Aller guten Dinge sind drei – vorerst. Die Saison mit dem Dreierpack von Matineen im Künstlerhof brachte nach steigenden Besucherzahlen nun einen vorläufigen Schlusspunkt: Vier Pianisten versetzten auf zwei Flügeln das zum Teil auch jugendliche Publikum derart in begeisterte Rage, als wär’s ein Pop-Konzert.
Die von den Rundfunkanstalten einst festgeschriebene Einteilung in „Ernste Musik“ und „Unterhaltung“ greift weniger denn je. „Ernst“ meint ja nur, dass Komponisten ernsthaft mit dem Material umgehen, Klischees und konventionelle Schablonen meiden, also nicht die Schublade der kommerziellen Trivialmusik bedienen! Einigen wir uns doch darauf, dass dieses Konzert immens unterhaltsam war, voller Geist, Esprit, Pep und klassischer, also zeitloser Schönheit!
Die vier „Dompteure“ der beiden wuchtig die Bühne wie Elefanten dominierenden Flügel: Olga Bolocan-Töppel, Eva Krikkay, Andreas Schuch und Friedrich Stimmer, vier in Rosenheim als Lehrer tätige, engagierte Konzertpianisten.
Sind nun zwei Klaviere doppelt so laut? Schon bei der einleitenden Ouvertüre zu Mozarts „Figaro“ wuselten die pro Tastatur zwanzig Finger wie Tausendfüßler dahin, ein erregtes Pianissimo in straffem Presto erzeugend. Die Forte-Passagen aber erhielten eine faszinierende Leuchtkraft, die mit Sensibilität, nicht mit roher Gewalt zu erzeugen war.
Eva Krikkay erzählte witzig und locker von der Rolle des Klaviers im 19. Jahrhundert: Wie hätte man sich als gebildeter Mensch ohne Tasteninstrument kulturell über Wasser halten können, zumal ja CD und Radio noch nicht einmal als Zukunftsvisionen existierten... Welchen Sinn aber haben Klavierbearbeitungen dann heute? Gioachino Rossinis unverwüstliche Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“ zeigt’s deutlich: Das Klavier fungiert in etwa wie ein Röntgenapparat, der uns tieferen Einblick in die Struktur der Klänge ermöglicht. Auch bei Brahms’ „Ungarischen Tänzen“ (Nr. 1, 3 und 5) leuchten die Klaviere die subtile Struktur aus und lassen uns auf Dinge achten, die der gewohnte Orchesterklang uns leicht übersehen lässt. Kurz, wir werden für kleine aber lohnende Details sensibilisiert. Zwei Originalwerke für „nur“ vier Hände bereicherten das Programm: Andreas Schuch und Friedrich Stimmer ließen den 1. Satz der Mozart-Sonate (KV 448) buchstäblich als eine strenge, in sich unendlich schlüssige Architektur Gestalt annehmen. Olga Bolocan-Töppel und Eva Krikkay entfesselten die sich vor Virtuosität schier überschlagenden „Variationen über ein Thema von Paganini“ Witold Lutoslawskis mit ebenso großer Selbstdisziplin wie unbändiger Spielfreude.
Graham Fitkin, 1963 in England geboren, überrumpelte die Zuhörer mit einer trickreich minimalistischen Piéce voller Verve, frappierenden Überraschungen und vibrierenden Klangkaskaden. Der Komponist titelte: „Untitled 11“.
Als Finale schließlich eine irre Mischung aus Ohrwürmern und scharfen Gewürzen: Der Amerikaner Mack Wilberg durchsetzt die Carmen-Melodien hinterlistig mit derart abgefeimten Harmonien, dass die Bizet-Noten gerade noch um die Ecke schrammen, ohne in Brüche zu gehen. Blasphemie? Ein virtuos-tiefsinniger Geniestreich, der noch zwei weitere Zugaben nach sich zog. Wir warten mit Spannung auf die nächste Saison!