Göttingen/Bovenden. Wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren, hatten aber eine Zeit lang wenig Kontakt. Bei meinem Anruf war sie erfreut, von mir zu hören: frisch und bestimmt war unser fröhliches Gespräch, einfach wie immer! „Und das die Zeit so schnell vergangen ist, unfassbar“, sagt sie. In Rostock 1942 geboren, wuchs sie in Schleswig-Holstein, im Rheinland und in Westfalen auf und legte in Hagen 1961 ihr Abitur ab. Das anschließende Studium bei Gustav Scheck an der Musikhochschule Freiburg beendete Uta Mittler mit Abschlussdiplomen in den Fächern Flöte und Blockflöte. Es folgte seit 1965 eine 25jährige Konzert- und Unterrichtstätigkeit an Musikschulen und Musikgymnasien in Freiburg, Karlsruhe und Heidelberg.
neue musikzeitung: Nun sind Sie schon fast 32 Jahre in Göttingen, welch ein Gewinn für die Entwicklung von Instrumentalunterricht und musikalischen Angeboten in Niedersachsen und Göttingen!
Uta Mittler: Ein beruflicher Wechsel meines Mannes brachte uns 1990 nach Göttingen. Mit großem Erstaunen stellte ich fest, dass es dort keine kommunale Musikschule gab - aus süddeutscher Sicht unvorstellbar. So besann ich mich auf meine Mitgliedschaft im DTKV und schloss mich dem sehr aktiven Regionalverband Göttingen an. Ich konnte mir eine große Klasse von Privatschülern aufbauen und durch Zusammenarbeit mit anderen Kollegen auch wieder bald Kammermusikunterricht geben, der mir immer besondere Freude machte.
Lehrauftrag in Hildesheim
1991 erhielt ich zusätzlich einen Lehrauftrag für Querflöte an der Universität Hildesheim im Fachbereich Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in der Sparte Musik. 1994 nahm ich ein Ergänzungsstudium für Traversflöte in Bremen bei Marten Root und 1995 bei Karl Kaiser in Frankfurt auf.
nmz: Als engagiertes DTKV-Mitglied haben Sie sich, nach 25jähriger Erfahrung, wesentlich eingebracht, um musikalischen Talenten eine beachtliche Förderung angedeihen zu lassen.
Mittler: Schon in der Heidelberger Zeit war ich in der Landesjury BW „Jugend musiziert“ .Von dort wurde ich wohl nach Niedersachsen empfohlen. Jedenfalls wurde ich 1991 Mitglied des Landesausschusses „Jugend musiziert“ und hatte regelmäßige Jurytätigkeiten im Landeswettbewerb Niedersachsen (Nds). 1991/92 konnte ich mit meinen Jury-Erfahrungen den Aufbau dieses Wettbewerbes in den neuen Bundesländern unterstützen.
nmz: Bei Ihrer sehr umfangreichen ehrenamtlichen Arbeit gab es kein Nacheinander, viele wichtige Schritte haben sich überschnitten.
Mittler: Ja, von 1998 bis 2004 war ich Vorsitzende der Bezirksgruppe Göttingen des DTKV. Wir haben damals je zwei Bläser- und Streicherklassen an Grundschulen und einem Gymnasium eingerichtet. So begannen viele zusätzliche Schulprojekte mit unseren DTKV-Lehrkräften. Das war Pionierarbeit, weil erstmals Privatmusiklehrer in das Förderprogramm aufgenommen wurden, dass sonst nur Musikschulen offen stand. Mit jeder Schule wurden individuelle Vereinbarungen getroffen, es gab dafür noch keine Vorlagen vom Ministerium, wie sie jetzt selbstverständlich sind.
Von 1999 bis 2004 war ich Mitglied des Präsidiums des Landesmusikrates Nds. e.V. Während der Zeit leitete ich die Ausschüsse Kammermusikförderkurs, Landesjugendorchester und Neue Musik. Zur stellv. Vorsitzenden des nds. DTKV-Landesverbands wurde ich 2004 wegählt. Durch die schwere Erkrankung und den Tod (Juni 2006) des damaligen 1. Vorsitzenden, Prof. Martin Dörrie, war ich ab 2005 bis 2008 kommissarisch als Vorsitzende tätig.
nmz: Sie haben es vollbracht, im 43. Jahr des bundesweiten Wettbewerbes „Jugend musiziert“ (JuMu) Ende Januar 2006 die „Stiftung zur Förderung von Landespreisträgern des Wettbewerbes Jugend musiziert Niedersachsen“ als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in der Universitätsstadt Göttingen zu gründen.
