Seit 2006 sind sie eine gute Tradition in Siegburg: die Konzerte, in denen Werke des DTKV-Manuskriptarchivs gespielt werden. Als Leiter der Fachgruppe Künstlerische Projekte im DTKV NRW hat Jost Nickel, der auch Manuskriptarchiv-Beauftragter des Bundes-DTKV ist, in diesem Jahr zwei Konzerte konzipiert. Dabei konnte er aus seiner langjährigen Erfahrung mit dem Archiv schöpfen: als Spieler, Hörer und Auswählender. Bundesweit dürfte es niemanden geben, der das Archiv und seinen „Inhalt“ besser kennt.
So gelang es auch in diesem zweiten Konzert (die nmz hatte ausführlich schon über das erste Konzert im April 2011 berichtet), ein spannendes Programm mit diesmal besonders klangvollen Interpretennamen zusammenzustellen. Den Auftakt machte Josef Anton Scherrer, der sich zwei Werke Rolf Kuhnerts vorgenommen hatte: den „Zyklus der vier Nocturnes“ sowie die „Hallenden Klänge“. In letzterem Opus lauschte Scherrer sensibel und mit farbiger Anschlagspalette den in sich ruhenden Akkordschichtungen Kuhnerts nach, während die Nocturnes klanglich klare und präzise ausformulierte Konturen in einer technisch überlegenen und farbintensiven Darstellung erfuhren.
Christoph Kellers Zyklus „Durch das Jahr“ für Akkordeon wurde beim Siegburger Kompositionswettbewerb einst mit einem ersten Preis ausgezeichnet. In Ute Pukropski fand die Auswahl an Miniaturen aus diesem Zyklus eine kongeniale Interpretation. Keller verarbeitet ältere Melodien in seinen Preziosen, so erfährt etwa das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ verschiedene Variationen als Frühlings-, Sommer- oder Herbstmond. Zyklus und Interpretation gerieten so zur Werbung für das Akkordeon als ernst zu nehmendes Instrument in der klassischen Kunstmusik. Gotthard Kladetzky widmete sich (das Wortspiel sei erlaubt) den „Vier Widmungen“ des langjährigen Bundesverbandsvorsitzenden Rolf Hempel. Auch hier war eine sorgfältig erarbeitete Interpretation schwierigster moderner Klaviermusik zu erleben. Kladetzkys souveräne Darstellung nahm sich die Zeit, dem Gestaltenreichtum in Hempels Stücken nachzugehen und ihn zu entfalten. Wesentlich leichter erschlossen sich den Zuhörern die Sätze des „Piano latinero“ von Ursula
Görsch, deren erzmusikantische Verarbeitung folkloristischer Modelle durch Kladetzkys zündende Interpretation ihre unfehlbare Wirkung fand.
Ursula Keusen-Nickels (ebenfalls folkloristisch, nämlich spanisch dominierte) Aria und Bolero für zwei Flöten erklang in einer sorgsam abgestimmten und mitreißenden Darstellung durch Jost Nickel und Dirk Peppel. Peppel hielt an diesem Wochenende – parallel zum Manuskriptkonzert – einen Meis-terkurs für Flöte in Siegburg ab; die anwesenden Kursteilnehmer lauschten aufmerksam, wie ihr Lehrmeister sich vor Konzertpublikum präsentierte.
Zum Abschluss stellte Johannes Leung drei weitere Klavierwerke des Archivs vor: In Erich Hirzels „Impromptu h-Moll“ ging Leung lustvoll den Chopin-nahen Melodiebögen nach, Richard Maders zweites „Impromptu“ geriet zum Mittel- und Ruhepunkt seines Vortrags, bevor Dieter Goebel-Berggolds „Toccata“ den fulminanten und hoch virtuos dargebotenen Abschluss der Konzertmatinee in der Siegburger Musikwerkstatt markierte. Das Publikum war mitgerissen und dankte mit seinem Applaus allen Interpreten für den nicht unbeträchtlichen Einsatz, der mit dem Einstudieren teilweise schwierigster Neuer Musik verbunden war.