Die Balance zwischen freiberuflicher und angestellter Tätigkeit stimmt nicht mehr in unserem Land. Die Rahmenbedingungen für den selbstständig erwirtschaften Lebensunterhalt haben sich in vielen Wirtschaftsfeldern in den letzten Jahren durch Steuergesetzgebung, die Ausweitung branchenbezogener Verordnungen, Überbürokratisierung und die in nationales Recht umzusetzenden EU-Vorgaben zu oft verschlechtert. Davon sind auch weite Teile der Musikwirtschaft, wie etwa die Veranstalter oder Clubs sowie die freie Musikszene ebenso betroffen wie die selbstständig tätigen Musikerinnen und Musiker in ihrer künstlerischen und pädagogischen Berufsausübung.
Zusammenhalt ohne Kultur?
Freiheit und Überregulierung passt für unser Land, das im KI-Zeitalter fast ausschließlich auf die Kreativpotentiale für gesellschaftlichen Zusammenhalt wie wirtschaftliche Prosperität angewiesen ist, nicht zusammen.
Wenn die steuerliche Behandlung zum Thema „Gewinnerzielungsabsicht“ Soloselbstständiger oder inhabergeführter Musikschulen undifferenziert mit denen großer Konzerne gleichgesetzt wird, führt das zur Vernichtung von beruflichen Existenzen und der Verringerung von Angebotsvielfalt in der bildungskulturellen Infrastruktur, womit gegen die „UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdruckformen“ verstoßen wird. In dem weiten Feld der Musikberufe lassen sich, bis auf wenige Ausnahmen, keine überbordenden Gewinne erzielen. Allein beim Blick in die Statistik der Künstlersozialkasse zu den Jahresbruttoeinkommen von Musiklehrerinnen und Musiklehrern von rund 13.000 Euro wird deutlich, in welchen Sphären sich die „Gewinnerzielungsabsicht“ bewegt.
Der DTKV begrüßt die Zunahme von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen im Musikschulbereich, sofern die Rahmenbedingungen stimmen und die Unwucht im „Dualen Zusammenspiel“ von selbstständiger und angestellter Tätigkeit beseitigt wird. Dazu braucht es etwa die klare Festlegung im Jahressteuergesetz, dass qualifizierter Musikunterricht umsatzsteuerbefreit ist, das Thema „Scheinselbstständigkeit“ auf EU-Ebene nachverhandelt wird und die strukturellen wie finanziellen Voraussetzungen für die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im musikpädagogischen Bereich geschaffen werden.
Eine intakte bildungskulturelle Infrastruktur schafft eine wesentliche Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Musik erreicht den Menschen in beispielhafter Tiefe und Breite. Die Neugierde auf das Neue, das Unbekannte, die Lust auf Zuhören und Mitgestalten und der Mut zu Prioritätensetzungen befinden sich in unserer Gesellschaft leider auf dem Rückzug. Die Neugierde, die jedes Baby auf die Welt mitbringt, zu erhalten und zu befördern, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die drittstärkste Industrienation der Welt nur unzureichend wahrnimmt. Zusammenhalt geht mit Kultur.
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