Mittler: Ja, als stellvertretende Vorsitzende des Landesausschusses „Jugend musiziert“ habe ich mich nach meiner Berentung in Hildesheim bereit erklärt, ein Gründungskapital für die Stiftung „Jugend Musiziert Niedersachsen“ einzuwerben. Gründungsstifter waren hauptsächlich musikbegeisterte Göttinger Bürger, die ich für die Förderung der musikalisch-künstlerischen Jugend gewinnen konnte. Zweck der Stiftung ist Förderung von Preisträgern des Landeswettbewerbs über den Wettbewerb hinaus. Hauptaufgaben sind die Gewährung von Stipendien, Beihilfen zu Studienaufenthalten, die Unterstützung von Ensemblegründungen und Kammermusikunterricht. Auch Auftritte mit Orchestern, Tonaufnahmen, eine Hilfe bei der Beschaffung von Instrumenten oder die Übernahme von Reisekosten konnten durch kontinuierliche Mitteleinwerbung realisiert werden. Bis 2016 übernahm ich die Geschäftsführung der Stiftung im Ehrenamt.
„Note um Note“
Die Sparda Bank Hannover STIFTUNG richtete 2008 den Preis „Note um Note“ ein, dotiert mit insgesamt 10.000 Euro der seither jährlich in drei Kategorien von der Stiftung „Jugend Musiziert Niedersachsen“ vergeben wird. Die Preisverleihung erfolgt im Kleinen Sendesaal des NDR Hannover in einem NDR-Sonderkonzert der Reihe Konzerte Junger Künstler. Dabei wird ein professioneller Mitschnitt erstellt, eine wichtige Förderung für die jungen Künstler.
Das Vermögen der Stiftung konnte in den ersten Jahren verdreifacht werden, ist aber immer noch überschaubar. Deshalb müssen weiterhin Spenden eingeworben werden.
nmz: Große Aufmerksamkeit bekam zusätzlich auch noch die zeitgenössische Musik ...
Mittler: Ja, nach der Stiftungsgründung bekam ich von der Susanne und Gerd Litfin Stiftung das Angebot einer Anschubfinanzierung für ein Projekt, das es vergleichsweise in Göttingen noch nicht gab und junge Musiker fördern sollte. Damals hatten Bundespreisträger noch wenig oder keine Erfahrung mit den neuen Techniken und Klangwelten zeitgenössischer Musik. Auch gab es in Göttingen wenig davon zu hören. So fasste ich Mut und fragte beim Ensemble Modern an, ob sie sich einen Kurs mit Bundespreisträgern vorstellen könnten. Sie stimmten begeistert zu und so gibt es seit 2008 den einwöchigen Kurs „Epoche f“ jährlich. Über 20 junge Musiker erhalten von Dozenten des Ensemble Modern Einführungen in Spieltechnik und Aufführungspraxis Neuer Musik. Das Ergebnis präsentieren sie in begeisternden Abschlusskonzerten, mit und ohne Dirigent, teilweise mit Musikern des Ensemble Modern! Der Kurs wurde 2010 offiziell eine Fördermaßnahme des Bundeswettbewerbs.
Seit 2014 ist Hauptförderer des Kurses die Stiftung Niedersachsen. Stipendiaten sind seitdem zur Hälfte Bundespreisträger von Jugend musiziert und zur anderen Hälfte europäische Preisträger, die von EMCY (European Union of music competitions for Youth) benannt werden.
Die Kurs-Trägerschaft ging 2019 an die Landesmusikakademie Wolfenbüttel und ich konnte die jahrelange ehrenamtliche Organisation übergeben. Dort hat der Kurs jetzt einen wunderbaren Austragungsort und ist, wie der Minister für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen, Herr Thümler sagte, ein exzellentes Projekt für die musikalischen Begabungen und ein Leuchtturmprojekt der Akademie.
nmz: Es ist beachtlich, welche Erfolge Ihre Impulse und die ehrenamtliche Arbeit auslösen konnten. Also völlig gerechtfertigt, das Sie im Dezember 2014 zum Tag des Ehrenamtes von Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht bekommen haben. In der Begründung wurden da Ihre besonderen Verdienste um die Förderung hochbegabter junger Musiker gewürdigt. Schließlich war die Stiftung „Jugend musiziert Niedersachsen“ die erste und bis jetzt einzige Stiftung für Preisträger von Jugend musiziert bundesweit.
Bleibt uns, Ihnen alles erdenklich Gute und beste Gesundheit zu wünschen. Das nmz-Zitat von 2015 trifft es bestens: „Hoffentlich erfreut uns Uta Mittler noch lange mit ihrer liebenswerten Gegenwart und Lebensenergie.“
Das Gespräch führte Gunter Sokolowsky.