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Von besseren Honoraren bis Inklusion

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Vor der Länderkonferenz sprachen Heike Michaelis und Martina Scharstein über wichtige Themen
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Am 25./26. März findet in Frankfurt turnusgemäß die Länderkonferenz der im DTKV organisierten Landesverbände statt. Die nmz sprach im Vorfeld mit der neuen Doppelspitze der Konferenz, mit der Ländersprecherin Heike Michaelis (Hessen) und ihrer – frisch gewählten – Stellvertreterin Martina Scharstein (Mecklenburg-Vorpommern) über anstehende Themen.

neue musikzeitung: Was steht in 2022 an – welche Herausforderungen seht Ihr, was steht auf Eurer Prioritätenliste? Was auf Eurer Wunschliste?
Heike Michaelis: Zunächst wird es wichtig sein, nach zwei Jahren Corona-Pandemie den Kulturbetrieb wiederzubeleben und dafür zu sorgen, dass er auch erhalten bleibt. Zentrales Thema sind außerdem bessere Arbeitsbedingungen für Kulturschaffende; auf allen Ebenen, aber vor allem eben auch im Hinblick auf die Honorarsituation. Hier wünsche ich mir eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesverband, und dass dieser in seinen Positionen deutlich sichtbar wird. Es wird, was die Honorarpolitik angeht, ja auch darum gehen, sich an die Bundespolitik zu wenden und sicherlich auch die Zusammenarbeit mit anderen Kulturverbänden und Gewerkschaften zu suchen. Deshalb wünsche ich mir nach den Konflikten des letzten Jahres wieder eine gute Kommunikation zwischen Bund und Ländern im DTKV. Dass wir jetzt zusammenrücken halte ich für sehr wichtig.
Martina Scharstein: Ich denke auch, wir sollten im eigenen Verband und bundesübergreifend gucken, was überhaupt noch übrig ist an musikalischem Leben. Unser Berufsbild – ist es noch dasselbe wie vor der Pandemie? In den vergangenen zwei Jahren ist einfach viel passiert, viele Kolleg*innen sind ausgestiegen, wir in Mecklenburg-Vorpommern haben auch Mitglieder verloren. Einige sind in den Schuldienst gegangen, andere sind Pfleger oder Ärzte geworden. Durch die Pandemie ist einfach viel Schaden entstanden. Und wir müssen sehen, wo liegen jetzt unsere Chancen?
nmz: In welcher Form könnte das geschehen?
Scharstein: Die Barz-Studie zur sozialen und wirtschaftlichen Situation von Musiker*innen, die der Landesverband NRW für seine Region durchgeführt hat, wäre zum Beispiel eine tolle Vorlage, um eine solche Studie auch in den anderen Bundesländern durchzuführen. Gut wäre natürlich, wenn der Bundeverband dies unterstützen würde, so dass die Landesverbände in dieser Erhebung nicht allein wären.
Michaelis: Glücklicherweise zeigten sich nach einer ersten Nachfrage schon einige Landesverbände offen, bei einer solchen bundesweiten Studie mitzumachen. Das Problem ist wie immer die Finanzierung. Deshalb wäre es auf jeden Fall besser, die Studie über die jeweiligen Landesmusikräte abzuwickeln, weil dies eine breitere Wirkung hätte. Das wird auf jeden Fall Thema auf der nächsten Länderkonferenz sein.
nmz: Und Eure Wünsche für Eure Arbeit?
Scharstein: Eine schnelle und für alle gut sichtbare Kommunikation zwischen Mitgliedern, Präsidium und Ländersprecherinnen ...
Michaelis: Ja, gemeinsam an Themen zu arbeiten und darüber Transparenz herzustellen, das wünsche ich mir auch.
nmz: Ende März soll die Länderkonferenz in Frankfurt stattfinden. Wieder in Frankfurt kann man sagen – die letzte in dieser Form liegt vor der Corona-Pandemie. Wie wichtig ist es, sich wieder einmal persönlich zu sehen?
Michaelis: Die persönlichen Kontakte sind sehr wichtig, weil man in Präsenz anders miteinander reden kann, man nimmt andere Emotionen wahr und man hat auch mehr Zeit. In einer Videokonferenz wird ja nie wirklich lange geredet. Obwohl – von Vorteil war in den letzten zwei Jahren natürlich, dass wir viele Videokonferenzen hatten. Vorher haben wir uns nur einmal im Jahr zur Länderkonferenz und einmal zur Bundesdelegiertenkonferenz gesehen. Durch die Pandemie hatten wir mehr Austausch, was auch dazu geführt haben mag, dass mancher Konflikt sichtbarer geworden ist. Ich erhoffe mir, dass wir wieder mehr zueinander finden – auch über die persönlichen Kontakte.
