Klavierstück für zwei Hände und einen mittelgroßen Radiergummi“ von Klaus Obermayer, in dem ein zwischen einige Saiten geklemmter Radiergummi scheppernde Töne erzeugt. Der Komponist Roland Leistner-Mayer gab zusammen mit Eva Krikkay die musikantisch-temperamentvolle „Vohburger Zwiefachpolka für Klavier zu vier Händen“ zum Besten. Eva Krikkay war auch die Klavierpartnerin für die Flötistin Alice Guinet in „Le Merle Noir“ von Olivier Messiaen, einem Stück voll natürlich-himmlischer Vogelstimmen: Komponiert ist hier ein Amsel-Gesang. Noch eine Viecherei also. Nur mehr schön als lustig. Die vielen Zuhörer waren vor Vergnügen ganz aus dem Häuschen und ließen Komponisten und Interpreten hochleben.