Die beiden Schumann-Botschafter Guido Schiefen (Cello) und Markus Kreul (Klavier) haben eine Liebe für die kleinen, feinen Miniaturen, kammermusikalische Besonderheiten, die ein fast schon symbiotisches Zusammenspiel fordern. Liedtranskriptionen sind – neben den etablierten Werken für Cello und Klavier – ein Feld, auf dem sie sich gerne bewegen und auch selbst gestalterisch aktiv werden, zu hören auf ihrer viel gelobten CD „Schumannia“.
Jetzt haben sich Schiefen und Kreul eines Klassikers angenommen: der Kinderszenen von Robert Schumann in einer Bearbeitung für Cello durch den Cellisten Paul Grümmer (1879-1965) und den Pianisten Willy Hahn (1896-1988). 1947 erstmals im Züricher Musikverlag zum Pelikan erschienen, war die Ausgabe längst vergriffen. Ich habe mich auf eine überraschende Spurensuche begeben, an deren Ende die Neuausgabe der „Kinderszenen op. 15“ als Beginn der Edition Pelikan 2070 liegt.
Die besten Geschichten schreibt das Leben: In den Tiefen seines Notenschranks fand Guido Schiefen die Originalausgabe der Kinderszenen in der Bearbeitung von Paul Grümmer. Er und Markus Kreul spielten sie mit Begeisterung – und bedauerten sehr, dass die Ausgabe vergriffen war. Dem Internet sei Dank, ließ sich die Historie recht schnell nachvollziehen: Der Musikverlag zum Pelikan ist aufgegangen in den HUG Musikverlagen, diese wiederum wurden gekauft von Gerhard Halbig und seinem Verlagsservice Ancora.
Doch wie überzeugt man einen Verleger mit unzähligen Verpflichtungen und Publikationen davon, ein solches Liebhaberstück in Angriff zu nehmen? Bei Gerhard Halbig spielte ein besonderer Umstand eine Rolle: Ancora sitzt in Manching bei Ingolstadt, er selbst lebt – wie ich auch – in Ingolstadt. Bei einem schnellen Kaffee vor der Arbeit war die Zusammenarbeit schnell beschlossen.
Was jetzt kam, war ein Ping-Pong-Spiel zwischen der Verlagsleiterin Anna-Katharina d’Uscio in Zürich, der Notensetzerin Regina Krauß in Speyer, Guido Schiefen in Luzern, Markus Kreul in München und Dr. Ingrid Bodsch in Bonn, der Leiterin des Schumann-Netzwerks – diese steuerte eine Illustration für das Stück „Am Kamin“ von 1890 aus dem Archiv des Stadtmuseums Bonn und Geleitwort bei. In ihrem Text fächert Dr. Bodsch mögliche Facetten auf, warum Clara Schumann die „Kinderszenen“ nur sehr selten und auch nie vollständig gespielt hat. Unter anderem fragt sie, ob es wohl daran lag, dass Clara Schumann die „Kinderszenen“ immer etwas ganz Persönliches, als nur ihr und Robert Schumann Gehöriges betrachtete, wie sie im März 1839 fast beschwörend geschrieben habe.
Der Bearbeitung durch Paul Grümmer attestiert Ingrid Bodsch einen besonderen Zauber. Grümmer selbst begründet die Transkription für Cello in seinem Vorwort, das sich auch in der aktuellen Ausgabe findet, so: „Musik in weite Kreise zu tragen, alle Musikliebenden und Ausführenden für ihre Werke zu interessieren und in ihren Geist einzuführen – ist der Wunsch eines jeden Komponisten. So haben Bach, Beethoven bis Reger mehrere ihrer Werke für verschiedene Instrumente gesetzt. Lebende Komponisten sind dankbar, wenn ihre Werke – im Geiste gleich – auf andere Instrumente übertragen werden, und es is vollberechtigt und zu begrüssen, wenn wir heute Schumanns Kinderszenen auf den Instrumenten hören, für welche dieselben besonders geeignet sind.“
Daran knüpfen Guido Schiefen und Markus Kreul an und gehen gleichzeitig einen Schritt zurück in Richtung der Originalausgabe von Robert Schumann: „Grümmer/Hahn haben die Kinderszenen ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts überarbeitet, mit den entsprechenden Freiheiten bei der Wahl der Tonart, der Reihenfolge der Stücke und anderem. In der vorliegenden Neuausgabe wurden die Cello- und die Klavierstimme nahezu unverändert übernommen. In der ,Träumerei‘ wurde der Klaviersatz so ergänzt, dass der Dialog der beiden Instrumente intensiver wird und das vollständige Tonmaterial des Originals erklingt. Neben den Fingersätzen von Grümmer/Hahn wurden weitere in kursiver Schreibweise hinzugefügt. Sämtliche Vorschläge für die Bogenstriche stammen von Guido Schiefen.
Metronomangaben sind wie in der Ausgabe von Grümmer/Hahn vereinzelt angegeben; sie sind mit der Erstausgabe von Conrad Kühner identisch und können nach Belieben ergänzt werden.“ Ein erstes Exemplar haben Dr. Ingrid Bodsch, Guido Schiefen und Markus Kreul im Schumannhaus in Bonn-Endenich bereits an dessen Leiterin Silke Kovár übergeben, inzwischen ist die Neuausgabe erhältlich. Und die Zusammenarbeit wird dieses Jahr fortgesetzt, mit Liedtranskriptionen von Clara und Robert Schumann.