Scharstein: Ich finde, wir waren in den letzten zwei Jahren an vielen Sachthemen dran. Ich fand es toll, dass es möglich war, in Videokonferenzen zu diskutieren, aber der soziale Schmierstoff, dass man sich sieht, zusammen isst, ins Café geht oder im gleichen Hotel wohnt, das ist natürlich nicht ersetzbar. Immerhin haben die Videokonferenzen mit sich gebracht, dass ich jetzt mehr Kolleg*innen kenne als vorher.
nmz: Wie hast Du, Heike als Ländersprecherin, und Du, Martina, als Landesvorsitzende des DTKV in Mecklenburg-Vorpommern, die von der Pandemie bestimmte Zeit im Hinblick auf die Verbandsarbeit erlebt? Was war schwierig, was war wichtig?
Michaelis: Ganz am Anfang waren wir vor allem damit beschäftigt, die ganze Situation zu verstehen und zu kommunizieren. Auch sich auszutauschen, wie ist es in den anderen Ländern, was könnten wir noch fordern, was die anderen schon durchgesetzt haben. Und es gab viel Austausch auf der Ebene Ländersprecherin/Präsidium. Wir tagten fast monatlich. Das war eine sehr intensive Zeit. Ich bin als Ländersprecherin ja erst 2019 eingestiegen, und dann kam gleich die Pandemie. Das war ziemlich anstrengend. Wenn andere gesagt haben, ich hab jetzt endlich Zeit, ganz viel zu üben... Das war bei mir überhaupt nicht der Fall. Ständig waren Videokonferenzen oder man hat das Internet durchforstet nach den neuesten Vorschriften. Mittlerweile hat sich bei uns auf der Ebene des Landesmusikrats glücklicherweise viel getan, wir haben eine Beratungsstelle bekommen, die Corona-Vorschriften werden offiziell kommuniziert.
Scharstein: Ja. Durch die Pandemie sind auch wir in eine Situation katapultiert worden, in der es hieß vielfältig mit anderen zusammenzuarbeiten und zu überlegen, was wichtig ist für die Kolleg*innen. Da ich sehr interessiert bin an berufspolitischer Arbeit, habe ich einfach alles, was ich gefunden habe, weitergeschickt an die Mitglieder. Seitdem möchte ich gern größer gucken und mich auch auf Länder- und auf Bundesebene engagieren. Das war auch meine Motivation, für das Amt der stellvertretenden Ländersprecherin zu kandidieren.
nmz: Stichwort Strukturkommission – sie ist installiert. Welche Erwartungen knüpft Ihr an diese Kommission? Gibt es klare Ziele, die erreicht werden sollten?
Michaelis: Zum einen sollten die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern klar geregelt werden, soweit dies möglich ist. Dann sollte, wie ich finde, der Bundesverband die Kooperation der Länder mit steuern und mit unterstützen, da wir das allein im Ehrenamt nicht schaffen. Das ist für mich ein wichtiger Punkt. Auch wäre es gut, Regeln zu schaffen für die gemeinsame Kommunikation. Dann sollte, wie ich finde, die Rolle von Länderkonferenz und  Ländersprecherin gestärkt werden. Die Amtszeit von zwei Jahren und die Möglichkeit, nur einmal wiedergewählt werden zu können, finde ich schwierig. Man muss sich einarbeiten und ist man nach vier Jahren schon wieder weg, während das Präsidium gefühlt auf Lebenszeit amtieren darf... Außerdem sollte die Ländersprecherin ein Stimmrecht im Präsidium haben. Die Frage der Stimmgewichtung zwischen den großen und kleinen Landesverbänden bleibt schwierig, dennoch finde ich, dass es einen Minderheitenschutz geben sollte, einen besseren als den, den wir zur Zeit haben. Da müsste sich etwas bewegen, auch wenn klar ist, dass es nie so sein wird, dass jedes Land in der Bundesdelegiertenkonferenz eine Stimme hat – so wie in der Länderkonferenz. Trotzdem sollte es hierzu eine kluge Regelung geben. Wenn zum Beispiel die Länderkonferenz Entscheidungen treffen könnte, wie etwa Aufgaben für das Präsidium festlegen, dann hätten dort die kleineren Verbände schon ein stärkeres Gewicht.
Scharstein: Zunächst finde ich es toll, dass die Strukturkommission aus einem Querschnitt der Länder besteht und auch Bayern und Baden-Württemberg vertreten sind. Es gab schon zwei sehr konstruktive Sitzungen, der Sprecher, Herr Kaufmann, ist sehr am Ball. Das hat wirklich Fahrt aufgenommen. Meine Erwartungen gehen auch dahin, dass die kleinen Verbände gestärkt werden. Außerdem sollte die Satzung überarbeitet werden. Auch im Hinblick auf das Gendern.
nmz: Ihr seid als Team ganz frisch im Amt, ebenso wie das neu gewählte Präsidium. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? Was ist Euch wichtig?
Michaelis: Mit Martina empfinde ich mich schon als so eine Art Doppelspitze. Alles, was wir rausschicken, tragen wir gemeinsam, deshalb können wir einander auch gut vertreten, wenn eine von uns mal nicht kann. Wir schreiben E-Mails, tauschen uns telefonisch aus, und bereiten zur Zeit die Länderkonferenz gemeinsam vor.
Scharstein: Ja, auch die Kommunikation mit der Bundesgeschäftsstelle in Passau ist in den vergangenen Monaten intensiver geworden.
nmz: Zur Länderkonferenz. Welche wichtigen Themen stehen an, was erwartet Ihr von der Konferenz? Wie kann es gelingen, dass bei diesen Themen die Länder noch mehr zusammenarbeiten?
Michaelis: Ich würde gern übers Jahr themenbezogen Konferenzen machen, wo es nur um ein Thema geht, das alle LV angeht. Zum Beispiel das Musikschulgesetz oder das Kulturfördergesetz. Das ist in einigen Ländern gerade virulent. Andere sind damit schon durch und könnten Hilfestellung geben. Was hat geklappt, was nicht, worauf sollten wir achten. Auch die Kultusminister*innen tauschen sich regelmäßig aus, zur Zeit zum Beispiel über Honorare. Beide Themen würde ich gern in der Länderkonferenz behandelt sehen, und übers Jahr unterschiedliche Themen, zu denen die Landesverbände auch voneinander lernen und profitieren können.
nmz: Abschließend noch eine Frage zu Eurer Motivation: Was hat Euch bewegt, Euch für diese Ehrenämter noch einmal bzw. neu zur Verfügung zu stellen?
Michaelis: Es gibt einfach noch einiges umzukrempeln. Themen wie Inklusion oder die Öffnung für andere Kulturen finden viel zu wenig statt. Ich finde, wir können nicht weiterhin nur bildungsbürgerliche Positionen vertreten. Das wird im Übrigen von der Politik auch gar nicht mehr goutiert. Ich merke an mir selbst, dass hier ein Umdenken nötig ist. Sich zu öffnen – für viele ist das Neuland, gerade in der klassischen Musik. In den ersten zwei Jahren als Ländersprecherin konnte ich viel bewegen, ich habe die Strukturkommission initiiert. Und ich habe erlebt, dass die Landesverbände, mehr als früher, in Kontakt kommen. Das möchte ich weiter begleiten und voranbringen.
Scharstein: Ich stimme Heike zu und denke, im nächsten Schritt brauchen wir dann auch Frauen im Präsidium, außerdem mehr aktive Musiker*innen. Verbandsarbeit ist und bleibt wichtig, als Einzelkämpferin kommt man nicht weiter. Deshalb ist die Arbeit des DTKV und seine Vernetzung mit anderen Verbänden so wertvoll.

Das Interview führte Stephanie Schiller.

Heike Michaelis studierte an der Musikhochschule Köln Klavier und Schlagzeug. Nach einer intensiven Beschäftigung mit der Neuen Musik liegt ihr Schwerpunkt heute im Jazz. Als Pianistin und Sängerin ist sie Mitglied unterschiedlicher Ensembles. Sie hat ein Duo für literarisches Musikkabarett, macht Kindermusiktheater, spielt in einem Salontrio und einer Jazzband. Als Privatlehrerin unterrichtet sie Klavier und Marimbaphon in Frankfurt. Seit 2019 ist sie Ländersprecherin der im DTKV zusammengeschlossenen Landesverbände.

Martina Scharstein arbeitet als Sängerin, Gesangspädagogin, Arrangeurin, Musikgeragogin und Musikmanagerin. Sie studierte von 1987 bis 1993 Gesang und Klavier in Nürnberg. Seit 2016 ist sie Vorsitzende des DTKV Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2021 ist sie stellvertretende Ländersprecherin.

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